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»Warten wir ab, was Alvaro berichtet«, schlug Hawk vor. »Wenn man ihm nichts antut, dann sollten wir seinem Beispiel folgen.«

Sie brauchten nicht länger zu warten. Alvaro Mir erschien an der Tür und ging, von zwei Soldaten eskortiert, zu den anderen zurück. Die Erleichterung war ihm anzusehen, und später bestätigte er, dass ihm niemand etwas Böses angetan hatte.

Mangali teilte dem Anführer mit, dass nun gegen die Abgabe der Unterschrift keine Bedenken mehr bestünden. Und so suchten jene, die noch nicht an der Reihe gewesen waren, nacheinander den Nebenraum auf, ließen sich das Protokoll vorlegen und setzten ihren Namen darunter.

Hawk, der der Letzte war, erkundigte sich, ob sie nun wieder freigelassen würden, doch Ezequiel antwortete, dass zuvor noch etwas Wichtiges zu erledigen sei. Doch als Belohnung für die erfolgreiche Zusammenarbeit würde nun ein Mittagessen vorbereitet.

Damit schien sich die Situation etwas entspannt zu haben, und mein Eindruck war, dass die Delegierten in ihrer Erleichterung über die doch noch einigermaßen glimpflich überstandene Situation etwas zu weit gingen. Die Geiselnehmer konnten doch nicht annehmen, dass von ihrer Aktion nichts an die Öffentlichkeit dringen würde. Aber wie wollten sie verhindern, dass die Gefangenen später alles offen legten?

Aus meinen Grübeleien riss mich ein Anruf Ellens – eigentlich recht ungewöhnlich um diese Zeit. Sie fasste sich auch kurz und teilte mir mit, dass unsere Isolationshaft offenbar zu Ende war. Denn von denselben Leuten, die sie seinerzeit verhängt hatten, war nun die Anweisung gekommen, für die Diplomaten ein Mittagessen vorzubereiten. So konnte sie ihre übliche Arbeit wieder aufnehmen und war damit den Rest des Tages beschäftigt. Wir vereinbarten aber, uns am Abend zu treffen.

Als ich mir den Kopfhörer wieder aufsetzte, hörte ich ein Stimmengewirr; ich musste mein semantisches Filter einsetzen, um etwas zu verstehen. Einige der Diplomaten unterhielten sich lebhaft und geradezu erleichtert, doch von jenen, die durch Misshandlungen zur Unterschrift gezwungen worden waren, gab es heftige Vorwürfe den anderen gegenüber, die sich die Sache so leicht gemacht hatten. Speziell Downfield, der sich inzwischen merklich erholt hatte, sprach von Rücksichtslosigkeit und Verrat.

Einigen Bemerkungen entnahm ich, dass der Imbiss im Sitzungssaal eingenommen werden sollte, eine Rückkehr in die Gasträume war erst für später angekündigt worden.

Da das Personal erst zusammengerufen werden musste, um Anweisungen für den Speisezettel zu bekommen, ließ die Mahlzeit lange auf sich warten. Im Übrigen hatte Ellen veranlasst, dass auch das Personal, soweit es nicht im Einsatz war, etwas von den Speisen abbekam. So klopfte auch bei mir ein Kellner und brachte mir Algenwürfel aus der Dose, Brötchen, Endiviensalat, roten Spargel sowie einige Süßigkeiten zum Kaffee.

Nach dem Essen saß ich wieder am ComSet und kam gerade rechtzeitig, um Ezequiel zu sehen und zu hören, der mitteilte, was in den nächsten Tagen noch zu erledigen sei.

»Sie werden sicher verstehen, dass wir das zwischen uns bestehende Einvernehmen noch dokumentieren müssen. Sie müssen also noch für ein paar Filmaufnahmen zur Verfügung stehen. Ihre Weisheit und Entschlusskraft sollen schließlich auch gewürdigt werden. Beispielsweise wollen wir zeigen, mit welcher Begeisterung der Antrag von Lester Hawk aufgenommen wurde. Und so weiter. Ich rechne fest damit, dass Sie uns dabei behilflich sein werden. Mit den Videoaufnahmen ist ein Fachmann betraut.« Er deutete auf einen schmächtigen Mann mit Schirmkappe und Megaphon, der aus dem Hintergrund vortrat, und mit ihm die Mitglieder eines Aufnahmeteams. »Das ist der Regisseur, Bill Balthasar, der euch fortan die Anweisungen gibt. Ihm ist ebenso zu gehorchen wie mir selbst. Ich ziehe mich nun mit meinen Leuten ein wenig in den Hintergrund zurück, aber wir sind sofort wieder da, wenn jemand übermütig wird.«

Der Regisseur schien nichts Ungewöhnliches an der Situation zu finden.

»Nehmen Sie Ihre Plätze ein –«, rief er, »so wie gestern bei der Abstimmung. Und ich bitte um Beeilung.« Wenn jemand vorgehabt hatte, sich zu widersetzen, so genügte ein Blick auf Rocco, um ihn davon abzubringen. Er hatte sich hinter die Kamera gestellt und spielte mit seinem Kampfmesser. Er warf es hoch, ließ es kreisen und fing es wieder auf, ganz auf dieses Spiel konzentriert …

Diese unerwartete Wendung verdüsterte die eben noch recht gute Stimmung der Diplomaten, die schon geglaubt hatten, nun bald wieder in die Freiheit entlassen zu werden.

Inzwischen hatten die Fernsehleute Kameras und Scheinwerfer in den Saal gebracht. Kurze Zeit danach lag heller Lichtschein über dem Auditorium, die Crew war aufnahmebereit.

»Wir halten uns nicht an die chronologische Reihenfolge«, verkündete der Regisseur. »Also konzentrieren Sie sich bitte – es geht darum, sich den gespielten Szenen entsprechend zu verhalten. Ich werde vor jedem Take erklären, worauf es ankommt. Als Erstes drehen wir jene Szene noch einmal, in der Herr Hawk seinen Antrag stellt. Es beginnt mit der Worterteilung durch Herrn Mangali, dann folgt der Auftritt von Herrn Hawk. Sobald ich die Hand hebe, wünsche ich spontanen Beifall. Besonders am Schluss seines Vortrags muss Begeisterung aufkommen. Die Einstellung dauert fünf Minuten und 20 Sekunden ohne Unterbrechung. Nachher bleiben Sie bitte auf Ihren Plätzen, denn dann müssen wir noch einige Zwischenschnitte drehen. Ich bitte die Herren Mangali und Hawk, sich bereitzuhalten. Zunächst ein Probelauf. Herr Mangali, warten sie auf die Klappe – dann können Sie beginnen.«

Die Scheinwerfer wurden auf die beiden Akteure gerichtet, und währenddessen kam auch noch eine Friseuse mit Schminke und Wattebäuschchen, die sich bemühte, den beiden ein frisches Aussehen zu geben, und sich dann auch noch darum kümmerte, bei den anderen die Spuren der rauen Behandlung zu überschminken.

Die darauf folgenden Dreharbeiten entbehrten nicht einer komischen Note. Besonders schwer fiel es den Diplomaten, die von ihnen erwartete gute Laune aufzubringen, und der Regisseur erwies sich als penibler Vertreter seines Faches, der auf jede Kleinigkeit achtete und Aufnahmen, die ihm nicht gefielen, unerbittlich wiederholen ließ.

Ich hielt es nicht für nötig, die Ereignisse im großen Saal die ganze Zeit über zu verfolgen, sondern begnügte mich mit kurzen Stichproben. Dabei konnte ich mich davon überzeugen, dass die Videoaufnahmen ohne Pause weitergingen. Da alle wesentlichen Teile der Konferenz dem veränderten Aspekt gemäß nachgestellt wurden, dehnten sich die Dreharbeiten über viele Stunden.

Gegen fünf Uhr nachmittags ertönte ein Klingelzeichen an der Tür; durch das Guckloch sah ich einen Angestellten des Hotels. Ich öffnete, und der junge Mann in der Uniform eines Pagen bat mich im Namen der Direktorin zu einer Versammlung aller Mitarbeiter in der Kantine.

Es hatten sich bereits an die dreißig Angestellte eingefunden, ich war einer der Letzten, die dort ankamen. Ich hätte erwartet, sie in lebhafter Diskussion anzutreffen, stattdessen standen sie schweigend und bedrückt herum. Erst als ich durch die Tür getreten war, erblickte ich die beiden Soldaten – wenn man sie überhaupt noch so bezeichnen konnte –, die mit erhobenen Schockpistolen rechts und links am Eingang standen. Und weiter hinten sah ich einen Herrn in Zivil an der Wand lehnen – Ezequiel, der sich wieder in Oberstleutnant Jurema zurückverwandelt hatte. Leute in Partisanenkleidung sah man nicht mehr – diese war offenbar nur für den ersten Auftritt, die Besetzung des Konferenzsaals, eingesetzt worden.

Kurze Zeit danach trat Ellen ein. »Ich habe Sie hierher gebeten, um Ihnen einige Informationen zu geben. Ich muss aber betonen, dass ich von den Ereignissen ebenso überrascht wurde wie Sie alle. Die Ursache für das Eingreifen des Sicherheitsdienstes waren mehrere Pannen bei der im Hause ablaufenden Konferenz. Inzwischen ist alles wieder in Ordnung, und die Situation hat sich so weit beruhigt, dass wir, die Belegschaft des Hotels, ab sofort wieder unserer Arbeit nachgehen können.«