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Michèle warf ihm einen kurzen Blick zu, gab aber dann doch Antwort: »Nein, wir haben uns ja getrennt – ohne Vorbehalte. Das war nicht ganz einfach, und ich wollte es möglichst bald vergessen.« Nach einer kurzen Pause sprach sie weiter. »Kurz und gut. Ich weiß, dass sich Angelo stets sehr sorgfältig auf seine Einsätze vorbereitet, und so kam ich auf die Idee, nach Unterlagen zu suchen: Ausdrucke, Notizen und so fort. Doch ich fand nichts. Aber es ist mir etwas Ungewöhnliches aufgefallen: dass nämlich nichts von all dem zu sehen war, was sich normalerweise in jedem Haushalt so ansammelt. Keine Rechnungen, kein Mailausdruck, nicht einmal ein Notizzettel. Er muss alles sorgfältig weggeräumt oder vernichtet haben – oder jemand hat es für ihn getan.«

»Und sein Rechner – ist dort vielleicht etwas gespeichert?«

»Genau das dachte ich auch. Der Rechner ließ sich sogar ohne Passwort in Betrieb setzen, und ich habe auch keine gesperrten Dateien gefunden. Aber ich weiß, dass Angelo einen versteckten und gesicherten privaten Speicher angelegt hat. Und ich dachte …«

»Du dachtest, ich sollte mich dort einmal umsehen?«

Jetzt blieb Michèle stehen und wandte sich Robin zu. »Willst du es tun?«

Robin lächelte. »Warum nicht? Gleich heute, nach Dienstschluss?«

»Um diese Zeit sind zu viele Leute unterwegs. Ich schlage vor, wir warten lieber, bis es dunkel ist. Vielleicht bis neun Uhr? Treffen wir uns einfach vor dem Haus. Hier ist die Adresse.« Sie reichte ihm einen Zettel. »Und jetzt gehe ich – es ist besser, wenn man uns nicht zusammen sieht. Ich danke dir.«

Robin steckte automatisch den Zettel ein, während er der jungen Frau nachblickte, die sich mit raschen Schritten entfernte.

*

Als er um neun Uhr abends am Treffpunkt ankam, hielt ein City-Car am Straßenrand, die Tür öffnete sich, Robin erkannte Michèle, die aber nicht ausstieg, sondern ihm mit der Hand ein Zeichen gab, einzusteigen. »Rasch«, rief sie in gedämpfter Lautstärke, und als er ihrem Wink zögernd folgte, packte sie ihn am Arm und zog ihn hinein. »Weiterfahren!«, befahl sie dem Autopiloten, »um den Häuserblock!« Und schon setzte sich das Taxi wieder in Bewegung.

Robin war etwas verwirrt. »Was ist denn?«

»Ein Sicherheitsbeamter. Er stand dort drüben, auf der gegenüberliegenden Seite. Ich habe ihn schon einige Male gesehen, er gehört zu jenen, die das Eingangstor bewachen. Ich hoffe, er hat mich nicht bemerkt.«

»Dann geben wir für heute auf?«

Michèle überlegte kurz. »Ich kenne einen Hintereingang«, antwortete sie. »Sollen wir das versuchen? Schließlich tun wir nichts Verbotenes.«

»Wenn es möglich ist, ohne dass er uns sieht …?«

»Das werden wir sehen.«

Michèle diktierte das Taxi um den Block herum und ließ es vor einem Waschsalon halten, in dem sich um diese Zeit kein Personal aufhielt.

»Ich war hier Kunde«, erklärte Michèle und gab einen Code in das Ziffernblatt am Eingang ein. Die Tür ging auf.

Sie gingen an der Reihe der Waschautomaten vorbei; nur an einem saß ein junger Mann mit Kopfhörern, der sich im Takt der Musik wiegte und keinen Blick für die beiden hatte. Von der Hinterseite führte eine Tür ins Kellergeschoss. Sie stiegen eine Treppe abwärts bis zu einer Lifttür.

Michèle holte per Tastendruck die Kabine heran. »Wir müssen in das achte Geschoss. Ich schlage vor, du steigst schon im siebenten aus. Dort kannst du über die Treppe weitergehen. Inzwischen bin ich dann längst oben. Aber warte bitte, bis ich dich rufe. Nur für den Fall, dass dort auch eine Wache steht. Sollte das so sein, dann geh zurück ins Erdgeschoss, dort würden wir uns später treffen.«

Robin brauchte nicht lange zu warten, da forderte sie ihn schon auf zu kommen.

»Hier ist es«, sagte Michèle. »Komm herein!« Sie war vorgegangen und wartete im Vorraum auf Robin. »Es ist eine schöne Atelierwohnung. Angelo hat ganz gut verdient.«

Sie sahen sich ein wenig um, doch es war nichts Auffälliges zu erkennen. Trotzdem blieben sie vorsichtig, sie begnügten sich zunächst mit dem spärlichen Licht, das von außen einfiel, und überzeugten sich davon, dass sich niemand in der Wohnung versteckt hatte. Dann erst schaltete Michèle die Lampen ein, und die Spannung fiel von ihnen ab.

Robin musste daran denken, dass Michèle hier mit Angelo gelebt hatte. »Ist es dir unangenehm? – ich meine, wieder hierher zu kommen?«

»Es ist doch schon lange vorbei«, sagte Michèle, was genau genommen keine Antwort war.

Sie zeigte Robin die Zimmer. Durch die große, zylindrisch gekrümmte Spezialglasscheibe, die Licht nur in eine Richtung durchließ, hatte man freie Sicht zur Stadtmitte, in der sich die Lichtpunkte der im Wind leicht schwingenden Hängelampen zu einem leuchtenden Schwarm konzentrierten. Die wenigen aus vorigen Jahrhunderten erhaltenen Gebäude waren orangefarben beleuchtet.

Robin hielt sich nicht lange am Fenster auf. Er sah sich im Zimmer um, das neben einigen Holzmöbeln auch das ComSet sowie – zu einer Einheit zusammengefasst – den Screen und den Holo-Sockel enthielt. Michèle schaltete ein, und dann setzte sich Robin in den Kontrollstuhl und sah sich zuerst die leicht zugänglichen Browser an – wo, wie erwartet, nichts Interessantes zu finden war. Dann holte er aus seiner Hüfttasche eine MiniDisk und schob sie in das Laufwerk.

Er rief ein Programm auf, mit dessen Hilfe sich versteckte Dateien finden und öffnen ließen. Erschien auch schnell ans Ziel zu kommen, doch als er einen Blick auf die Angaben warf, die da zum Vorschein kamen, schloss er sie rasch.

»Es sind E-Mails und Bilder von einigen Mädchen. Etwas intim, wie mir scheint. Willst du sie sehen?«

Michèle schüttelte stumm den Kopf.

Robin versuchte, rasch über diesen peinlichen Moment hinwegzukommen, und arbeitete 20 Minuten ebenso konzentriert wie erfolglos. »Ich bin mir ziemlich sicher, dass in den Speichern sonst nichts versteckt ist.«

»Nun gut, wir haben es versucht«, sagte Michèle. »Dann können wir gehen.«

Die ganze Zeit über war sie etwas unruhig gewesen und hatte immer wieder nach verdächtigen Geräuschen gelauscht. Sie schien froh zu sein, diese Stätte verlassen zu können.

Robin hielt sie zurück. »Nicht so schnell, da wir schon einmal hier sind, sollten wir uns die Wohnung gründlich ansehen. Hast du eine Ahnung, wo er etwas versteckt haben könnte?«

»Nein«, sagte Michèle, »ich habe schon gestern alles durchsucht. Es war nichts zu finden.«

Robin kramte in seiner Tasche und holte ein Gerät heraus, das aus einem zigarettenschachtelgroßen Gehäuse und einem damit über ein Kabel verbundenen Plättchen bestand.

»Hast du etwas dagegen, wenn ich es trotzdem versuche?«

»Was hast du da?«, fragte Michèle.

»Das ist ein Sensor, er hat mir in einigen meiner Fälle schon gute Dienste erwiesen. Er zeigt Inhomogenitäten im Inneren von Materialien an. Arbeitet auf der Basis von Ultraschall.«

»Dann solltest du es versuchen«, schlug Michèle vor.

Eine halbe Stunde lang stöberte Robin in allen Ecken des Raums herum, legte die Platte an die Mauern und Böden, an die Verkleidung der Möbel, doch erfand nichts. Dann wiederholte er seine Arbeit in den anderen Räumen. Schließlich richtete er sich auf und lockerte seine schmerzenden Gliedmaßen.

»Gibst du auf?«, fragte Michèle.

Robin sah sich um. »Wohin führt diese Tür?«

»Ins Schlafzimmer«, antwortete Michèle.

»Das ist doch ein Ort, den man gern benutzt, um etwas zu verstecken. Darf ich?«

Michèle öffnete ihm die Tür, er trat ein und setzte seine Suche fort, während sie sich auf einem Stuhl niederließ und wartete.

Es dauerte ziemlich lange, denn Robin wollte gründlich sein. Doch dann rief er Michèle und zeigte auf einen Spiegel, den er von der Wand genommen hatte. »Hier, im Rahmen ist ein Hohlraum, und da steckt etwas drin …« Er zog eine kleine Rolle heraus.