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Jurema schaute wie unbeteiligt vor sich hin, eine Zigarette lässig in der Hand, aber wie man aus gelegentlichen Seitenblicken erkennen konnte, hörte er sich Ellens Ausführungen aufmerksam an.

Ellen fuhr fort: »Zunächst haben wir den Betrieb der Küche wieder aufgenommen, wie auch alle Aktivitäten, die für die technischen Abläufe nötig sind. Wer damit zu tun hat, darf sich frei im Hotel bewegen. Alle anderen haben vorderhand in ihren Räumen zu bleiben und auf weitere Anweisungen zu warten. Über die Abwicklung der Arbeiten im Einzelnen werde ich mit den zuständigen Fachkräften sprechen. Im Übrigen hat der Sicherheitsdienst die Leitung übernommen, den Anordnungen der Milizen ist unbedingt Folge zu leisten. Aktuelle Anweisungen werden stündlich über das Hausfernsehen ausgegeben; sie zu verfolgen ist Pflicht.«

Ellen warf Jurema einen Blick zu, und dieser antwortete mit einem unauffälligen Nicken.

»Die Besprechung ist beendet. Ich werde anschließend die Anweisungen für die einzelnen Abteilungen ausgeben. Ich bitte den Küchenchef und den Cheftechniker zur Besprechung zu mir ins Büro. Außerdem brauche ich auch noch meinen Assistenten Sylvan Caretti.«

Wir gingen schweigend an Jurema vorbei. Zwei Minuten später waren wir in ihrem Büro. Ellen wies auf die Sitzgelegenheiten und unterhielt sich zuerst mit dem Gastronomen über den Speiseplan und die Vorräte, sodann mit dem Betriebsingenieur über Fragen der Heizung und der Stromversorgung. Diese Gespräche waren rasch beendet, und damit waren die beiden Bediensteten entlassen.

Ellen verschloss hinter ihnen die Tür, dann war sie mit ihrer Beherrschung am Ende. Sie kam auf mich zu, legte mir die Arme auf die Schultern und zog mich an sich.

»Ich habe solche Angst«, sagte sie.

Ich spürte ihre Tränen. Und ich spürte ihre Schwäche. War das die beherrschte Frau, als die ich sie kennen gelernt hatte? Was war geschehen? Ich legte die Hände an Ellens Schläfen und schob ihren Kopf ein wenig zurück, so dass ich ihr Gesicht sehen konnte. Dann sagte ich: »Warum hast du Angst? Bitte, erzähl mir, was ist passiert?«

Ellen brauchte ein bisschen Zeit, ehe sie sprechen konnte. »Kurz nach Mittag … da habe ich es bemerkt. Zuerst ist mir der Geruch aufgefallen. Normalerweise ist die Luft, die aus der Klimaanlage kommt, frisch und rein. Doch da war auf einmal ein leichter Petroleumgeruch im Haus. Riechst du es nicht?«

Jetzt, da sie mich darauf aufmerksam machte, roch ich es auch … ganz leicht … oder spielte mir meine Phantasie einen Streich? Ich war mir nicht sicher.

Ellen sah mir meine Zweifel an.

»Ich irre mich nicht«, sagte sie mit etwas festerer Stimme. »Ich war an einem Fenster im Obergeschoss … ich habe hinausgeschaut. Und da sah ich die Pumpen, die jetzt eigentlich still stehen sollten, in Bewegung. Das kommt nur vor, wenn eine Probebohrung im Gang ist. Aber davon weiß ich nichts.«

Die Ölpumpen in Funktion … War das die Aufgabe jenes Bautrupps gewesen, auf den ich bei meinem Erkundungsgang ins Freie gestoßen war? War es ein Grund zur Besorgnis? Warum machte es Ellen solche Angst?

»Ich habe noch etwas gesehen. Sie haben das Öl nicht in den Tank fließen lassen, wo es hingehört, sondern in das Schwimmbecken für die Hotelgäste. Es war schon halb voll.«

»Das ist doch aberwitzig«, sagte ich. »Was hat es zu bedeuten?«

Ellen zitterte, und ich führte sie zu einer in der Ecke stehenden Couch. Wir setzten uns und hielten uns an den Händen.

»Das ist es ja gerade, was mich so unruhig macht. Diese Unsicherheit …« Sie löste ihre Hand aus meiner und machte eine unbestimmte Bewegung. Sie atmete, als bekäme sie keine Luft – mit schnell aufeinander folgenden Atemzügen. »Dieser Geruch macht mich ganz verrückt. Das Öl … Es hängt irgendwie zusammen … mit alldem … Ich weiß nicht, was es für eine Bedeutung hat, aber es kann nur etwas Schlimmes sein.«

Jetzt konnte ich ihre Verzweiflung auf einmal nachvollziehen. Ihre Angst hatte mich angesteckt. Trotzdem versuchte ich, beruhigend auf Ellen einzureden – mit recht geringem Erfolg. Stattdessen überkam allmählich auch mich immer stärker dieses unerklärliche und quälende Gefühl der Unruhe, eine Vorahnung von drohendem Unheil.

Ich glaubte selbst nicht an das, was ich da zu ihr sagte … Aber Worte waren wohl auch nicht das, was sie brauchte. Dass wir in dieser Stunde, als ihre Nerven versagten, zusammen sein konnten, war ein Glücksfall – für uns beide.

Still saßen wir zusammen, dicht aneinander geschmiegt …

Ellen war es, die sich als Erste besann. Sie blickte auf die Uhr und sagte: »Wir müssen uns zusammennehmen. Es ist schon spät. Ich nehme an, du hast noch einiges zu tun.«

Ich hatte einiges zu tun. Richtig, durch die Ereignisse der letzten Zeit hatte meine Dokumentation erst eine entscheidende Bedeutung gewonnen. Ich empfand es fast als Schuld: für eine kurze Weile hatte ich es vergessen.

Ich zog Ellen noch einmal an mich, dann machte ich mich auf den Weg zu meinem Zimmer. Die Gänge waren leer.

Dienstag, 6. Mai

Die überraschende Befreiung Jans und die aufwühlenden Stunden danach – es war ein langer und aufregender Tag gewesen. Als Robin am nächsten Morgen aufwachte, war es schon spät, und Fay schlief noch fest. Ihr Haar kitzelte ihn an der Wange, und er strich sanft darüber. Sie hatte sich als zärtlich und leidenschaftlich zugleich erwiesen. Trotzdem musste Robin an Michèle denken – seltsam: Noch nie hatte er so große Sehnsucht nach ihr gehabt wie gerade jetzt.

Robin stand leise auf, um Fay nicht zu wecken, und bereitete ein Frühstück. Als sie wenig später am Tisch saßen, waren sie beide ein wenig schweigsam und kamen nicht mehr auf die Erlebnisse der Nacht zurück. Beide waren sich im Klaren darüber, dass es jetzt noch etwas Heikles zu besprechen gab. Sie räumten den Tisch auf, dann ließ sich die Auseinandersetzung nicht mehr verschieben.

Es war Fay, die das Gespräch begann. »Ich weiß nicht, warum du mir geholfen hast. Aber ich danke dir dafür«, sagte sie. »Ich war wohl etwas zu leichtsinnig.«

»Du brauchst mir nicht zu danken, es war nicht ganz selbstlos. Es geht um eine Aufgabe, die ich lösen soll, und ich hoffe sehr, dass auch du mir nun behilflich sein willst. Damit hilfst du natürlich auch dem Gerichtshof – und dann ist es vielleicht möglich, die Anklage gegen dich fallen zu lassen.«

»Was soll ich tun?«

»Am besten, du erzählst mir nun einmal ganz offen, was du angestellt hast. Die Story mit dem Journalisten kann doch nicht stimmen.«

»Sie stimmt schon, denn so hat es angefangen. Doch du hast natürlich Recht, später habe ich gemerkt, dass da etwas anderes dahintersteckt, und trotzdem habe ich weitergemacht. Der angebliche Journalist teilte mir mit, dass die Redaktion mit meinen Unterlagen sehr zufrieden gewesen sei. Er bezahlte gut und gab mir gleich einen neuen Auftrag.«

»Um welche Themen ging es denn?«

»Zuerst nur um die Arbeitsweise der Behörde und um die Organisation. Besonders interessierte er sich für einige Leute aus der Führungsspitze – mit welchen Arbeiten sie beschäftigt sind und so weiter. Dann verlangte er von mir Material über aktuelle Einsätze des Werkschutzes. Und schließlich sollte ich etwas über ein geheimes Projekt herausfinden, das im Rahmen der Internationalen Konferenz geplant sei – jene, die vor Kurzem begonnen hat.«

»Was weißt du darüber?«

»Es ging um eine Ermittlung, die ein gewisses Fingerspitzengefühl erforderte. Angeblich wollten zwei Agenten des Gerichtshofs die Absichten der Delegierten ausspionieren, ob sie bestechlich waren, ob sie sich etwas hatten zuschulden kommen lassen und dadurch erpressbar geworden waren und so weiter. Ich sollte Näheres darüber in Erfahrung bringen. Doch damit wollte ich nichts zu tun haben. Als ich mich weigerte, teilte mir der Verbindungsmann mit, dass er im Auftrag des Internationalen Gerichtshofs arbeitete und dass es um Intrigen innerhalb der Behörde ginge. Meine Arbeit könnte dazu beitragen, Schlimmeres zu verhindern. Doch mir erschien diese Sache zu riskant, und ich blieb bei meiner Weigerung.«