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»Wie geht es dir? Erkennst du mich wieder?«

»Du bist Robin«, antwortete Angelo nach kurzem Nachdenken. »Wir haben uns über Funk unterhalten.«

»Wir kannten uns auch schon vorher. Wir waren beide im Internationalen Gerichtshof beschäftigt. Wir waren befreundet, während der Ausbildungszeit. Du warst damals der Beste im Lehrgang. Weißt du noch: Angelo, der Engel …«

»Ich glaube, ich habe ihn gekannt«, antwortete Angelo. »Ja, jetzt fällt mir einiges ein, ich muss ihn gekannt haben.«

»Du selbst bist Angelo«, sagte Robin mit Nachdruck. »Damals, vor deinem Auftrag …«

Jetzt reagierte Angelo prompt. Er versuchte sich aufzusetzen, sein Gesicht wurde starr: »Der Auftrag, ja, ich habe einen Auftrag – ich muss ihn zu Ende bringen. Ich habe alles getan, was ich konnte. Aber dann …«

»Bleib liegen, kein Grund zur Aufregung. Du hast deine Aufgäbe gelöst. Du hast alles richtig gemacht. Jetzt brauche ich nur noch die Aufzeichnungen. Wenn du mir den Speicherchip übergibst, ist alles vorbei.«

Angelo war ins Kissen zurückgesunken. »Der Chip, ich soll ihn dir geben? Dann ist meine Aufgabe abgeschlossen. Ist sie dann wirklich abgeschlossen? Ich muss darüber nachdenken.« Jetzt hielt er die Augen geschlossen, doch sein Gesicht war nicht entspannt, sondern sah konzentriert, ja geradezu erstarrt aus.

Da er schwieg und sich nicht mehr rührte, verließ Robin leise den Raum.

Robin riskierte es, ihn am Abend desselben Tages noch einmal aufzusuchen.

Angelo war wach und sah geradezu heiter aus.

»Wer soll ich sein? Angelo? Ich bin Sylvan – daran besteht doch wohl kein Zweifel. Aber Angelo? Da gibt es Erinnerungen … Kann es sein … früher? Da war etwas … ich habe einen Auftrag bekommen, es ist lange her. Du sagst, dass alles vorüber ist, wenn ich dir den Chip gebe?«

Robin nickte. »Auch ich habe eine Aufgabe: Ich soll den Chip mit deinen Aufzeichnungen in unsere Behörde bringen. Erst wenn ich ihn dort übergeben habe, kann alles, was du getan hast, seinen Zweck erfüllen.«

Angelo blickte ihm in die Augen, als wollte er etwas lesen, was dahinter verborgen stand.

»Du bist mein Freund«, sagte er dann. »Ich weiß es. Da ist der Chip – er ist alles, was mir geblieben ist.« Er streckte die Hand unter der Decke hervor und klappte die künstliche Abdeckung des Daumennagels hoch. Er zog das Plättchen heraus und hielt es Robin entgegen. Noch ein kurzes Zögern … dann legte er das winzige Ding auf Robins Handfläche.

Robin Herz schlug ihm bis zum Hals – es war so plötzlich gekommen! War es tatsächlich gelungen, die Daten zu retten? Plötzlich fühlte er sich wie ausgeleert. Doch dann besann er sich des Ziels, das er sich schon früher gegeben hatte: Angelo zu finden. Und diese ganz persönliche Pflicht konzentrierte sich nun auf den kranken Mann, der da vor ihm lag. Inmitten einer Maschinerie, die ihn wieder zu einem normalen Menschen machen sollte.

Donnerstag, 26. Juni

Robin war in die kleine Stadt im Talkessel des Gebirges zurückgekehrt. Als er angekommen war, hatte sie im Sonnenschein gelegen, und am nächsten Tag hatte es ein wenig geregnet. Es war still hier und langweilig, aber Robin war zufrieden.

Inzwischen hatte er den Chip mit Angelos Aufzeichnungen abgegeben. Er würde seine Wirkung nicht verfehlen: zur Aufdeckung eines unglaublichen Verbrechens und damit als einziges Mittel, um die politischen Ereignisse rückgängig zu machen und die Schuldigen ihrer Strafe zuzuführen. Die Verantwortung für die dazu nötigen Maßnahmen lag nun in anderen Händen, und Robin hatte wieder seinen angestammten Platz im Büro eingenommen. Es kam ihm ein wenig verstaubt vor. Und die Fälle, mit denen seine Kollegen beschäftigt waren, schienen immer noch so einschläfernd wie vor den Ereignissen, als er einige Tage lang aus seinem Schattendasein herausgetreten war und ins Räderwerk des Weltgeschehens eingegriffen hatte.

Zum Lohn für seine erfolgreiche Arbeit war er befördert worden, von Seiten des Vorstands hatte man angedeutet, dass er noch Aussagen vor verschiedenen Gremien zu machen hatte und auch gebraucht würde, um bei der Auswertung von Angelos Dokumentation zu helfen. Danach würde er mit Sonderaufgaben betraut werden, vorerst aber war er froh, dass er wieder seine Ruhe hatte.

Natürlich stand er in Kontakt mit der Forschungsgruppe in der Arktis und hatte erfahren, dass die Heilung der Kälteschäden des Freundes gut voranging. Schon zwei Wochen nach seiner Rückkehr durfte er mit Angelo über eine Vidiphon-Verbindung sprechen und sich davon überzeugen, dass es immer besser gelang, sich mit ihm auf normale Weise zu unterhalten.

»Meine Behandlung ist noch nicht zu Ende«, teilte ihm Angelo mit, »aber es geht nur noch um die völlige Beseitigung der Zellschäden. Ich hatte Glück im Unglück: Hier sind die fortschrittlichsten Spezialisten der Welt versammelt. Seit ich wieder aufstehen darf, habe ich die Leute in der Station besser kennen gelernt. Sie sind ausgesprochen freundlich, und sie kümmern sich in rührender Weise um mich.«

Samstag, 12. Juli

Nach weiteren zwei Wochen meldete sich Kjell bei Robin und teilte ihm mit, dass Angelo körperlich wiederhergestellt sei und abgeholt werden könne.

»Und psychisch?«, erkundigte sich Robin.

Kjell suchte nach Worten. »Nicht so ganz«, sagte er. »Noch immer hat er große Lücken in den Erinnerungen – er weiß nicht, wer er wirklich ist. Aber da sind wir keine Spezialisten, er müsste von Fachleuten weiterbehandelt werden.«

Dienstag, 15. Juli

Als Robin drei Tage später in der Station ankam, fand er die Auskünfte von Kjell bestätigt. Äußerlich war Angelo wieder der weltoffene, sportliche Typ, offenbar hatte er auch längere Zeit im Freien zugebracht, denn seine Gesichtsfarbe war von gesundem Braun.

Es war noch früh am Tag, Robin war von einem Wissenschaftler, der das Haus hütete, in Empfang genommen worden, und auch Angelo hatte den Gast erwartet. Die anderen befanden sich bei Messungen draußen im Gelände. Mit ihnen konnte er sich am Abend unterhalten, dann würde er hier übernachten, um danach, so dachte er, diese Oase der Zivilisation gemeinsam mit Angelo endgültig zu verlassen.

Angelo hatte Robin zu einer Tasse Tee eingeladen, und so setzten sie sich in den Gemeinschaftsraum und warteten ab, bis das Wasser im Topf zu brodeln begann. Es war friedlich hier, in diesem auf einfachste Weise ausgestatteten Raum fühlte man sich auf merkwürdige Weise geborgen.

Angelo erzählte ein wenig davon, wie er die Tage verbracht hatte, seit er das Bett verlassen durfte. Er hatte unverzüglich mit einem Wiederaufbautraining angefangen und war stolz darauf, wie schnell seine Muskeln die gewohnte Stärke zurückgewonnen hatten. Robin erzählte ihm, dass er den Chip mit den Aufzeichnungen abgegeben hatte und dass Angelos Einsatz vor der obersten Leitung der Behörde große Anerkennung gefunden hatte. Er sollte zunächst nach »Sanssouci« gebracht werden, um sich unter ärztlicher Betreuung vollständig zu erholen, dann würde man weitersehen. Er merkte, dass Angelo unangenehm berührt aufschaute, als er den Namen der Erholungsstätte erwähnte, und er konnte ihn gut verstehen.

Robin hatte eine Papierkopie jener von Angelo verfassten Aufzeichnungen mitgebracht, die er gemeinsam mit Michèle in der früheren gemeinsamen Wohnung der beiden gefunden hatte. Als er sich nun überzeugt hatte, dass Angelo offenbar auch psychisch wieder ins Gleichgewicht gekommen war, holte er die zusammengefalteten Blätter heraus und reichte sie dem Freund. »Nicht jetzt«, riet er ihm, »lies dir das später in Ruhe durch. Vielleicht gibt es dir noch einige Aufschlüsse über dein früheres Leben.«

Angelo blickte ihn etwas erstaunt an, dann bedankte er sich und verwahrte die Blätter in seiner Jackentasche.

»Vielleicht kann ich dir auch noch etwas geben, das dir hilft, meine Lage zu verstehen – ich meine: aus meiner eigenen Sicht heraus. Ich denke, du sollst wissen, dass ich jetzt wieder imstande bin, mich und meine Lage einzuschätzen. Ich weiß, was ich noch zu erwarten habe und was nicht.«