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Sie hatte Recht: Wenn das der Coup sein sollte, auf den die Konferenz nach Meinung meiner Auftraggeber hinauslaufen sollte, dann war das Ganze nicht der Mühe wert.

»Mit einem Antrag, der nicht angenommen wird, lässt sich die Welt nicht verändern«, sagte ich. »Da muss noch etwas anderes dahinterstecken. Aber ich habe keine Ahnung, was da noch kommen könnte. Denn nun haben sie die Katze aus dem Sack gelassen, und wenn die kommenden Stunden so verlaufen, wie man es erwarten kann, dann wird im Protokoll stehen, dass der Antrag abgeschmettert ist. Ein Schlag ins Wasser …«

»Halt die Augen offen«, riet mir Ellen. Sie sah besorgt aus.

»Da ist irgendeine Schweinerei im Gang. Ich habe noch zu tun«, fügte sie hinzu und stand auf. »Sehen wir uns heute noch?«

»Das kann ich momentan noch nicht abschätzen«, antwortete ich. »Ich bin sehr beschäftigt.«

Wir verließen den Raum und gingen noch ein Stück zusammen durch die Gänge. Ellen einen halben Schritt vor mir, ich konnte ihren Gesichtsausdruck nicht sehen. Warum hatte ich sie abgewiesen? Ich wäre doch so gern mit ihr zusammen gewesen. Doch kaum hatte sich dieser Gedanke bei mir eingeschlichen, da fiel mir meine Verantwortung ein, die Last, die ich trug – als einziger kritischer Beobachter am Schauplatz. Ich musste mit einer Maßnahme rechnen, mit der die widerstrebenden Delegierten zur Zustimmung gebracht werden sollten, und dabei konnte es sich eigentlich nur um einen üblen Trick handeln. Ich musste wachsam sein, um im Falle eines Falls zu handeln. Und Ellen? Vielleicht später … Später, wenn das alles hier erledigt war. Es würde eine Befreiung für mich sein.

Die Sitzung des nächsten Tages verlief so, wie ich es erwartet hatte: Es gab lange und teils auch erhitzte Diskussionen, wobei als Befürworter des Plans nur die Antragsteller auftraten. Ein paar der weniger entscheidungsfreudigen Delegierten wollten den Beschluss auf eine spätere Konferenz verschieben, doch die meisten plädierten für eine sofortige Ablehnung.

Diesmal hatte ich die gesamte Dauer der Sitzung am ComSet verbracht – es schien mir wichtig, stets auf dem neuesten Stand zu sein. Doch die erste Nachricht von kommendem Unheil erhielt ich von ganz anderer Seite. Es war Ellen, die mich anrief, und schon ihr Gesichtsausdruck deutete auf etwas Ungewöhnliches hin.

»Stell dir vor! Eben kam eine Anweisung: Das gesamte Personal hat sich in die Unterkünfte zurückzuziehen, und auch ich darf mein Zimmer nicht verlassen. Es gilt natürlich auch für dich.«

»Wer hat denn das Recht, so etwas anzuordnen?«, fragte ich. Ellen schien es eilig zu haben und sprach schnell weiter.

»Es kam von Oberstleutnant Jeremy Jurema, und dieser wird mich in Kürze aufsuchen – um mir Anweisungen zu geben. Ich habe versucht, mein Apartment zu verlassen, doch da stand ein Mann draußen: bewaffnet, im schwarzen Kampfanzug und maskiert. Er stieß mich ins Zimmer zurück und schlug die Tür hinter mir zu.«

Ich versuchte, etwas zu fragen, doch da unterbrach mich Ellen mit einer Handbewegung. Jetzt sprach sie schnell und kaum verständlich: »Da ist jemand an der Tür – ich lass das Vidiphon eingeschaltet …«

Sie hatte die Kamera in die Zimmermitte gerichtet, damit ich alles, was da geschah, beobachten konnte; die etwas weiter von der Kamera entfernten Gegenstände erschienen zwar nur klein und stark verzerrt, doch die akustische Übertragung war einwandfrei.

Ellen öffnete. Es war Jurema, der nun eintrat, doch ich hätte ihn kaum wiedererkannt. Er war im Kampfanzug wie der Mann, der Ellen am Verlassen ihrer Wohnung gehindert hatte, dazu ein rotes Stirnband, allerdings trug er weder Waffen noch eine Maske.

»Was geht hier vor?«, fragte Ellen, und sie bemühte sich nicht, ihren Ärger zu verbergen.

»Das geht Sie nichts an«, antwortete Jurema. »Es sind Umstände eingetreten, die uns zum Eingreifen zwingen – mehr brauchen Sie nicht zu wissen. Von nun an stehen Sie unter der Aufsicht des Sicherheitsdienstes.«

Beide blieben wie Kampfhähne voreinander stehen.

»Wie soll ich dann den Hotelbetrieb weiterführen?«

»Wenn wir etwas brauchen, werden wir uns melden.«

Er machte auf dem Absatz kehrt und verließ den Raum.

Sobald die Tür wieder geschlossen war, erschien Ellen am Bildschirm. »Hast du es mitbekommen?«

Ich bejahte. Und ich fügte hinzu, dass wir auch bei unseren Gesprächen vorsichtig sein sollten – schließlich war es nicht ausgeschlossen, dass man uns abhörte.

Inzwischen war die von mir eingerichtete Übertragung aus dem Sitzungssaal weitergelaufen – dort hatte man offenbar noch nichts davon gemerkt, dass sich die Situation im Globe-Hotel entscheidend geändert hatte.

Als ich meine Aufmerksamkeit wieder auf die Ereignisse im Sitzungssaal richtete, hatte Hawk gerade das Wort ergriffen. Während er bisher trotz aller Meinungsverschiedenheiten ruhig und freundlich gesprochen hatte, wirkte er nun enttäuscht und verärgert. Er bat die Delegierten mit den unterschiedlichsten Argumenten, die gebotene Gelegenheit für einen Schritt in eine bessere Zukunft nicht verstreichen zu lassen und seinen Antrag doch noch anzunehmen, doch er hatte keinen Erfolg. Außer Jafei war niemand dazu bereit. Schließlich, als sein Misserfolg endgültig zu sein schien, gab er noch eine Erklärung ab: dass er die Ablehnung sehr bedauere, aber natürlich den Beschluss der Mehrheit respektiere und selbstverständlich auch weiterhin zur aktiven Zusammenarbeit bereit sei. Dafür erhielt er begeisterten Applaus.

Nun ergriff der Koordinator Jerome Mangali wieder das Wort, erklärte die Diskussion über Hawks Antrag für beendet und las von einer Liste den Betreff und die Antragsteller der nächsten Wortmeldungen ab.

Und dann, völlig überraschend, brach die Übertragung ab – aus meinem Kopfhörer kamen undefinierbare Laute, Geschrei, kaum verständliche Befehle und ein Lärm, den ich nur als Gewehrsalven deuten konnte. Zuerst glaubte ich, durch irgendeine unerklärbare Panne in einen anderen Übertragungskanal geraten zu sein … Dann wurde es schlagartig ruhig, und eine dumpf klingende Stimme beherrschte die Szene.

»Bleiben Sie auf Ihren Plätzen und verhalten Sie sich ruhig. Das ist ein Überfall. Sie alle stehen in Geiselhaft. Solange Sie unseren Anordnungen bedingungslos folgen, haben Sie die Chance, ungeschoren davonzukommen. Doch wenn sich jemand weigert, wenden wir Gewalt an. Sie dürfen uns glauben, dass wir keinen Spaß verstehen. Dafür sind wir bekannt: Wir sind die Kerntruppe der ›Schwarzen Legion‹. Und auch von mir werdet ihr schon gehört haben. Mein Kampfname ist ›Ezequiel‹.«

Donnerstag, 1. Mai

Der nächste Tag wurde für Robin zu einer besonderen Geduldsprobe. Es war ein Feiertag, er hatte nichts zu tun, und so musste er immerzu an Michèle denken. Er versuchte mehrmals, sie telefonisch zu erreichen, doch es meldete sich niemand. Könnte es sein, dass sie sich im Büro befand, um etwas für Jans Befreiung zu tun? Er versuchte es auch dort, doch die Leitung war belegt. Erst am Abend wurde ihm eine Botschaft durchgegeben: Michèle hätte von seinen Anrufen gehört, sie würde sich später bei ihm melden.

So wartete er den ganzen Abend auf ein Lebenszeichen von ihr, doch vergeblich, und seine Unruhe verstärkte sich mehr und mehr. Und als er bis zum Einbruch der Nacht noch immer nichts von ihr gehört hatte, überwand er alle seine Bedenken, dass er sie stören könnte, und wählte ihre private Vidiphon-Nummer … Er spürte sein Herz rascher schlagen, als er sie plötzlich vor sich sah und ihre Stimme hörte. Doch das Bild war nur ein Hologramm, und das, was er hörte, kam vom Anrufbeantworter. Aber, so dachte er, sie musste in ihrer Wohnung gewesen sein, denn sie hatte ja den Anrufbeantworter eingestellt. Ging sie nicht ans Vidiphon?

Seine Sehnsucht, sie wiederzusehen, wurde immer drängender, und er konnte keine Ruhe finden. Rasch entschlossen holte er seinen Mantel aus dem Schrank, ein kleiner Spaziergang würde ihm gut tun, vielleicht fand er in einer Kneipe noch einen Bekannten, mit dem er ein wenig plaudern konnte.