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Zunächst war ich natürlich bestrebt, über die Ereignisse im Konferenzsaal auf dem Laufenden zu bleiben. Die Filmarbeiten vom Vortag wurden fortgesetzt, doch handelte es sich offenbar um einige wenige ergänzende Aufnahmen. Dabei wurden die Diplomaten zur Eile angetrieben, und einer Bemerkung des Regisseurs konnte ich entnehmen, dass die Arbeiten bis Mittag abgeschlossen sein sollten.

Über die Abhöranlage war nun wohl nichts Wichtiges mehr zu erfahren, trotzdem ließ ich sie weiterlaufen. Dann verließ ich mein Zimmer und suchte verschiedene Stockwerke des Hotels auf, um mir einen Überblick über die Lage zu verschaffen.

Ich kam ungehindert voran, niemand hielt mich auf. Mein erster Weg führte mich zu den Fenstern im Obergeschoss, wo Ellen gestern ihre unheimliche Beobachtung gelungen war. Die Pumpen bewegten sich nicht, aber das mit einer trüben Flüssigkeit gefüllte Schwimmbecken bewies, dass sie keiner Sinnestäuschung erlegen war. Ich blieb einige Minuten an meinem Aussichtspunkt stehen, doch derzeit rührte sich dort unten nichts.

Dann wanderte ich auf den anderen Etagen herum. Einige Male begegneten mir Soldaten, die mich nicht weiter beachteten. Hier war offenbar nichts Interessantes mehr zu beobachten. So kehrte ich in mein Zimmer zurück.

Meinen Auftrag hatte ich erfüllt, ich hatte Material, das den Betrug bewies, war Zeuge der Geiselnahme und der erzwungenen Stimmabgabe. Der kleine Speicher mit den Aufzeichnungen, den ich an eine präparierte Stelle unter dem Daumennagel meiner linken Hand schob, war das einzige Mittel, um das begangene Unrecht rückgängig zu machen und die Schuldigen aus dem Verkehr zu ziehen und ihrer Strafe zuzuführen. Aber dazu musste ich Gelegenheit bekommen, ihn beim Internationalen Gerichtshof abzugeben. Und schon aus diesem Grund musste ich alles tun, um dieser Falle zu entkommen, in der ich noch gefangen saß.

Ein Anruf von Ellen über das Mobil-Vidiphon riss mich aus meinen Überlegungen: Sie sei im Büro der Rezeption und wolle mir etwas zeigen – ob ich nicht kommen wolle?

Am Lift musste ich eine Weile warten – offenbar waren viele Leute unterwegs. Als ich unten ankam, fiel mir ein Stapel von Taschen und Koffern auf, von dem der Concierge ein Stück nach dem anderen herunterholte, um es auf einen Gepäckwagen zu laden.

Von der Seite her betrat ich das Büro, das hinter dem Tresen in der Eingangshalle lag und durch ein breites Fenster die Sicht nach außen freigab.

Als ich eintrat, blickte mir Ellen entgegen und bedeutete mir, zu lauschen … und da hörte ich auch das dunkel röhrende Geräusch, das nur von einem großen Hubschrauber stammen konnte.

»Was hat das zu bedeuten?«, fragte ich. »Die Ratten verlassen das sinkende Schiff«, antwortete Ellen. Mit einer Kopfbewegung wies sie hinaus in die Halle, wo eben Lester Hawk und Jiang Jafei aus dem Lift kamen. Sie trugen Mäntel und Mützen in der Hand, die sie nun eilig anlegten. Am Ausgang wartete ein Mann in Fliegeruniform, der die Tür für die beiden öffnete und sie hinausgeleitete.

Kurze Zeit später kamen eine kleine Gruppe von Offizieren und wenig später auch Jurema mit dem Regisseur an; sie alle folgten den beiden Diplomaten.

Inzwischen war auch das Wägelchen mit dem Gepäck hinausgeschoben worden.

»Es ist die gesamte Führungsriege der Verschwörer, die sich davonmacht«, stellte Ellen fest. »Und natürlich sind auch Hawk und Jafei dabei.«

Sie führte mich an ein Fenster im ersten Stock, von dem aus man die Helikopter-Landeplattform sehen konnte. Dort stand eine der großen Schwebescheiben, wie sie für die Transporte von Geschäftsleuten über Stadtregionen hinweg verwendet werden. Die Flügel standen still.

Wir konnten beobachten, wie sich vom Bohrturm zwei weitere Männer näherten. Sie trugen dicke Jacken und Pelzstiefel sowie Schirmmützen mit Ohrenschützern. Aus dieser Entfernung waren die Gesichter nur undeutlich zu erkennen, aber ich hatte den Eindruck, dass ich einen der Männer schon gesehen hatte; es konnte jener sein, den ich bei meinem Erkundungsgang auf die Bohrinsel durch das Fenster der Werkshütte beobachtet hatte. Die beiden kletterten die Stufen der metallenen Treppe hoch, die an den Eingang zum Flugkörper herangeschoben war.

Dann begannen sich die Flügel zu drehen, der Lärm schwoll an, und zugleich erhob sich der Flugkörper, schien einen Moment in der Luft zu stehen, um schließlich in einer kühnen Kurve aufzusteigen.

Wir hatten genug gesehen, und Ellen schlug vor, in der Kantine ein wenig zu essen, dabei könnten wir die Lage besprechen.

Wir ließen uns vom Automaten ein paar Käseschnitten backen und würzten sie mit geschäumtem Karottensirup.

»Das Fußvolk ist noch da«, sagte Ellen gedehnt, und ich verstand, was sie damit ausdrücken wollte: Solange sich die niedrigrangigen Offiziere, die Soldaten und wohl auch die meisten der am Bohrturm eingesetzten Arbeiter noch hier befanden, bestand wohl keine unmittelbare Gefahr.

»Ob wir noch immer überwacht werden?«, fragte ich.

Ellen sah mich forschend an. »Was hast du vor?«

»Es ist höchste Zeit, etwas zu unternehmen«, erklärte ich. »Das Beste wäre, wenn ich mit meinen Auftraggebern Funkverbindung aufnehmen könnte. Dazu bestehen zwei Möglichkeiten. Am besten wäre es, die hoteleigene Sendeanlage zu benutzen. Und da stellt sich eben die Frage, ob die noch bewacht wird.«

»Das nehme ich an«, vermutete Ellen.

»Mit ein oder zwei Wachtposten werde ich fertig«, versprach ich ihr. »Zeigst du mir, wo eure Sendezentrale liegt?«

Wir erhoben uns von unseren Tellern und ließen die Reste liegen. Wir hatten keinen rechten Appetit gehabt.

Es ging in das oberste Geschoss, und Ellen öffnete eine der Türen. Wir brauchten gar nicht einzutreten, da sahen wir schon die Bescherung, die man uns bereitet hatte: Irgendjemand hatte hier mit einem schweren Hammer gewütet. Von den Gehäusen der elektronischen Schaltungen war nur noch eine zusammengestauchte Masse vorhanden, die Konsolen zerbrochen, die Messgeräte verbeult, die frei liegenden Leitungen zerschnitten. Von hier aus ließ sich keine Nachricht mehr verschicken.

Nachdenklich gingen wir zum Lift zurück.

»Du hast noch eine zweite Möglichkeit erwähnt«, erinnerte mich Ellen.

»Ich hoffe, dass sie nicht daran gedacht haben: Als ich hier eintraf, wurde mir mein Funkgerät abgenommen. Es müsste aber doch zu finden sein. Es ist zwar defekt, aber der Schaden sollte sich reparieren lassen. Was meinst du: Wo können sie es versteckt haben? Gibt es im Hotel einen Gepäckraum oder eine Abstellkammer?«

Ellen nickte. »Sehen wir nach.«

Wir fuhren ins Erdgeschoss, und Ellen zeigte auf eine Tür. »Gestern stand noch ein Posten da.« Sie holte den Universalschlüssel aus der Jackentasche und legte das Plättchen an den Sensor – die Tür öffnete sich.

Wir traten ein und brauchten nicht lange zu suchen: In einem Fach lag, säuberlich mit einem nummerierten Anhänger versehen, mein Kästchen mit dem Sender. Wie brachten es in die Werkzeugkammer des technischen Bereitschaftsdienstes. Zuerst überzeugte ich mich davon, dass die Batterie geladen war. Dann schraubte ich den Deckel ab und sah mir die Schaltung an. Schon glaubte ich, dass alles in Ordnung sei, da sah ich den Fehler: Eine Litze war durchschnitten. Klar, dass der Sender während meines Aufenthalts auf dem Eis nicht funktioniert hatte. Dieser Schaden war nicht von selbst entstanden, er konnte nur mit Absicht verursacht worden sein! Doch jetzt hatte ich keine Zeit, darüber nachzudenken. Wir gingen in die Werkstatt, wo ich einen Lötkolben und das zugehörige Lötzinn fand und die unterbrochene Verbindung wieder herstellte. Ich setzte den Deckel wieder auf das graue Kästchen und schaltete ein. Ein grünes Lämpchen leuchtete auf: Jetzt war das Gerät funktionsbereit …