In einem Augenblick der Ruhe hörte man, dass sich die Sprinkleranlage eingeschaltet hatte. Und schon kam eine Gruppe von Feuerwehrleuten angerannt.
Robin missachtete die Anweisungen aus dem Lautsprecher und näherte sich vorsichtig den Schließfächern. Flammen waren nicht zu sehen, dagegen quollen übelriechende braune Wolken an der Decke entlang durch den Gang. Der Geruch stammte von Robins Medikamentengemisch und – so hatte er gehofft – verstärkte die Aufregung der herbeieilenden Retter beträchtlich. Sie waren mit Gasmasken ausgerüstet, und ein paar von ihnen hatten auf dem Boden Messgeräte aufgestellt. Schon nach kurzer Zeit nahmen sie ihre Masken ab und gaben Entwarnung.
Und nun wurden die Zuschauer Zeugen eines merkwürdigen Wechsels der Situation. Plötzlich besetzten Männer in den grauen Uniformen des Sicherheitsdienstes den Schauplatz, allen voran der Anführer, durch zwei silberne Streifen am Helm als Offizier ausgewiesen. Die Feuerwehrleute, die dem alten Schutztrupp angehörten, wurden aufgefordert, sich zurückzuziehen, und als sie sich weigerten, zogen die Beamten der Security unmissverständlich ihre Waffen.
Beide Parteien waren miteinander beschäftigt und achteten kaum auf die Umgebung, in der sich nun immer mehr Neugierige sammelten; selbst der Brandherd schien niemanden mehr zu interessieren. Auch Robin rückte noch ein Stück näher heran – er hatte bemerkt, dass die beiden Anführer der konkurrierenden Trupps in ein heftiges Streitgespräch geraten waren.
»Brandbekämpfung liegt eindeutig in unserer Zuständigkeit«, rief der eine der beiden sichtlich verärgert. »Ihr habt hier nichts zu suchen.«
»Die Sicherheitsbestimmungen gehen vor«, gab der andere aufgebracht zurück.
»Eben: Zuerst muss eine Ausbreitung des Brandes verhindert werden. Das ist unser Fachgebiet.«
»Der Brand ist gelöscht – es gibt nichts mehr zu tun. Es kommt nun darauf an, die Spuren aufzunehmen und die Ursache zu klären.«
»Auch das ist unsere Aufgabe …«
»Es ist ein Fall von Brandstiftung, dazu brauche ich keine Fachausbildung. Es kommt darauf an, die Täter zu finden. Das ist eine kriminalistische Arbeit und hat mit dem Feuer selbst nichts zutun.«
»Aber wir tragen die Verantwortung – es muss festgestellt werden, dass die Brandgefahr vorbei ist. Andernfalls müssen wir das Gebäude räumen.«
»Mach dich nicht lächerlich. Die Leute können wieder an die Arbeit gehen.«
Der Offizier des Sicherheitsdienstes drehte sich nun zu den Zuschauern um und rief ihnen zu: »Alles zurück in die Büros. Das Spektakel ist vorbei.«
Der Befehl war ernst gemeint, und die Beamten zogen sich zurück.
Robin saß wieder an seinem Arbeitsplatz. Jetzt hatte er einen eindeutigen Beweis für die Rivalität der alten Schutztruppe und der militärisch geführten Werkspolizei bekommen. Wenn er richtig kalkuliert hatte, dann sollte seiner Inszenierung allerdings noch ein Nachspiel folgen, und tatsächlich kündete wenig später der elektronische Gong an seiner Tür einen Besucher an.
Auf seine Aufforderung trat ein in Zivil gekleideter Mann ein.
»Ich komme im Auftrag des Werkschutzes«, sagte er. »Mein Name ist Timo Kessler. Ich hätte ein paar Fragen.«
Robin bedeutete ihm, sich auf einen Klappstuhl zu setzen, den er aus einer Nische zwischen dem Regal und einem Ablagetisch zog.
Timo räusperte sich, bevor er zu sprechen begann. »Ich muss dir mitteilen, dass du leider von einem Brandschaden betroffen bist. Dein Ablagefach liegt nahe dem Platz, auf dem das Feuer ausgebrochen ist. Wir haben Reste einer Jacke gefunden. Aber dafür gibt es ja eine Versicherung. Wenn es dir gelingt, alle Formulare richtig auszufüllen, bekommst du eine neue.« Er lachte.
»Das verstehe ich nicht«, antwortete Robin. »Die alte Jacke … das macht mir nicht viel aus. Aber wieso konnte denn in der Garderobe ein Brand ausbrechen? Dort wird doch nichts Feuergefährliches aufbewahrt. Es soll ja Kollegen geben, die sich dorthin zurückziehen, um heimlich zu rauchen. Aber so etwas habe ich nie beobachtet, und ich selbst habe es auch noch nie getan.«
»Keine Sorge. Wir wissen inzwischen, dass es Brandstiftung war.«
Robin zeigte sich hinlänglich erstaunt, und der Besucher gab freundlich Auskunft. So erfuhr Robin noch einige Details des Sachverhalts und fand bestätigt, dass es keine Spuren gab, die auf den Täter hinwiesen. So wie sie sich unterhielten, war es nicht schwer, das Gespräch auf die Arbeit der Feuerwehr zu lenken.
»Ist es nicht sehr unangenehm, mehrere Nächte in der Woche zum Bereitschaftsdienst eingeteilt zu sein?«, fragte Robin und schnitt damit das Thema Freizeit an. Timo verriet ihm, dass er ein passionierter Squash-Spieler war und dass man Squash zu jeder Tages- und Nachtzeit spielen konnte. Kurz entschlossen behauptete Robin, eine ganz besondere Vorliebe für Squash zu haben -»… leider nicht viel Übung«, setzte er hinzu. Er erkundigte sich nach Spielhallen mit Squash-Räumen, und ein paar Minuten später waren sie für das nächste Wochenende im Sportcenter zu einer Partie verabredet.
Wie es Robin erwartet hatte, war das Spiel ein Fiasko. Zuerst schlug ihm Timo die Bälle um die Ohren, und erst als Robin gestand, die eigene Spielfertigkeit gründlich überschätzt zu haben, zeigte Timo Mitleid und versuchte, seinem Partner ein paar Kenntnisse über die Schlägerhaltung bei Angriffs- und Verteidigungsbällen beizubringen.
Nachher lud Robin seinen neuen Sportskameraden ins Restaurant zu einem Käse-Fondue ein, dazu tranken sie entalkoholisierten Apfelwein. Zwar störten Robin daran die Essenzen, die den Alkoholgeschmack simulieren sollten, aber gegen den Durst gab es nichts Besseres.
Sie hatten einen Platz unmittelbar neben der Kegelbahn gefunden, und Robin erkannte unter den Spielern jemand, der ihm bekannt vorkam.
»Ist das nicht einer unserer Kollegen?«
Timo blickte hinunter zur Kegelbahn und nickte. »Es ist Josz. Bisher habe ich noch nicht viel mit ihm zu tun gehabt. In Kürze wird er mein Vorgesetzter sein, er soll die Abteilung modernisieren. Hier sehe ich ihn zum ersten Mal.«
Eine Weile sahen sie den Spielern zu. Als die Partie zu Ende war, beobachtete Robin, dass die unterlegene Mannschaft Credits in eine Kasse zahlte. Josz gehörte zu den Gewinnern.
»Ich wusste nicht, dass um Geld gespielt wird«, meinte Robin.
»Es geht nur um kleine Beträge«, sagte Timo. »Das soll angeblich die Spannung erhöhen. Bei Squash ist es nicht üblich.« Und er fügte mit einem Augenzwinkern hinzu: »Du brauchst mir also nichts zu bezahlen.«
Nachdem sie sich noch ein wenig über Sport unterhalten hatten, kam Robin noch einmal auf das Feuer zurück. Timo bestätigte, dass der Vorfall nach wie vor ungeklärt war: Nachdem sie vom Sicherheitsdienst Zugang zum Schauplatz bekommen hatten, wollten sie auch etwas zur Aufklärung beitragen, aber – und das schien Timo ein wenig in Verlegenheit zu bringen – es sei nicht die geringste Spur vom Täter zu finden gewesen.
»Ich habe ja von meiner Zimmertür aus ein wenig von den Aufräumarbeiten mitbekommen«, sagte Robin. »Und ich wunderte mich sehr darüber, wie die Leute vom Sicherheitsdienst mit euch umgegangen sind.«
»Ja«, bestätigte Timo, »das war von Anfang an so – seit man diese neue Abteilung eingeführt hat. Es geschah aufgrund einer Verordnung, die alle internationalen Institute betrifft, also außer uns auch das Internationale Gesundheitsamt und die Internationale Zentralbank. Angeblich soll das die Sicherheit erhöhen. Man war der Meinung, dass der bisher zuständige alte Werkschutz modern ausgerüsteten Gegnern nicht mehr gewachsen sei.«