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Als Robin sich dann mit seinem Recherchiersystem auf die Suche machte, wurde er allmählich unruhig. Hatte er zu viel versprochen? Josz schien wirklich spurlos verschwunden zu sein. Dann aber erinnerte sich Robin an eine recht merkwürdige Tatsache, der er bisher keine Bedeutung beigemessen hatte: Außer Josz waren auch ein paar Mitarbeiter des Gerichtshofs verschwunden, die nicht der betroffenen Sicherheitsabteilung angehörten. Was waren das für Leute? Gehörte vielleicht auch Josz dazu? Robin ließ sich von einem Kollegen des Steueramts die Listen der verhafteten Personen geben – und tatsächlich: Da stand auch der Name seines Vorgesetzten. Unwillkürlich fragte er sich, ob auch Josz in fremdem Auftrag gearbeitet haben könnte, aber diesen Gedanken, der aller Logik widersprach, verwarf er sofort wieder. Was steckte nur hinter dieser merkwürdigen Festnahme?

Er setzte sich mit dem Kollegen von der Steuer in Verbindung, der ihm allerdings über das Netz keine weiteren Akten zukommen lassen wollte. Nachdem sie eine Weile diskutiert hatten und Robin ihn auf die Möglichkeit von Irrtümern hingewiesen hatte, einigten sie sich darauf, die Akten gemeinsam durchzusehen, und Robin machte sich auf den Weg ins Steueramt.

Als sie dann vor dem Bildschirm saßen und sich die Daten der Verhafteten vornahmen, machte Robin den Kollegen auf etwas aufmerksam, was diesem offenbar nicht aufgefallen war: Während sich bei den meisten die unversteuerten Beträge auf Zuwendungen von unbekannter Seite bezogen, waren bei Josz beim Spielen erzielte Gewinne angeführt. War Josz vielleicht heimlich dem Glücksspiel verfallen? Im Übrigen erschienen die erwähnten Summen im Vergleich mit den anderen lächerlich gering, womit sich wohl auch eine Verhaftung erübrigte.

Der Steuerbeamte war nicht dieser Meinung: »Der Mann hat Steuern hinterzogen, und das schon seit Jahren«, sagte er. »Außerdem hat er die Polizisten, die ihn festnehmen wollten, tätlich angegriffen.« Doch er versprach, die Angelegenheit schnell zu bearbeiten, und er verschaffte Robin auf dessen Bitte hin sogar die Erlaubnis, Josz im Gefängnis zu besuchen.

Als Robin den Ausdruck der Liste zurückgeben wollte, blieb sein Blick an einem anderen Namen hängen, mit dem er nicht gerechnet hätte: Fay McCain. Was war hier geschehen? Vielleicht ein weiterer Irrtum? Er zeigte dem Steuerbeamten die betreffende Stelle in der Liste, und dieser schaute sie sich misstrauisch an. »Hier ist aber ein hübsches Sümmchen eingetragen«, sagte er, und tatsächlich: Es handelte sich um einen nennenswerten Betrag.

»Es könnte ein Missverständnis sein«, sagte Robin. »Eventuell gibt es einen Zusammenhang mit meinen Ermittlungen. Darf ich auch mit ihr sprechen?«

Nach einer kurzen Diskussion ließ sich der Beamte überreden.

Robin hatte gar nicht gewusst, wo in dieser Stadt das Gefängnis lag, und als ihn ein Wagen des Steueramts dorthin brachte, war er recht erstaunt darüber, dass es hier, in diesem ehemals so mondänen Kurort, so etwas gab: einen schmutzig grauen Bau, in dem Verbrecher eingesperrt wurden. Schon von außen fielen die Reihen winziger, vergitterter Fenster auf, die mit ihrem stereotypen Muster die ganze Vorderfront überzogen.

An der Pforte gab Robin seine I-Card ab, auf der die Erlaubnis für einen Besuch des Gefängnisses vermerkt war, und kurz darauf ging er mit einem ihm zugeteilten Polizisten einen endlosen Gang entlang, wo er hinter Gittern eingesperrte Personen sah. Dieser Anblick kam ihm unwirklich vor – wie ein Bild aus einem der historischen Filme, die er sich hin und wieder anschaute. Und dann hielt der Beamte vor einem der Verschlage, öffnete die Tür und sagte: »Zehn Minuten.« Er ging einige Schritte zurück und blieb wartend stehen, während Robin eintrat und mit merklicher Beklemmung registrierte, dass sich die Metalltür hinter ihm schloss.

Die zerknitterte Gestalt, die sich da von einer schmalen Lagerstätte erhob, war kaum zu erkennen. Die Kleidung verschmutzt, die Nase geschwollen und die Oberlippe zerschnitten. Es war Josz.

»Um Himmels willen, Robin«, sagte der Gefangene, »was ist nur mit mir geschehen – warum wurde ich festgenommen?«

»Hast du dich gewehrt?«, fragte Robin.

»Ich war doch im Recht«, verteidigte sich Josz. »Das muss ein verrückter Irrtum sein. Wie konnte unsere Aktion so fehllaufen!« Er war schwer zu verstehen, da ihn die schmerzende Lippe beim Sprechen behinderte.

»Bleib ruhig, ich hol’ dich hier heraus.« Robin setzte sich auf den Metallstuhl und deutete Josz an, dass er sich auch setzen sollte. »Vor allem, und das ist das Wichtigste: Deine Aktion war ein voller Erfolg. Du hast nur eine Kleinigkeit übersehen: Ihr habt beim Kegeln um Geld gespielt, und du hast dabei einiges gewonnen. Du hast es nicht versteuert, aber da die Beträge in den Unterlagen des Sportvereins festgehalten wurden, blieb das nicht verborgen. So bist du selbst ins Netz geraten.«

Der Gesichtsausdruck von Josz war unbeschreiblich: Erstaunen, Unglauben, Fassungslosigkeit … Wenn die Situation nicht so ernst gewesen wäre, hätte man darüber lachen können, dachte Robin, aber er verkniff es sich.

»Die Beträge sind so klein, dass du sicher schnell entlassen wirst«, erklärte Robin. »Ich habe auch mit dem Beamten gesprochen, der dich festgenommen hat. Er hat im Übrigen nur seine Pflicht getan. Du hättest dich nicht wehren sollen. Was hast du ihm denn getan?«

»Nur ein Tritt ans Schienbein«, antwortete Josz kleinlaut. »Nicht der Rede wert.«

»Tätlicher Angriff auf einen Polizisten beim Ausüben seiner Pflicht«, zitierte Robin aus dem Gesetzbuch. Doch dann versuchte er den Kollegen zu beruhigen: »Keine Angst – sobald die Formalitäten erledigt sind, bist du frei.«

»Wann wird das sein?«, fragte Josz.

»Ich tu mein Bestes«, versprach Robin. »Vielleicht noch heute.«

Draußen näherte sich der Aufseher. »Die zehn Minuten sind vorüber.«

Robin verabschiedete sich von Josz und versprach noch einmal, die Freilassung so rasch wie möglich zu veranlassen. Dann wandte er sich an seinen Begleiter und nannte ihm den Namen von Fay.

»Die sitzt im Frauentrakt«, meinte der Beamte.

Sie kehrten zur Pforte zurück, und Robin wurde der Obhut einer Aufseherin übergeben. Sie führte ihn in ein anderes Geschoss des Gebäudes, doch im Grunde sah ein Gang aus wie der andere.

Die Frau in Uniform blieb stehen und wies auf eine Gittertür. »Hier ist es.«

Wieder wurden Robin zehn Minuten zugestanden.

Es war tatsächlich Fay, die ihm entgegenkam und ihn erstaunt musterte. Sie sah gut aus wie immer, offenbar hatte sie sich bei der Festnahme nicht gewehrt.

»Ich hätte nicht erwartet, dich hier wiederzusehen«, sagte Robin. Sie waren voreinander stehen geblieben und blickten beide etwas überrascht.

»Warum bist du gekommen?«, fragte Fay. »Ich dachte, du hast kein Interesse an mir.«

»Es lag an den Umständen«, sagte Robin, ohne dazu weitere Erklärungen abzugeben. »Aber ich habe es nicht glauben können, als ich deinen Namen auf der Liste fand. Wie ist es dazu gekommen?«

»Willst du mich verhören?«, fragte Fay.

»Aber nein«, antwortete Robin. »Du musst mir nicht antworten. Ich kann auch gleich wieder gehen.«

»Was willst du denn wissen?«

Auch in diesem Raum gab es nur einen Stuhl. Fay deutete darauf und setzte sich selbst auf die Kante ihrer Liege.

»Ich kann mir nicht erklären, warum du hier im Gefängnis sitzt. Das kann doch nur ein Irrtum sein. Vielleicht kann ich dir helfen.«

Nun wirkte Fay schon ein wenig freundlicher. »Ich kann es mir auch nicht erklären. Angeblich handelt es sich um ein Steuervergehen. Untersuchungshaft wegen Fluchtgefahr.«