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Normalerweise hätte sich Robin nicht besonders für die bevorstehenden Verhandlungen interessiert; wie viele Menschen war er bisher der Auffassung gewesen, dass der einzelne Bürger – verglichen mit den am Spiel beteiligten Kräften – machtlos war. Jetzt, da er sich zu der kleinen Gruppe zählen durfte, die über Insiderwissen verfügte, war das ganz anders geworden. Er spürte plötzlich eine starke Verpflichtung, etwas gegen die zerstörerischen Kräfte zu tun, die die Entwicklung aus Eigennutz aus der richtigen Bahn zu drängen versuchten.

Am Abend des dritten Tages bat ihn Josz zu einem unauffälligen Zusammentreffen in einem derzeit leer stehenden Besprechungsraum.

Als Robin eintrat, war Josz schon da, und er machte einen sehr zufriedenen Eindruck. Sie setzten sich in zwei Aluminiumstühle in der Ecke.

Josz rückte gleich mit der Neuigkeit heraus. »Wir haben eine Nachricht abgefangen«, sagte er.

Einen Moment lang wusste Robin nicht, was gemeint war, aber dann wurde es ihm klar. »Ihr habt einen Falken heruntergeholt?«, fragte er.

»Ja, ich habe einen jungen Mann gefunden, der sich mit Modellflugzeugen beschäftigt. Er war ganz begeistert von der Aufgäbe, eines seiner Geräte so umzubauen, dass man damit auf Vogeljagd gehen kann. Gestern hat Gorosch seine Falken freigesetzt. Wir haben sie auf dem Rückflug abgepasst, und meinem Gehilfen ist es gelungen, die Flugscheibe an einen der Falken heranzusteuern und ihn in einem Netz zu fangen.«

»Dann weiß Gorosch also, dass wir ihm auf die Schliche gekommen sind?«

»Wahrscheinlich nicht. Wir haben alles getan, um das zu vermeiden. Wir nahmen den Vogel auf einer versteckten Wiese in Empfang. An einem Ring am Bein trug er einen Speicher-Chip. Wir haben die Daten kopiert und den Chip wieder am Bein befestigt. Dann brachten wir den Vogel mit dem Flugkörper ungefähr dorthin, wo er gefangen wurde, und ließen ihn frei. Ich habe es mit dem Feldstecher beobachtet: Er hat seinen Flug fortgesetzt. Natürlich dürfte er etwas verspätet an seinem Ziel angelangt sein, aber so etwas kann ja vorkommen. Ich glaube nicht, dass Gorosch etwas von unserer Aktion bemerkt hat.«

»Und die Nachricht … Konnte man sie entziffern?«

»Sie war nur einfach verschlüsselt, die guten Leute scheinen sich sehr sicher zu fühlen. Es handelt sich um die Einladung zu einer Besprechung – samt Ort und Datum. Der Treffpunkt liegt in Corleone, ein Touristenort mit historischen Attraktionen. Die Zeit: genau in einer Woche.«

Robin war überrascht. Er hätte nicht gedacht, dass sie so rasch weiterkommen würden. Dann fragte er: »Und was geschieht jetzt?«

Josz lächelte und sagte: »Ganz einfach: du wirst einen Urlaub beantragen und Ende dieser Woche nach Corleone reisen. Ein hübsches Plätzchen in einer hübschen Gegend: Sizilien. Warst du schon mal dort? Du wirst dich dort ein wenig umsehen.«

Ankunft auf der Eisinsel

Noch zwei, höchstens drei Stunden bis zum Ziel – so hatte ich es mir ausgerechnet, als ich meine Wanderung begann. Es war später Vormittag gewesen, als ich aufgebrochen war. Es dauerte viel länger.

Nun ging der Tag dem Ende zu, die Sonne stand schon tief, ihr Schein drang nur trüb durch die Wolken, die sich merklich verdichteten. Das schöne Wetter reichte wohl nur für ein kurzes Zwischenspiel aus. Doch für mich sollte das genügen, denn auf der Landkarte im Display der Satellitenortung sah ich, dass ich nur noch ein kurzes Stück zu gehen hatte. Trotzdem bemerkte ich noch nichts von der Eisinsel und vom Globe-Hotel, denn vor mir lag eine Kette flacher Hügel, die die Sicht ins Tal verstellte.

Die schlechten Lichtverhältnisse waren der Grund dafür, dass ich unversehens vor einem Hindernis stand, das ich in der Arktis nicht erwartet hätte: ein dicht gezogener Stacheldrahtzaun.

Zuerst sah ich darin kein Problem. Ich blickte mich nach beiden Seiten um, der Zaun schien endlos weiterzulaufen, nirgends war ein Ende zu erkennen. Dann sah ich mir das Hindernis genauer an – vielleicht konnte ich mir mit meinem Taschenlaser eine Bresche schneiden, aber wie eine genauere Besichtigung ergab, war daran nicht ernsthaft zu denken, ich hätte stundenlang herumgewerkelt.

Es war doch lächerlich, dass ich hier, so kurz vor dem Ziel, nicht mehr weiterkam. Es musste doch irgendwo einen Durchgang geben. So machte ich mich auf den Weg und wanderte den Zaun entlang, in willkürlich gewählter Richtung nach Süden. Ich hatte weit zu gehen, bis ich einen Durchgang fand: ein breites, aus Leichtmetallstangen errichtetes Gatter, das sich glücklicherweise zur Seite schieben ließ.

Als ich auf der anderen Seite angekommen war, stand da ein Schild mit dem Hinweis: DURCHGANG UNTERSAGT – durch Zuwiderhandeln verursachte Unfälle sind von der Versicherung nicht gedeckt. Nun gut, immerhin befand ich mich jetzt wieder in einer zivilisierten Gegend.

Wie ich zugeben muss, war es ganz angenehm, wieder auf einem richtigen Weg zu gehen. An Papierkörben und Rastplätzen vorbei wanderte ich in leichter Schräge abwärts. Und endlich konnte ich mir die Insel, den Bohrturm und das merkwürdige Bauwerk des Globe-Hotels genauer ansehen. Die umfangreiche Anlage stand auf fünf stelzenartigen Beinen hoch über dem Wasserspiegel. Das Hotel selbst war am Rand der untersten und größten Plattform errichtet worden, nach Westen hin mit den Verstrebungen des Bohrturms verbunden, so dass eine seltsame Kombination von Technik und phantastischer Architektur entstanden war.

Ich hielt mich hier nicht lange auf, sondern schritt zügig weiter, und dabei konnten mich ein paar vereiste Treppen und Schneeverwehungen nicht stören. Unten erreichte ich eine Eisfläche, auf der die Ketten- und Radspuren von Fahrzeugen ein seltsam verschlungenes Muster bildeten. Sie drängten sich auf einer Seite zusammen; hier lag, am blauen P-Schild zu erkennen, ein Parkplatz, der derzeit unbenutzt war.

Von dieser Stelle waren es nur noch 400 Meter bis zum Ufer des Sees, man konnte aber auch einen anderen Weg nehmen, der seitlich weiterführte, und zwar in Richtung auf eine Gruppe von phantastisch geformten Eisgebilden. Hier war eine Traumlandschaft aus Eis und Wasser entstanden, Pfeiler, Podeste, Brückenbogen, steile grünlich-weiß gestreifte Eiswände, ovale Eingänge zu Grotten, von Eiszapfen verhangen – es sah aus, als wäre hier eine Gruppe nicht ganz nüchterner Landschaftsgestalter am Werk gewesen. Vermutlich war das als Tummelplatz für die Hotelgäste gedacht. An einigen Plätzen standen Laternen, und da und dort konnte man auch diskret angebrachte Scheinwerfer erkennen; es fehlte nur noch ein Podium für Musiker für eine Son-et-lumière-Veranstaltung. Doch auch hier war derzeit alles menschenleer.

Ich hatte allerdings kein besonderes Interesse an diesen Attraktionen, jetzt wollte ich endlich mein Ziel erreichen. Das letzte Stück des Weges war breit, mit Sand bestreut und an abschüssigen Stellen mit gestanzten Blechplatten belegt. Nach wenigen Minuten erreichte ich das Ufer.

Ich brauchte mich nicht lange nach einer Verbindung zum Hotel umzusehen. Nicht weit von mir entfernt lag eine Anlegestelle, die man von einem Parkplatz über Treppen erreichen konnte. Direkt am Wasser stand der große, flache Bau eines Bootshauses. An der mir zugewandten Seitenwand lag eine Schaluppe, die mit Seilen an einem Pfosten befestigt war. Ich kletterte hinein und nahm meinen Rucksack ab. Am Heck fand ich einen Außenbordmotor unter einer Plane. Ich legte ihn frei und schwenkte ihn über das Wasser.

Hoffentlich ließ er sich anwerfen! Ich drückte den Knopf für den Anlasser, und schon beim zweiten Versuch sprang der Motor an. Ich löste die Vertäuung und tauchte die Schraube ins Wasser. Zuerst langsam, dann aber immer schneller glitt ich über die Oberfläche. Ich atmete auf: Endlich war ich am Ziel.

Als ich näher herankam, merkte ich erst, wie groß die Anlage war, und konnte sie mir genauer ansehen. Ich erkannte einen turmartigen Aufbau und drumherum angeordnet fragil erscheinende Metalltreppen, die in verschiedenen Höhen liegende Decks miteinander verbanden. Eines davon, von der großen Plattform aus durch eine Brücke erreichbar, diente als Landefläche für Helikopter, vermutlich die einzige Möglichkeit, diese abgeschiedene Stätte auf einigermaßen bequeme Weise zu erreichen. Auf den anderen Ebenen standen Container, Behälter und Stapel von Röhren. Ein großer, aufrecht stehender Behälter diente wohl als Trinkwassertank. Eine besondere Note bekam die Konstruktion durch eine ganze Reihe schief in die Höhe ragender Kräne.