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Kjell, der wieder neben Robin saß, war nicht entgangen, dass dieser zunächst einmal mit sich selbst ins Reine kommen musste, und er hatte geschwiegen. Doch als er bei seinem Gast später einen Stimmungswandel festzustellen glaubte, zog er ihn in ein Gespräch, und Robin zögerte nicht, ihm – Geheimhaltung hin oder her – ein wenig über die Hintergründe jener Ereignisse zu sagen, die schließlich mit der Explosion ihr Ende gefunden hatten. Und umgekehrt erzählte auch Kjell einiges von seiner Existenz auf der einsamen Forschungsstation, von den Erkenntnissen, den unerwarteten Ergebnissen aus mehreren Wissensbereichen, die alle aufgewandten Mühen aufwogen, aber auch vom Verzicht auf Annehmlichkeiten des Lebens, die den meisten Zeitgenossen selbstverständlich waren: so einfache Dinge wie ein Zuhause oder die Bindung an eine Frau. Unwillkürlich musste Robin an Michèle denken, an seine Empfindungen und seine Träume, die zerstoben waren, ehe sie sich erfüllt hatten. Und dann erschien Gaskell an der Luke, und schon seinem Gesichtsausdruck war zu entnehmen, dass er eine gute Nachricht zu verkünden hatte. »Jetzt bin ich sicher, dass wir ihn durchbringen: Er atmet wieder, und sein Herz schlägt.«

Montag, 26. Mai

Vierzehn Tage befand sich Angelo nun schon auf der Station der Arktisforscher. Dort bestanden die besten Voraussetzungen für die Spezialbehandlung, die er benötigte – denn im Gegensatz zu den einfachen Unterkünften der Forscher waren ihre Laboratorien bestens ausgerüstet.

Robin hatte sich entschlossen, zunächst einmal in der Station zu bleiben – zumindest so lange, bis man ihm Genaueres über Angelos Zustand sagen konnte, nicht zuletzt aber auch, um ihn nach der Dokumentation zu fragen. Einmal hatte man Robin in die zum Labor gehörige Kammer geführt, die nun als Krankenzimmer diente. Er fand ihn bewusstlos vor, die Haut war grau und von einer ölartigen Schicht überzogen, er lag in einer Wanne, die in Abständen von zehn Minuten kurzfristig mit einer Mineralstoffe und Vitamine enthaltenden Flüssigkeit gefüllt wurde. Er war von Röhren und Schläuchen umgeben, die sein Blut austauschten und Nährlösungen zuführten. Von oben richtete sich ein Instrument auf ihn, das wie eine gefährliche Waffe aussah. Dr. Gaskell erklärte, dass es sich um ein Injektionsspray handelte, mit dem die neu entdeckten, den Kreislauf revitalisierenden Enzyme mit Hochdruck in den Körper geschossen wurden.

»Wann wird er das Bewusstsein wiedererlangen?«, fragte Robin, und in Gedanken fügte er hinzu: Wann wird er wieder sprechen können? Denn sosehr er sich um den Freund sorgte, so wusste er bisher noch nicht, ob es Angelo gelungen war, die Aufzeichnungen in Sicherheit zu bringen, und davon hing es schließlich ab, ob all die Anstrengungen und Opfer, die man diesem abverlangt hatte, sinnvoll gewesen waren – oder umsonst. Trotz gewisser Hemmungen hatte Robin alles geprüft, was sich in Angelos Kleidern befunden hatte – aber nichts gefunden, was einen Chip enthalten könnte. Selbst sein Sensor zum Aufspüren versteckter Gegenstände nutzte ihm dabei nichts. Es war damit zu rechnen, dass alles verloren war, was Angelo so mühsam in Erfahrung gebracht hatte.

Der Biologe konnte über die Zeit, die Angelo zur Genesung brauchte, keine schlüssige Antwort geben. »Schwer zu sagen – wir müssen Geduld haben.«

Mittwoch, 28. Mai

Zwei Tage später wurde Robin mit der Nachricht überrascht, dass Angelo Anzeichen von Bewusstsein erkennen ließ. Jetzt ließ sich Robin durch nichts zurückhalten und stand schon eine Minute später an Angelos Lager. Der Fortschritt war deutlich zu erkennen, der Genesende hielt die Augen zwar noch geschlossen, aber er veränderte häufig seine Haltung, sein Gesichtsausdruck änderte sich wie unter dem Einfluss von handlungsreichen Träumen, und von Zeit zu Zeit murmelte er auch ein paar Worte vor sich hin.

Von da an machte Angelo rasche Fortschritte, und schon am nächsten Tag wurde Robin gebeten, ins Krankenzimmer zu kommen, um vielleicht ein paar Worte mit ihm zu wechseln. Bevor er die Kammer betrat, nahm ihn Gaskell beiseite und gab ihm noch ein paar Instruktionen.

»Unser Patient hat sich körperlich gut erholt«, sagte er. »Was mir Sorgen macht, ist seine Psyche. Er hat Gedächtnisstörungen und scheint auch an einer Art Persönlichkeitsspaltung zu leiden. Manchmal spricht er auf den Namen Angelo an, bezeichnet sich aber selbst als Sylvan. Das ist eine Erscheinung, die bei Reanimierungsversuchen leider oft auftritt; das Gehirn ist der empfindlichste Teil des menschlichen Körpers, und wenn die Durchblutung zu lange ausgesetzt hat, dann sind Schädigungen möglich.«

»Besteht Hoffnung, dass sein Gedächtnis wieder in Ordnung kommt?«, fragte Robin.

»Bis zu einem gewissen Grad schon, aber so etwas lässt sich schwer vorhersagen.«

Robin hatte dem Arzt nichts darüber erzählt, aufweiche Weise Angelo auf seinen Auftrag vorbereitet worden war, und daher machte er sich seine eigenen Gedanken über die diagnostizierte Persönlichkeitsspaltung. Er überlegte kurz, ob er genauer auf die von ihm vermuteten Eingriffe in Angelos Gehirn eingehen sollte, doch vielleicht war es besser, sich zunächst selbst ein Bild von Angelos Befinden zu machen. Es war ein wenig heikel, über die besonderen Methoden zu sprechen, die in Geheimdienstkreisen seit Neuestem angewandt wurden.

Mit einem flauen Gefühl im Magen trat Robin ans Bett des Patienten und atmete zunächst etwas auf, denn Angelo sah wieder frisch und munter aus. Aber schon die Art, wie ihn der Freund anblickte, fachte seine Bedenken wieder an: Da war kein Zeichen von Wiedererkennen zu entdecken, eher Unsicherheit und Abwehr.

»Wir haben uns lange nicht gesehen«, sagte Robin vorsichtig. »Kannst du dich noch erinnern, ich bin Robin.«

»Robin«, wiederholte Angelo. »Robin …«

»Vor Kurzem haben wir uns über Funk unterhalten. Du bist ins Eis hinausgewandert und hast einen Hilferuf durchgegeben. Da hat man mich mit dir verbunden.«

»Ja, doch, jetzt erinnere ich mich. Es war schwer, Verbindung zu kriegen. Man hat mich mit dir verbunden.«

»Du hast mir von einem Anschlag auf die Bohrinsel erzählt. Von den Leuten im Hotel …«

»Sie alle sind zurückgeblieben. Ich bin vorher aufgebrochen … wollte Hilfe holen … und Ellen … auch Ellen habe ich verlassen … Wo ist sie? Wo ist Ellen?«

Robin bemerkte, dass Angelo unruhig wurde. Wie sollte er auf diese Frage antworten, ohne den Kranken aufzuregen? »Ich kenne Ellen nicht. Wer ist sie?«

Der Arzt, der dem Gespräch im Hintergrund zugehört hatte, trat vor und legte Angelo beruhigend die Hand auf die Schulter. »Robin kennt Ellen nicht. Ihr könnt euch später darüber unterhalten, du wirst ihm von Ellen erzählen. Doch nun bekommst du wieder ein Bad. Mach die Augen zu – Robin wird dich wieder besuchen.« Er gab Robin ein Zeichen, den Raum zu verlassen.

Später, als sie sich über den Besuch unterhielten, erkundigte sich Robin, ob er alles richtig gemacht hätte.

»Ist schon in Ordnung«, antwortete der Arzt. »Das Gespräch hat Erinnerungen in ihm wachgerufen, das ist ein gutes Zeichen. Diese Ellen muss sehr wichtig für ihn sein.«

»Ich habe den Namen noch nie gehört«, sagte Robin. »Aber wenn sie zu den Personen im Globe-Hotel gehörte …« Er sprach den Satz nicht zu Ende.

»Du solltest Angelo von nun an öfter besuchen. Es stimuliert sein Gedächtnis. Aber sei bitte vorsichtig.«

Robin versprach es.

Schon am nächsten Tag saß er wieder an Angelos Bett.