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»Keine Sorge«, beruhigte Kjell, »das Boot ist so gebaut, dass es Eisbarrieren durchbrechen kann.«

Unwillkürlich zog Robin den Kopf ein, als es über seinem Kopf prasselte und jaulte.

»Was geschieht, wenn es noch enger wird?«

»Mach dir keine Gedanken – auf dem Ultraschallbild war ja zu erkennen, dass sich der Raum hinter der Engstelle wieder öffnet.«

Robin hätte noch einige Fragen gehabt: Was geschah, wenn ein Leck entstand? – Oder wenn sie stecken blieben? Aber er sagte nichts …

Dann wurde es ruhig. Sie befanden sich im nächsten Raum, der etwas größer war, als Robin befürchtet hatte, und dann folgte sogar eine weit ins Dunkel hinauslaufende Halle, in die sie langsam einfuhren. Zugleich senkte sich jäh der Boden, unter ihnen ein dunkler Schlund, doch die Fahrt ging nun ungehindert weiter. Robin atmete auf, und auch Kjell war die Erleichterung anzumerken. Von da ab kamen sie ohne Schwierigkeiten vorwärts, und Robin merkte, dass er etwas ruhiger wurde.

Wie angekündigt, waren etwa drei Stunden vergangen, als durch die Lautsprecheranlage endlich die ersehnte Meldung kam: »Bereitmachen zum Auftauchen!«

Die Luken wurden wieder geschlossen, und die durch das Fernsehsystem vermittelte Szene wechselte die Farben. In das Grün mischten sich Blautöne, und zuletzt fuhren sie durch blendende Lichtstreifen in Orange und Gelb: das durch das Wasser einfallende Sonnenlicht. Die Kamera vermochte den raschen Schwankungen der Lichtintensität nicht mehr zu folgen, der Bildschirm flackerte, bis schließlich ganz überraschend ein stilles und friedliches Bild auftauchte: eine leicht bewegte Wasserfläche und dahinter ein leicht ansteigender Hang aus blinkendem Eis. Sie waren aufgetaucht.

Für den ungeduldigen Robin schien es endlos zu dauern, bis er mit den Wissenschaftlern, die dafür vorgesehen waren, durch den Einstiegsschacht nach außen klettern durfte. Und da verkehrte sich nach wenigen Augenblicken der friedliche Eindruck in das krasse Gegenteiclass="underline" Aus der Mitte des Sees ragte eine riesenhafte, schwarze Rauchsäule in die Höhe, und von unten wütete ein Feuer, aus dem lodernde Flammen tanzten … Nur gelegentlich, wenn sie der Wind auf die Seite drückte, tauchten für kurze Zeit Ruinen der Bohrinsel auf: Teile der Plattformen, der Pontons, der Gerüste und der Treppen. Vom Kugelbau des Hotels war nur noch ein kugelförmiges Stahlskelett übrig geblieben. Ein paar undefinierbare Trümmer trieben im Wasser. Von Menschen keine Spur.

»Es tut mir leid«, sagte Kjell; seine Stimme klang heiser. »Wir sind zu spät gekommen. Aber wir hätten das Unglück nicht verhindern können. Es ist das Öl, das da brennt, sonst wäre das Feuer längst erloschen. Aber dieses allein hätte keine so umfassenden Zerstörungen hervorgerufen – es muss eine schwere Explosion gegeben haben, durch die das Öl in Brand gesteckt worden ist. Das hat keiner lebend überstanden.«

Aber noch war in Robin der letzte Funken Hoffnung nicht erloschen: Immer noch bestand die Chance, dass Angelo davongekommen war. Bei ihrer kurzen Unterhaltung über Funk hatte ihm Robin dringend ans Herz gelegt, nicht zur Eisinsel zurückzukehren. Hatte Angelo diesen Rat befolgt? Soweit Robin sich erinnern konnte, hatte sein Gesprächspartner seltsam indifferent darauf reagiert. Was für einen Grund hätte er haben sollen, in die gefährdete Region zurückzukehren? Es bestand also noch die Möglichkeit, dass er irgendwo im Landesinneren festsaß und auf die versprochene Hilfe wartete. Robin beschloss, eine Suchaktion zu organisieren.

Jemand zupfte ihn am Ärmel. Es war einer der Männer, der neben ihm stand und mit einem Feldstecher die Umgebung absuchte … Jetzt war ihm etwas aufgefallen. »Dort drüben treibt etwas im Wasser.«

Er reichte Robin den Feldstecher, und nun sah er es auch … es stimmte, da schaukelte etwas Dunkles, Längliches nahe am Ufer im Wasser auf und ab.

»Wir müssen nachsehen, vielleicht ist es ein Mensch.«

Sie holten das eng zusammengefaltete Schlauchboot aus einem am Geländer befestigten Behälter und pumpten Luft ein. Dann warfen sie es ins Wasser. Robin bemühte sich, ohne Sturz hinüberzukommen. Kjell folgte ihm. Er ließ sich von den anderen den kleinen, aber kräftigen Außenbootmotor samt der zugehörigen Katalyt-Batterie reichen und befestigte beides mit Flügelschrauben am Heck des Bootes. Es setzte sich so rasch in Bewegung, dass Robin fast doch noch ins Wasser gefallen wäre.

Kjell hatte sich am Steuer niedergelassen. Es kostete Kraft, das plumpe Boot im Seitenwind auf Kurs zu halten, doch in einem schlingernden Zickzackkurs kamen sie schließlich ganz gut voran.

Es mochten zehn oder fünfzehn Minuten vergangen sein, dann waren sie an Ort und Stelle. Kjell stellte den Motor ab, und das Boot bewegte sich nun umso heftiger auf und ab. Robin zog das treibende Bündel ans Boot heran. Tatsächlich: Es war ein Mensch, er steckte in dicken Kleidern, der Kopf von einer Kapuze verborgen …

Robin zog die Kapuze beiseite – hatte sich seine Hoffnung erfüllt: War das Angelo? Der Mann sah Angelo ähnlich. Robin musste daran denken, was mit Angelo geschehen war, und nun glaubte er zu verstehen: Es war Angelo, doch sein Gesicht war jenes von Sylvan.

Soweit es Robin beurteilen konnte, war er tot. Die Augen waren geschlossen, er bewegte sich nicht, er atmete nicht.

Mit vereinten Kräften zogen ihn die beiden ins Boot, Robin hockte sich neben den leblosen Körper und brauchte alle seine Kraft, um ihn festzuhalten. Er konnte es kaum erwarten, zum U-Boot zurückzukommen – als gäbe es doch noch eine Hoffnung, den Freund zu retten.

Schließlich hatten sie Angelo ins Labor des Arztes und Biologen Gaskell gebracht und den Körper auf die Liege gebettet.

Gaskell beugte sich zu Angelo herunter, er suchte nach dem Herzschlag, maß die Körpertemperatur und prüfte zuletzt die Aktivität des Gehirns. Dann richtete er sich auf: »Es tut mir leid: Er ist tot …« Doch er zögerte ein wenig, als wäre das letzte Wort noch nicht gesprochen. Und tatsächlich fügte er nachdenklich hinzu: »Es fällt mir allerdings auf, dass das Blut noch flüssig ist, die Totenstarre ist noch nicht eingetreten. Er ist wie ein Polarforscher gekleidet, der aufblasbare Stoff hat ihn vor dem Untergehen bewahrt. Wenn er ein erfahrener Mann war, dann hat er sich vor der Reise eine Injektion mit Enzymen geben lassen, die Erfrierungen verhindern. Seit Kurzem sind sie im Handel. Und dann …« Er sprach langsam, als müsste er sich jedes Wort genau überlegen. »Ich will keine verfrühten Hoffnungen wecken, aber es besteht eine gewisse Möglichkeit, ihn wieder zum Leben zu erwecken. Das ist ja unser Spezialgebiet: wie Organismen, bei denen über lange Kälteperioden hinweg der Metabolismus ausgeschaltet war, es fertig bringen, wieder zu erwachen.«

Jetzt hatten seine Worte längst nicht mehr so zurückhaltend geklungen wie vorher, als er von verfrühten Hoffnungen sprach. Robin spürte plötzlich, wie sein Herz heftig zu schlagen begann – und diesmal war es nicht aus Sorge, sondern aus neu geschöpfter Zuversicht. Er wollte etwas fragen, aber der Arzt bat dringend darum, den engen Laborraum zu verlassen: Er wollte sich unverzüglich und ungestört an die Arbeit machen.

Während der Fahrt zurück zur Station befand sich Robin in einer seltsam zwiespältigen Gemütslage; einerseits schwebte er zwischen Hoffen und Bangen und hätte sich am liebsten ins Labor des Arztes geschlichen, als könnte er etwas zum Erfolg des Eingriffs beitragen. Andererseits kämpfte er selbst gegen eine lähmende Erschöpfung an, die nicht körperlich, sondern geistig bedingt war – denn seine Aufgabe war gelöst, und das bedeutete, dass er nichts mehr tun konnte: Er war zu spät gekommen. Er war nahe daran, sich seiner Verzweiflung zu überlassen.

Erst später besann er sich darauf, dass doch noch etwas Entscheidendes zu tun war, und das belebte ihn wieder: Er war ja immer noch nicht in den Besitz der Daten gelangt, die Angelo so mühsam erarbeitet hatte, und wenn dessen Opfer einen Sinn gehabt haben sollte, dann bestand er in diesen Daten. Sie allein waren der Beweis für das begangene Verbrechen. Sobald sie erst an die Öffentlichkeit kämen, müsste sich daraus eine Welle der Empörung entwickeln, die die Mafia samt ihren Machtgelüsten beiseite fegen würde. Auf diese Weise ließ sich zwar der Massenmord nicht rückgängig machen, aber es war möglich, den Erfolg des teuflischen Plans zu verhindern: Letztlich würde das Recht siegen.