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Der Anführer stemmte sich aus dem Stuhl hoch und ging zur Tür. Bevor er den Saal verließ, drehte er sich noch einmal um und sagte: »Sobald ihr euch einig seid, lasst mich rufen, dann können wir die Sache rasch hinter uns bringen.«

*

Dass sich das Geschehen im Saal abspielte, war günstig für mich, denn so konnte ich mit meiner Abhöranlage die Gespräche zwischen den Geiselnehmern und ihren Gefangenen belauschen und aufzeichnen.

Zuerst gab der als Befehlshaber eingesetzte Rocco einige praktische Anweisungen. Er wies den Diplomaten eine Ecke des Saals zu, wo sie es sich auf den Stühlen einigermaßen bequem machen konnten. Sie durften auch einige auf einem Seitenbord aufgereihte Mineralwasserflaschen und Teller mit Keksen mitnehmen – von weiterer Versorgung war keine Rede. Wer die Toilette aufsuchen musste, wurde von zwei Soldaten begleitet und bewacht – die Tür musste offen bleiben.

Glücklicherweise hatte ich meine Mikrophone so geschickt im Raum verteilt, dass ich das meiste von dem mitbekam, was unter den Diplomaten besprochen wurde.

Zunächst versuchten sie sich über die Lage klar zu werden – und kamen zu keinem schlüssigen Ergebnis. Wer steckte hinter der Aktion? Es musste eine Gruppe von Leuten sein, denen der beantragte Zusammenschluss sehr wichtig war und die vermutlich auch die Führung an sich reißen wollten. Damit richteten sich die Mutmaßungen ebenso auf Staaten wie auf mächtige Industrieverbände, und auch die Mafia wurde genannt.

Es war die Russin Vera Cherkoff, die die müßige Debatte unterbrach. »Im Grunde genommen ist es für uns von untergeordneter Bedeutung, wer dahintersteckt. Viel wichtiger ist die Frage, wie wir uns verhalten sollen. In mir persönlich sträubt sich alles dagegen, den Forderungen nachzugeben.«

Sie erhielt spontane Zustimmung, nur Bonfrere warf schüchtern ein, dass mit Zwangsmaßnahmen zu rechnen sei.

»Damit hast du sicher Recht«, sagte Alvaro Mir, der Repräsentant der Gewerkschaften. »Einer ernsthaften Folter kann keiner von euch widerstehen.«

»Was ich nicht verstehe«, sagte Hawk, »was nützt diesen Leuten ein erzwungenes Einverständnis? Die Umstände, unter denen es zustande gekommen ist, wären doch leicht aufzudecken.«

»Wer sollte diesen Betrug denn bezeugen? Vergiss nicht, dass keine Reporter von Presse und Fernsehen zugelassen wurden«, meldete sich jemand aus dem Hintergrund.

Jetzt sprachen mehrere durcheinander.

»Es stimmt: Es gibt keine Zeugen.«

»Aber wir selbst sind doch Zeugen!«

»Sobald wir das hinter uns haben, kommt das alles an die Öffentlichkeit.«

»Es gibt Mittel und Wege, das zu verhindern«, sagte Bonfrere. »Ich weiß nicht, wie, aber ich habe ein ungutes Gefühl.«

Hawk versuchte sie zu beruhigen. »Vielleicht ist das nur eine Gruppe von Verrückten, die in der Weltgeschichte mitmischen möchte. Am besten, man tut, was sie verlangen, später wird sich alles klären.«

Jetzt griff Mangali in die Diskussion ein. »Gerade du brauchst dir doch keine Gedanken zu machen – du kannst deinem eigenen Antrag zustimmen und bist fein raus.«

Hawk wehrte sich gegen diesen Einwand, der sich wie ein Vorwurf anhörte: »Du bist ja auch nicht betroffen, denn du stimmst nicht mit. Im Übrigen lehne ich Gewalt ebenso ab wie alle anderen. Selbstverständlich werde ich mich mit euch solidarisch erklären. Ich werde protestieren und keine Stimme abgeben.«

Damit hatte sich die Diskussion den Fragen zugewandt, die auch mich beschäftigten und die ich ebenso wenig beantworten konnte wie die gefangenen Diplomaten: Wie wollten die Geiselnehmer verhindern, dass später alles ans Licht kam? Sie stritten noch längere Zeit herum, ohne einen Ausweg aus der Misere zu finden. Die meisten waren sich einig, dass man dem Druck nicht nachgeben durfte, ein paar andere schlugen vor, mit dem Anführer zu verhandeln. Schließlich meldete sich Mangali bei Rocco und bat, mit Ezequiel sprechen zu dürfen.

Rocco schickte einen Soldaten hinaus, um den Anführer zu holen.

Es dauerte eine Weile, bis dieser erschien. »Seid ihr vernünftig geworden?«, fragte er.

»Ich bin beauftragt, mit Ihnen zu verhandeln. Was Sie von uns verlangen, verstößt gegen alle Regeln der Diplomatie. Wir sind verpflichtet, nach unserem Gewissen zu handeln, und einige von uns sind nicht bereit, dem Antrag des Kollegen Hawk vorbehaltlos zuzustimmen. Wir sind aber bereit, über eine schrittweise Koordination der Wirtschaftszweige nachzudenken, die schließlich zu einer Situation führen könnte, die dem Ziel des bewussten Antrags nahe kommt.«

Mangali sprach zwar in wohldurchdachten Sätzen, doch seiner Stimme hörte man die Aufregung an. Als er wieder einmal zwischendurch stockte, um hörbar Atem zu holen, sagte Ezequieclass="underline" »Schluss mit dem Geschwätz. Ich gebe euch eine letzte Frist für eine bedingungslose Zustimmung, und zwar bis morgen früh. Zur Strafe, dass ihr mich grundlos hierher zitiert habt, gibt es in dieser Nacht nichts zu essen.«

»Wo sollen wir schlafen?«, rief Downfield.

»Es sind genug Stühle da«, sagte Ezequiel im Hinausgehen und schlug die Tür hinter sich zu.

Es war eine Weile still. Ich hatte den Eindruck, dass die Gefangenen nicht mehr weiterwussten. Es gab nur wenige Bemerkungen, die die akute Lage betrafen, und meist waren es Klagen über die missliche Lage. Natürlich ließ ich auch nach dieser Episode meine Aufzeichnung weiter laufen, aber ich nahm den Kopfhörer ab – es war nichts Interessantes mehr zu erwarten.

Meine Lage war merklich günstiger als die der im Sitzungssaal festgehaltenen Menschen: Ich hatte ein Zimmer für mich, noch genügend Vorräte im Kühlschrank – und zusätzlich die Möglichkeit, mit Ellen zu sprechen. Natürlich konnte unsere Verbindung jederzeit unterbrochen werden, und es war auch nicht ausgeschlossen, dass man uns abhörte, aber als ich Ellen anrief, meldete sie sich sofort.

Wir vereinbarten, uns nicht um die Vorschriften der Miliz zu kümmern und uns etwas später an diesem Abend noch zu treffen – es zumindest zu versuchen.

Als ich gegen neun Uhr abends die Zimmertür öffnete und mich umblickte, war der Gang leer, ich kam ungehindert in Ellens Suite. Trotz der widrigen Umstände wurde es ein sehr schöner Abend, an dem uns niemand störte.

Freitag, 2. Mai

»Warst du schon mal im Genfer Autodrom?«, fragte Josz. Sie waren über das Vidiphon miteinander verbunden. Josz hatte sich bei Robin für den Einspruch bei der Exekutivabteilung der Polizei bedankt, der zu seiner Entlassung aus dem Gefängnis beigetragen hatte, und nun waren sie dabei, die nächsten Aktivitäten zu besprechen.

Robin wunderte sich über die an ihn gerichtete Frage, aber er kannte inzwischen Joszs Vorliebe für effektvolle Gesprächsführung. Natürlich hatte Robin schon vom Autodrom gehört und auch einige Fernsehberichte gesehen, aber die berühmt-berüchtigten Rennen hatten ihn nicht so sehr interessiert, dass er dafür die sündteuren Eintrittspreise bezahlt hätte. Er schüttelte den Kopf, was Josz offenbar auch erwartet hatte, denn er sprach auch schon weiter: »Morgen ist ein Rennen. Wir sind eingeladen.«

Wieder schien er sich über Robins Erstaunen zu freuen. »Wir werden vom Rennen nicht viel mitbekommen – es handelt sich um eine inoffizielle Besprechung mit zwei leitenden Angestellten.«

»Worum geht es?«, fragte Robin.

»Na, um was schon! Die Situation muss ernst sein, sonst hätten sie es nicht so eilig. Morgen ist Samstag. Ich habe mir einen Helikopter bestellt. Wenn du willst, kannst du mit mir kommen.«

Robin stimmte gern zu, und sie vereinbarten einen Termin auf dem Dach des IGH-Bürogebäudes, wo auch ein Landeplatz für Helikopter eingerichtet war.

Samstag, 3. Mai