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Der Mann führte mich zu einer Tür, auf der ein Schild mit der Aufschrift »Oberstleutnant Jeremy Jurema« befestigt war.

Wenig später saß ich gegenüber einem hageren Mann mit vollem schwarzem Haar und einer Hautfarbe, die leicht ins Oliv changierte. Er war in Zivil, was bei ihm wie eine Verkleidung wirkte, denn dem Aussehen und dem Benehmen nach war er Offizier. Er wies mir einen Stuhl zu und ließ mich einige lange Minuten warten, während er in bedruckten Papieren blätterte und das Gelesene mit Angaben auf einem Bildschirm verglich.

Dann blickte er auf und musterte mich. »Ist es nicht etwas überraschend, dass Sie gerade hier gelandet sind?«

»Gerade hier gelandet? Das kann man wohl nicht behaupten diese Insel war weit und breit der einzige Ort, den ich von meiner Absprungstelle aus erreichen konnte. Bis hierher waren es immerhin sechs Tagesmärsche über Eis und Schnee. Ich hatte die Insel und das Gebäude zum Glück kurz vor dem Absprung vom Flugzeug aus gesehen.«

Der Offizier blickte mich immer noch durchdringend an. »Dann erzählen Sie mir doch mal, wie es zu diesem Absprung kam. Und, wenn ich bitten darf, legen Sie die Hände hierher auf die Lehnen.«

Ich folgte seiner Anweisung. Also ein Lügendetektortest. Natürlich war mir die Situation nicht angenehm, aber andererseits fühlte ich mich insofern sicher, als ich mit meiner Geschichte einfach bei der Wahrheit bleiben konnte.

Der Oberstleutnant wandte sich wieder seinem Bildschirm zu, tippte etwas ein, wartete die Reaktion ab und verglich sie dann offensichtlich mit den anderen Unterlagen.

Das ging eine ganze Weile so weiter. Dann stellte er den Bildschirm auf Dunkel und sagte merklich freundlicher: »Ich schätze Mut und Risikobereitschaft. Sie scheinen diese Eigenschaften zu haben. Ihr Name ist mir bekannt, ich habe Sie erst vor Kurzem in einer Life-Sendung gesehen. Es ging um eine Bergbesteigung. Beachtlich, was Sie da gewagt haben.« Er nickte mir anerkennend zu. Dann stand er auf, und ich folgte seinem Beispiel. »An Ihrer Identität besteht kein Zweifel, also ist alles in Ordnung. Vielleicht können wir uns einmal am Abend auf ein Glas Wein treffen – wenn die Konferenz vorbei ist.« Er lachte, als wäre ihm etwas Lustiges eingefallen. »Diese seltsamen Vögel hier im Globe-Hotel haben sich gut mit Getränken versorgt.«

Ich bedankte mich und versuchte, mich erfreut zu zeigen. »Das wäre allerdings sehr nett. Aber Sie werden verstehen, dass ich so rasch wie möglich von hier wegkommen möchte. Meinen Sie nicht, dass sich dazu eine Gelegenheit ergibt?«

Seine Reaktion war etwas seltsam, er lächelte, ein wenig belustigt, wie es schien. Dann sagte er: »Da muss ich Sie enttäuschen – niemand darf die Insel vor dem Ende der Konferenz verlassen. Seit vorgestern – als die Delegierten hier eingetroffen sind – wurden alle Verkehrsverbindungen unterbrochen. Besonders die Presse ist unglaublich scharf auf jede Art von Information und hat schon mehrmals versucht, Journalisten einzuschmuggeln. Einer war sogar als Koch getarnt. Wir haben ihn hinausgeworfen. Denn alles, was sich hier tut, unterliegt aus Gründen der Sicherheit natürlich absoluter Geheimhaltung.«

Kurz überlegte ich, ob ich versuchen sollte zu widersprechen, aber als ich seine Miene sah, ließ ich es lieber. Ich dankte ihm und verabschiedete mich. Er rief die Ordonanz, die mich zur Drehtür brachte. Ich war heilfroh, dass ich unangefochten wieder herausgekommen war.

Ich ging in mein Zimmer zurück, diesmal ohne bewaffnete Begleitung. Ich versuchte, die neuesten Eindrücke zu verarbeiten. Vor allem beschäftigte mich die Tatsache, dass ich mich nicht davonmachen konnte. Ein exklusiver Zwangsaufenthalt! Keine Möglichkeit, meine Nordpolfahrt doch noch zu verwirklichen! Im Moment sah ich keine Chance, all diesen Unannehmlichkeiten zu entgehen. Vielleicht konnte mir Ellen einen Tipp geben. Aber da gab es ja auch noch einige Unklarheiten zu beseitigen …

Ich rief sie an, und sie fragte mich, ob es irgendetwas Besonderes zu berichten gäbe. Als ich verneinte, bat sie mich, das Gespräch auf den nächsten Vormittag zu verschieben. Ich sollte mich inzwischen ein bisschen im Hotel umsehen – im Vorführraum, wo man verschiedenste Typen von Dokumentationen und Animationen abrufen konnte; im Fitness-Center, wo es alle erdenklichen Apparate gab, mit denen sich Menschen ins Schwitzen bringen konnten; in der Bibliothek, die viele seltene, von nostalgischen Kulturmenschen geschätzte, auf Papier gedruckte Bücher enthielt; oder in der automatisch betriebenen Bar – der einzigen, die in dieser toten Zeit noch geöffnet war.

Gern würde sie mir Gutscheine dafür bringen lassen, aber – so machte sie mich aufmerksam – es könnte sein, dass ich dort auf Angehörige der Besatzung träfe. Auf dieses Vergnügen konnte ich verzichten, und trotz der eben erst vorübergegangenen anstrengenden Tage beschloss ich, den Fitnessraum aufzusuchen – denn ich gehörte nun einmal zu diesen masochistisch veranlagten Menschen, die sich dort mit Vergnügen verschiedenen Torturen mit Gewichten, Laufrädern und Expandern unterziehen.

So war ich hinterher recht müde, aber ich fühlte mich wohl und freute mich auf einen ruhigen Abend. Vielleicht war es gar nicht so unangenehm, ein paar Tage auszuspannen. Ich holte mir einige Süßigkeiten aus dem Eisschrank, dann schenkte ich mir ein Glas mit einem moussierenden Fruchtgetränk ein und machte es mir auf einem der Stühle vor dem Fernseher bequem.

Es war acht Uhr, die Zeit, zu der WWNews die Zusammenfassung der Tagesmeldungen brachte. Wie gewohnt klatschte ich in die Hände, der akustische Sensor reagierte, und der Schirm wurde hell.

Es war genau die richtige Zeit, das Opening war angelaufen, daran schlossen Bildszenen zur Ankündigung der wichtigsten Ereignisse des Tages an.

Gleich der erste Hinweis galt der Gipfelkonferenz, und für einen Moment blendete ein Bild auf, im Grunde genommen nur ein hübsches Ornament: ein liegendes grünes Oval, von einem Kranz aus blauen Blumen umschlossen … doch es traf mich wie ein Blitz! Es riss irgendeine bis eben noch verschlossene Zone in meinem Gedächtnis auf, es war eine Fülle von aufwühlenden Einzelheiten, die sich mir plötzlich eröffneten … Innerhalb einer Minute fügten sie sich zu einer Gesamtschau, die nicht nur meinen Aufenthalt im Globe-Hotel, sondern meine gesamte Situation von Grund auf veränderte. Und plötzlich wurde mir auch Ellens seltsames Verhalten verständlich: die Worte, mit denen sie mich empfangen hatte, ihre Andeutungen, dass sie mich erwartet habe, und noch manches andere.

Mit meiner Hoffnung auf ein paar faule Tage war es vorbei, aber dieser Umstand hatte nun auch keine Bedeutung mehr für mich …

Das Emblem war inzwischen längst verschwunden. Man sah Bilder, die die schon lange geplante Gipfelkonferenz betrafen, und in diesem Moment wurde auch der Schauplatz des Ereignisses bekannt gegeben: eben dieses Hotel im Eissee, in das ich über merkwürdige Umwege geraten war. Filmaufnahmen des Gebäudes und seiner Umgebung wurden gezeigt. Man berichtete, dass inzwischen alle Delegierten auf der Eisinsel angekommen seien und dort zunächst ein paar Tage Zeit hätten, sich dort häuslich einzurichten und sich in persönlichen Gesprächen auf die Konferenz vorzubereiten. Doch, so wurde hinzugefügt, es würde – um die Verhandlungen nicht zu stören – keine Life-Aufnahmen von der Konferenz geben.

Plötzlich war ich wieder Herr der Lage, ich kannte meine Aufgabe, und ich erinnerte mich genau, wie wir seinerzeit darüber diskutiert hatten, auf welche Art ich die Kontrollen am besten überstehen könnte. Dabei hatten wir uns ebenso auf Tests mit Lügendetektoren eingestellt wie auch auf Befragungen unter Einfluss psychogener Drogen. Mit diesen Mitteln konnte man aus verdächtigen Personen alles herausholen, was sich im Bewusstsein befand. Ohne diese Vorkehrungen hätte mich die Befragung in eine peinliche Lage gebracht – zum Glück hatten sich die Vorsichtsmaßnahmen bewährt. Ich war froh darüber, dass sich die seltsamen Umstände meiner Ankunft auf verständliche Weise geklärt hatten.