Выбрать главу

»Halt, wohin wollen Sie?«

»Ist das der einzige Zugang zur Stadt?«, fragte Robin.

»Allerdings«, bestätigte der Wächter.

»Aber es muss doch möglich sein, in die äußeren Stadtviertel zu kommen.«

»Für Touristen gesperrt«, widersprach der Mann. »Es ist zu Ihrer eigenen Sicherheit. Vergessen Sie nicht, wo Sie sich befinden! Es gibt dort auch nicht das Geringste, was Sie interessieren könnte.«

Robin wollte sich schon erkundigen, wieso sein Gesprächspartner so genau wusste, was ihn, Robin, interessierte, doch dann ließ er es. Er musste versuchen, das Rätsel auf andere Weise zu lösen. Er grüßte, ohne seine Verärgerung zu zeigen, und ging zurück durch das Tor zum inneren Platz. Obwohl es schon dunkel wurde, hielten sich hier jetzt mehr Menschen auf als am Nachmittag bei seiner Ankunft. Einige Läden, die vorher geschlossen gewesen waren, hatten nun geöffnet, eine Menge Touristen, denen man hier nirgends entgehen konnte, standen herum, und man sah Einheimische in altmodischen Trachten. Auf der einen Seite des Platzes veranstalteten Kinder ein Wettrennen mit bunt bemalten hölzernen Dreirädern, auf der anderen waren Arbeiter in blauen Overalls dabei, ein Podium zusammenzubauen.

Was sollte Robin an diesem Abend noch unternehmen? Er entschloss sich, es für diesen Tag gut sein zu lassen. Er suchte sich eines der Restaurants und ließ sich eine landesübliche Speise empfehlen. Man brachte ihm einen Teller, in dem Stücke von verschiedenen Meerestieren zu erkennen waren, zähe Tentakel von Tintenfischen, glitschiges Muschelfleisch, das man erst zwischen den Schalen herauskratzen musste, winzige grausilberne Fischchen, die man samt den Gräten essen sollte, und einiges, über dessen Herkunft nur zu spekulieren war. Robin begnügte sich mit einigen recht delikaten Krebsen, essiggetränkten Artischocken und einem Dutzend fetttriefender Oliven. Danach servierte man ihm etwas als italienische Spezialität, das anderswo als »Wiener Schnitzel« bezeichnet worden wäre, aber es schmeckte ihm, und somit war er zufrieden.

Als er das Restaurant verließ, war auf der Bühne und auf dem Platz davor ein Spektakel in Gang. Robin drängte sich zwischen den dicht an dicht stehenden Zuschauern hindurch, bis er einen Platz fand, von dem aus er sehen konnte. Offenbar ging es um einen Überfall. Von der Seite näherte sich ein bunt gestrichener, von Pferden gezogener Wagen, auf dem es sich eine vornehme Gesellschaft in alten Gewändern gemütlich gemacht hatte. Nachdem sie ein Liedchen gesungen hatten, sprangen von der Bühne maskierte Banditen herunter, die mit Pistolen in die Luft schossen und den Damen ihren Schmuck herunterrissen. Doch auch hier erschien letztendlich eine Gruppe in Leder gekleideter Männer, die die Überfallenen befreiten und schließlich mit ihnen gemeinsam feierten.

Noch vor dem Ende des Schauspiels zog sich Robin zurück und verschwand in seinem Hotel. Doch noch lange nachdem er zu Bett gegangen war und zu schlafen versuchte, hörte er von draußen Musik und Lärm.

Freitag, 25. April

Am nächsten Tag, nach einem bescheidenen Frühstück, brach Robin wieder auf. Irgendwo hatte er etwas von einem Informationszentrum gelesen, er machte sich auf die Suche und fand es an versteckter Stelle in einer der alten Gassen. Er fragte nach einem Stadtplan, erkannte aber schon auf den ersten Blick, dass nur das Touristenviertel berücksichtigt war.

»Ich hätte gern eine Karte, die die ganze Stadt zeigt«, sagte er.

»Oh«, sagte die Dame hinter der Theke erstaunt. »So etwas gibt es hier nicht. Aber versuchen Sie es doch im Museum.« Sie beschrieb ihm, wie er es erreichen konnte.

Also machte sich Robin auf den Weg zum Museum und fand es ohne Mühe – in einem der alten Bauten mit den herausgeputzten Fassaden; hier hatte man das Souterrain renoviert und benutzte es, um Zeugnisse der Vergangenheit auszustellen. Jemand, der sich für Geschichte interessierte, hätte hier reichhaltiges Studienmaterial gefunden, aber Robin ging es nur um seinen Stadtplan.

Darum blieb er an einem Tisch stehen, wo unter einer Glasplatte ein paar fein verzierte handgezeichnete Karten ausgebreitet lagen. Es war schwer, sich auf ihnen zurechtzufinden und die Entsprechungen zum aktuellen Stadtbild zu finden.

»Kann ich Ihnen helfen?«, fragte jemand, der leise hinter Robin getreten war. »Ich bin Lorenzo di Salina, der Kurator des Museums.« Es war ein junger Mann in einem grauen Anzug, der wohl so etwas wie eine Dienstkleidung darstellen sollte.

»Ich interessiere mich für die Geschichte der Stadt«, antwortete Robin, »und frage mich, ob es nicht außerhalb des Touristenviertels noch andere interessante Bauten gibt.«

»Die gibt es«, bestätigte Lorenzo, »aber sie sind nicht mehr in bestem Zustand.«

»Das würde mich nicht stören. Ich würde mich gern dort drüben umsehen.« Er wies auf eine der Karten, auf der etwas abseits vom Zentrum in einer merkwürdigen Perspektive ein Prunkbau eingezeichnet war. »Aber diese Gegend ist wohl für Gäste verboten?«

»Nein, nein«, widersprach der Beamte. »Aber es stimmt natürlich, dass man die Besucher nicht gern in diesen Stadtteilen sieht. Sie würden auch keine Freude daran haben.«

»Warum denn nicht?«

»Nun, sehen Sie«, antwortete Lorenzo. »Hier, im Touristenteil, ist alles sauber renoviert, man hat sogar neue Gebäude errichtet, oder zumindest die Fassaden – im alten Stil, versteht sich. Und auch ein Teil der Stadtmauer ist neu. Der Ort ist heute viel malerischer als früher. Und hier sehen Sie Szenen … wie sich das Leben früher abgespielt hat. Der übrige Teil ist langweilig: ein Ort wie viele andere hier auf der Hochfläche, keine Attraktionen.«

»Er interessiert mich trotzdem. Wie kommt man denn dorthin?«

Lorenzo wies auf den Stadtplan, den Robin der Übersicht halber auf der Glasplatte ausgebreitet hatte. »Ganz einfach. Es gibt mehrere Möglichkeiten. Sehen Sie, hier zum Beispiel.« Er deutete auf eine Sackgasse, die an eine Stiege führte. »Dort steht zwar eine Tafel ›privat‹, aber wenn Sie einfach weitergehen, dann sind Sie auch schon drüben.«

Robin bedankte sich, doch der junge Mann zog sich nicht zurück, sondern bot sich an, dem Besucher die Schätze des Hauses zu zeigen. Robin ließ sich darauf ein, denn hier hatte er einen Menschen getroffen, der ihm vielleicht noch einige nützliche Auskünfte geben könnte. So wanderten sie zwischen verstaubten Tischen und Vitrinen umher, und Lorenzo erzählte von einer vergangenen Zeit, in der es um Adelsgeschlechter und mehr oder weniger edle Räuber ging.

Zwischendurch wies Lorenzo auf antike Scherben aus der Epoche einer griechischen Besatzung, auf bunte Kacheln, die arabische Eindringlinge hinterlassen hatten, und auf verschiedene Stich- und Hiebwaffen, Produkte eines alteingesessenen Schmiedehandwerks. Er erkundigte sich, ob Robin vielleicht an solchen wertvollen Souvenirs interessiert wäre, und vergaß auch nicht zu erwähnen, dass er ähnliche Stücke besorgen könnte.

Als sie alles besichtigt hatten und Robin sich wenig am Kauf von Antiquitäten interessiert zeigte, lud ihn Lorenzo zu einem Espresso ein. Erwies auf zwei Polsterstühle, die in einer Ecke standen. Es waren bemerkenswert schöne Stücke, aber der Stoff war abgewetzt, einige Löcher hatte man mit Klebeband abgedeckt.

Lorenzo verschwand durch eine Tür, und schon bald kam er mit einem Tablett und stellte zwei winzige Tassen auf ein rundes Tischchen, dazu eine Schale mit Zucker. Die kohlrabenschwarze Flüssigkeit duftete köstlich, doch Robin verbrannte sich schon beim Versuch, einen ersten kleinen Schluck zu nehmen, die Lippen.