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»Das wär’s«, sagte Josz, und es klang so, als wäre er von der Spannung befreit, die ihn in den letzten Minuten ergriffen hatte. »Ich schlage vor, wir gehen in die Kantine und gönnen uns ein Frühstück.«

Wenig später saßen sie vor dampfenden Tassen und schälten belegte Brötchen aus den Plastikhüllen.

»Was hat die Falknerei mit unseren Problemen zu tun?«, fragte Robin.

»Ich weiß es nicht, aber es ist so auffällig, dass man sich diese Frage stellen muss.«

»Kann es nicht ein simples Hobby sein?«

»Ein solches Hobby passt eben nicht zu ihm. Es muss irgendeinen praktischen Grund dafür geben, wenn er sich auf so etwas einlässt.«

Robin nahm einen Schluck aus seiner Tasse und griff nach einem weiteren Brötchen. »Vielleicht gibt es doch einen Zusammenhang«, sagte er grübelnd. »Ich habe da einen vagen Verdacht.« Und dann fügte er entschlossen hinzu: »Ich werde der Sache nachgehen.«

»Da bin ich gespannt«, sagte Josz. »Wir bleiben in Verbindung.« Er drückte Robin einen Chip in die Hand. »Aber nicht über das öffentliche Netz – hier ist der Code für den internen Kanal.«

Das Frühstück hatte gut getan, und nun, noch unter dem Eindruck des eigenartigen Schauspiels, dem sie beigewohnt hatten, begaben sie sich an ihre Arbeitsplätze. Beide waren recht zufrieden – als wären sie einen entscheidenden Schritt vorangekommen.

*

Robin hatte es eilig, er hatte eine vage Idee, und er war neugierig darauf, ob sich sein Verdacht erhärten ließ. Wie üblich begann er seine Recherche vom Arbeitsplatz aus. Zunächst brauchte er ein paar amtliche Unterlagen. Wie er vermutet hatte, war die Zucht von Tieren im Wohnbereich nicht ohne weiteres möglich, und so sollte Gorosch eine Genehmigung dafür eingeholt haben, denn er betrieb sein merkwürdiges Hobby ja in aller Öffentlichkeit. Es war etwas umständlich, herauszufinden, welche Behörde für solche Fälle verantwortlich war, doch als es Robin gelungen war, hatte er auch bald die Kopie des Bescheides in Händen, der dem Sicherheitschef die Erlaubnis für das Züchten von Greifvögeln erteilte.

Das war der erste Schritt gewesen, und Robin spürte so etwas wie Jagdeifer – als wäre er hinter einer Beute her, die er allmählich in die Enge trieb, und das stimmte ja sogar in gewissem Sinn. Der zweite Schritt war noch aufregender: Er wollte nämlich wissen, ob es in der näheren Umgebung noch andere Personen gab, die dasselbe Hobby betrieben. Das konnte ein wenig mehr Zeit in Anspruch nehmen, denn er musste in benachbarten Gemeinden suchen, und dazu bedurfte es umständlicherer Formalitäten als am Ort des Internationalen Gerichtshofs, wo gute Verbindungen mit dem Rathaus und der Polizei bestanden.

Robin stellte sich auf eine unbestimmte Wartezeit ein. Um sie nutzbringend zu verwenden, holte er sich einige Unterlagen aus der Datenbank. Da gab es mehr, als er erwartet hatte: Es bestand eine weit in frühere Jahrhunderte zurückreichende Tradition der Zucht und Verwendung von Falken und anderen Greifvögeln für Jagdzwecke. Darüber hinaus holte er sich aber auch Material über andere Bereiche, wo es um die Nutzanwendung gezähmter Vögel ging, von der Haltung von Legehennen bis zum Einsatz von Brieftauben in Kriegszeiten …

Und dann, überraschend schnell, kam die erhoffte Nachricht: Es gab noch einen Falkenzüchter, einen allein stehenden Pensionisten in einem kleinen Ort im selben Tal, einige Kilometer flussabwärts. Robin wollte sichergehen und wartete, bis die ganze von ihm ausgewählte Region durchforstet war, doch es blieb bei der einzigen Rückmeldung. Das war eine wichtige Erkenntnis, wenngleich noch kein Beweis. Robin brauchte noch eine Auskunft von Josz, und er rief ihn auf der internen Leitung an.

Er berichtete kurz, was er bisher unternommen hatte, und schloss seine Frage an: »Ich brauche noch ein paar Informationen über Goroschs Falknerei – über das hinaus, was wir heute beobachtet haben. Besonders interessiert mich, ob er die Vögel manchmal auch für längere Zeit frei fliegen lässt.«

Josz bestätigte das. »Einige Male in der Woche. Meist gegen Abend, eine Stunde vor Sonnenuntergang. Sie steigen dann hoch auf und verschwinden irgendwo am Himmel. Doch vor Einbruch der Dunkelheit finden sie sich von selbst wieder ein. Kannst du mir sagen, worauf du hinauswillst?«

»Ich bin jetzt ziemlich sicher«, antwortete Robin. »Ich habe mich ja schon früher gefragt, auf welche Weise Gorosch Verbindung mit dem Syndikat aufnimmt. Über Leitungen oder über Funk ist es nicht möglich – das alles kann abgehört werden, und auch eine Codierung nützt da nicht viel. Also über Boten? Doch es würde natürlich auffallen, wenn er mehrfach Besuch von außerhalb bekäme. Als du mir heute früh die Falken gezeigt hast, hatte ich eine Ahnung, dass sie etwas mit dieser Frage zu tun haben könnten: als harmlos wirkende Überbringer von Nachrichten. Und das, was ich in den letzten Stunden erfahren habe, macht mich ziemlich sicher. Ich will nur noch einen Ornithologen konsultieren, vielleicht ergibt sich dabei noch etwas Genaueres.«

»Donnerwetter!« Josz verbarg sein Erstaunen nicht. »Das hört sich vielversprechend an. Halt mich auf dem Laufenden.«

Inzwischen war es Mittag, aber Robin verzichtete auf den Besuch der Kantine. Stattdessen versuchte er einen Vogelkundler aufzutreiben, den er schließlich in einem Institut am Bodensee fand. Nach der Mittagszeit hatte er ihn am Vidiphon. Robin wies sich über das Rückruf-System als Angehöriger des Internationalen Gerichtshofs aus und schilderte dann den Fall, ohne auf Einzelheiten einzugehen.

»Mir ist bekannt, dass Falken standorttreu sind, dass sie eine feste Bindung zu den Orten ihrer menschlichen Betreuer haben. Und dass sie freiwillig zurückkommen, wenn sie dort Futter erhalten. Wie steht es aber, wenn es um zwei Orte geht, die sie abwechselnd aufsuchen sollen? Könnte man ihnen so etwas beibringen?«

Der Wissenschaftler überlegte kurz. »Ich denke, das ist möglich. Die Tiere sind recht intelligent. Angenommen, sie kennen einen Platz, an dem sie zu einer bestimmten Tageszeit mit Leckerbissen versorgt werden … dann ist es sehr wahrscheinlich, dass sie dorthin fliegen, um sich das Futter zu holen, wenn sie zur rechten Zeit freigelassen werden – und danach wieder an ihren Standort zurückkehren.«

Robin bedankte sich. Er hatte das Gespräch aufgenommen, um es genauer zu studieren, doch das war nicht nötig – die Auskunft war verständlich und eindeutig. Nun war er sicher, dass die Vögel als fliegende Boten dienten und dass der zweite Falkner der Verbindungsmann war, über den der Nachrichtenaustausch lief.

Er rief Josz an und teilte es ihm mit. Der schien es eilig zu haben und sagte nur: »Ich werde die Sache in die Hand nehmen. Da ist keine Zeit zu verlieren. Du hörst von mir.«

Robin war nicht gerade erfreut, dass er jetzt untätig warten musste, aber als er darüber nachdachte, was in dieser Situation zu geschehen hatte, sah er ein, dass hier für die Spezialisten des Werkschutzes bessere Möglichkeiten bestanden.

Montag, 21. April

Robin musste sich drei Tage lang in Geduld üben und gewöhnte sich allmählich wieder an seine übliche Arbeit, die er in letzter Zeit etwas vernachlässigt hatte. Doch er war weit davon entfernt, Angelo und Gorosch zu vergessen. Dafür sorgten schon die Meldungen über die bevorstehende internationale Gipfelkonferenz, deren Ort noch immer geheim gehalten wurde. Umso mehr hörte man über die angestrebten Ziele: Koordinationsaufgaben, die das Zusammenleben der Völker erleichtern und vereinfachen sollten. Das würde allerdings eine entscheidende Änderung der politischen Strukturen mit sich bringen, bei der die Kompetenzen der Länder zugunsten internationaler Gruppierungen beschnitten würden. Es gab Stimmen für die Umstellung, aber auch solche, die sich heftig dagegen wehrten, und beide Seiten hatten gute Gründe für ihre Meinung. Hinter all dem steckten aber auch grundlegende Fragen der Machtverteilung zwischen lokalen Regierungen, Wirtschaftsunternehmen und Banken auf der einen Seite und den global ausgerichteten Gremien der Weltregierung auf der anderen.