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»Ich bin jetzt sicher, dass der Ordnungsdienst etwas damit zu tun hat«, meinte Ellen. »Ich habe mich schon gefragt, warum sich so viele von denen im Hotel aufhalten und was sie für eine Aufgabe haben.«

»Das habe ich mich schon am ersten Tag gefragt – als ich hier ankam. Die Akribie, mit der man mich untersucht hat, war ungewöhnlich.«

»Ich habe den Eindruck, dass sie seit gestern aktiver geworden sind. Bisher hat man kaum etwas von ihnen gesehen, doch das hat sich geändert – jetzt treiben sie sich im ganzen Haus herum. Heute habe ich den Leutnant und zwei seiner Leute im obersten Stockwerk gesehen, wo sie nichts zu suchen haben.«

»Vielleicht geht es um den Schutz der Konferenzteilnehmer«, sagte ich, aber ich glaubte selbst nicht daran. Ich nahm mir vor, den Aktivitäten der Sicherheitsleute mehr Aufmerksamkeit zu schenken.

»Sei vorsichtig«, mahnte Ellen, bevor wir uns wieder trennten.

Gleich nach Beginn der Mittagspause betrat ich den Konferenzsaal, der sich langsam leerte. Da und dort standen noch Gruppen von Teilnehmern herum, in lebhafte Diskussionen vertieft. Dann trat ich zwischen die Sitzreihen, rückte hier einen Stuhl zurecht, sammelte dort ein paar Papierschnitzel auf und sah mich unauffällig nach Anzeichen für Aktivitäten des Sicherheitsdienstes um. Das Einzige, was mir auffiel, waren zwei Angehörige des Ordnungsdienstes, die an der Tür standen, als hätten sie nichts zu tun.

Um zwei Uhr am Nachmittag saß ich wieder in meinem Zimmer am ComSet und wartete gespannt auf den Antrag von Hawk. Und tatsächlich – diesmal ging es zur Sache.

Antrag von Lester Hawk (Ausschnitte)

Liebe Freunde und Kollegen,

es ist eine Freude für mich, hier, an diesem besonderen Platz, wieder einmal mit vielen altbekannten Gefährten zusammenzutreffen. Schon oft haben wir uns bei Diskussionen und Entschlussfassungen auf höchster politischer Ebene kennen und schätzen gelernt. Und es ist uns immer wieder gelungen, das Schicksal der Welt in positivere Bahnen zu lenken. Dabei ging es uns vor allem um die Globalisierung der Technik, der Industrie und der Wirtschaft. Und die Realität hat uns Recht gegeben: Die enge weltweite Zusammenarbeit hat zu einem Synergieeffekt geführt, der die Systeme effizienter macht, als das in einer endlosen, zermürbenden Konkurrenzsituation je sein könnte. Ich glaube, alle von Ihnen, sehr geehrte Kollegen, stimmen mir da zu.

Wie vereinbart ist es das Ziel dieses Gipfeltreffens, den Weg für die Vollendung dieses Vorhabens zu bereiten. Nun haben wir uns, seien wir ehrlich, schon viele Stunden mit Themen beschäftigt, die zwar in die eingeschlagene Richtung weisen, aber letztlich als zweitrangig angesehen werden können.

Dazu hätten wir uns der Mühe einer aufwändigen Anreise nicht unterziehen müssen. Es ist, so glaube ich, im Sinn aller Beteiligten, wenn wir endlich auf den entscheidenden Schritt zu sprechen kommen, der nun vor uns steht. Und dieses Ziel, das in greifbarer Nähe liegt, kann nichts anderes sein als die Zusammenfassung aller Industrie- und Wirtschaftszweige zu einer neuen großen Einheit.

Gewiss könnten wir nun über die verschiedenen Varianten für die Organisation aller beteiligten Institutionen diskutieren, so wie das ja bisher schon geschehen ist. Diese Bemühungen waren von Erfolg gekrönt, und wir können damit zufrieden sein. Aber, und das füge ich ganz offen hinzu, es war ein umständlicher und langwieriger Weg bis zum heutigen Zustand. Wollten wir auf diese Weise weitergehen, dann würden vermutlich nur wenige von uns bis zum Ziel kommen. Ich glaube, mit der Schwierigkeit der ins Auge gefassten Aufgabe werden wir nur fertig, wenn wir von den Möglichkeiten für ein schnelleres Vorgehen Gebrauch machen.

Ich darf Ihnen heute einen Plan vorlegen, der in den letzten Jahren unter meiner Leitung von einem geschlossenen Kreis von Experten bis ins letzte Detail ausgearbeitet wurde. Er wurde mehrfach simuliert und hat mehrere Validierungsphasen durchlaufen, so dass die Durchführbarkeit garantiert ist. Ich werde nun die wichtigsten Punkte beschreiben, über die wir anschließend diskutieren werden. Einzelheiten können später von Ausschüssen beraten und festgelegt werden. Die wesentlichen Punkte des Projekts können Sie auch in der Projektion sehen:

Manifest zur Neuorganisation der Weltpolitik

Alle hier vertretenen Sektoren von Wirtschaft und Industrie werden zu einem umfassenden Unternehmen zusammengefasst.

Es wird den Namen »Zentrum Wirtschaft« (ZW) haben.

Das ZW bildet eine von Staaten und Regierungen unabhängige, eigenständige Institution, vergleichbar dem ZRS (Zentrum Religion und Sekten) oder dem IGH (Internationaler Gerichtshof).

Mit der Führung des ZW wird ein unter dem Aspekt der Fachkompetenz zusammengesetzter Vorstand betraut.

Für die zur Integration nötigen Maßnahmen, speziell den Zusammenschluss aller hier vertretenen Wirtschaftsgruppen und ihren Übergang in die neue Organisationsform, liegt ein als AI-Programm erstellter Durchführungsplan vor.

Ein besonderer Maßnahmenkatalog dient der Auflösung aller noch bestehenden Bindungen und Verpflichtungen der Unternehmen gegenüber nationalen staatlichen Stellen.

Die Aufgabe, die Integrität des ZW zu bewahren und gegen alle schädigenden Einflüsse zu schützen, obliegt der Bereinigung Militär, Polizei, Sicherheit (VMPS).

Alle zur Koordination nötigen Maßnahmen werden unverzüglich in Angriff genommen, und zwar von Ausschüssen, die vom Vorstand bestimmt und geleitet werden.

Achtung: Der von mir erwähnte Durchführungsplan liegt in ausgedruckter Form vor; ich bitte darum, ihn nun zu verteilen.

Zusatzantrag von Jiang Jafei

Der Antrag von Kollege Hawk ist interessant und beachtenswert. Da Hawk sich, wie er erwähnte, schon längere Zeit mit der Frage einer groß angelegten Koordinierung aller Wirtschaftskräfte beschäftigt hat und daher besser als alle anderen mit dieser Materie vertraut ist, halte ich es für richtig, ihn mit der Leitung des geplanten Zentrums zu betrauen. Daher stelle ich folgenden Antrag:

Zum Präsidenten und Vorstandsvorsitzenden des ZW wird Lester Hawk berufen. Er soll die bestimmende Kraft in dieser entscheidenden Aufbauphase sein. Dabei hat er sich nach dem vorbereiteten Durchführungsplan zu richten.

Am späten Nachmittag, nach der Sitzung, traf ich mich mit Ellen im Freizeitraum für die Hotelangestellten und erzählte ihr von der überraschenden Wendung, die sich während der Verhandlungen ergeben hatte.

»Dieser Antrag hat eine gewaltige Tragweite«, sagte Ellen. Sie trug eine orangefarbene Bluse und einen grauen Rock und sah erstaunlich mädchenhaft aus. »Wenn er angenommen wird, dann wird das Führungsgremium des ›Zentrums Wirtschaft zur weltweit mächtigsten Instanz.«

»Darauf besteht aber wenig Aussicht«, entgegnete ich. »Mir scheint, dass keiner der Delegierten mit so etwas gerechnet hat – mit Ausnahme von Jafei vermutlich. So rasch, wie er reagierte, war sein Antrag abgesprochen; ich halte ihn für einen Verbündeten von Hawk. Aber damit erreichen sie doch nichts – alle anderen waren dagegen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Hawk mit seinem Vorschlag durchkommt.«

Ellen kniff die Augen zusammen, was man als Zeichen angestrengten Überlegens oder auch des Zweifels deuten konnte. »Das hätte sich Hawk doch ausrechnen können. Diese Diplomaten mit ihrer überzogenen Eitelkeit und ihren Allüren wirken zwar ein wenig lächerlich, aber ich halte sie nicht für so naiv, dass sie sich mir nichts dir nichts zu einer so weitreichenden Entscheidung überreden lassen.«