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„Auf dieser Welt lastet etwas Böses“, sagte Rulkan. „Es muss vernichtet werden.“

„Sag es, und es wird getan“, schwor Ner’zhul eifrig. „Ich ehre immer den Rat der Ahnen.“

Sie sah ihn an, ihr Blick suchte den seinen. „Wenn es vernichtet ist, wird unser Volk stolz und fest zueinanderstehen, noch mehr, als es bereits der Fall ist. Wir werden mächtig und stark sein. Diese Welt wird uns gehören. Und du, du, Ner’zhul, wirst sie führen.“

Etwas an der Art, wie sie es sagte, ließ Ner’zhuls Herz springen. Er war bereits sehr machtvoll. Er wurde von seinen eigenen Leuten, dem Schattenmond-Clan, geehrt, vielleicht sogar verehrt. Dennoch rührte Furcht an ihm, dunkel und ungemütlich, doch er musste sich ihr stellen.

„Was ist das für eine Bedrohung, die beseitigt werden muss?“

Sie sagte es ihm.

„Was soll das bedeuten?“, fragte Durotan.

Er war mit den beiden Orcs zusammen, denen er in seinem Clan am meisten traute: Draka, seine Zukünftige, die er in einer feierlichen Zeremonie beim nächsten Vollmond heiraten würde, und Drek’Thar, der neue Oberschamane des Clans.

Durotan betrauerte wie jeder andere den Tod von Mutter Kashur. Tief in seinem Herzen wusste er, dass sie an dem Tag freiwillig den Tod gesucht hatte, damit es ein ehrenvoller Tod war. Sie wurde vermisst, aber Drek’Thar hatte sich als würdiger Nachfolger erwiesen. Er stellte seinen persönlichen Kummer zurück und hatte seinen Platz als erster Heiler auf der Jagd eingenommen. Kashur wäre stolz gewesen. An diesem Abend aßen die drei im Zelt des Häuptlings, wo Durotan, der seit dem Tod seines Vaters der neue Anführer war, lebte.

Durotan las einen Brief, den er gerade erhalten hatte. Ein großer dürrer Kurier auf einem großen dürren Schwarzwolf hatte ihn überbracht. Er ging den Inhalt noch mal durch, während er den aus Getreide und Blut gekochten Brei aß.

An Durotan, Häuptling des Frostwolf-Clans!

Der Schamane Ner’zhul sendet dir Grüße. Ich hatte Visionen von den Ahnen, die uns alle betreffen. Ich möchte am zwölften Tage dieses Mondes zu allen Anführern der Clans sprechen wie auch zu jedem Schamanen jedes Clans. Kommt zum Fuß des heiligen Berges. Für Fleisch und Getränke wird gesorgt. Wenn ihr nicht teilnehmt an dem Treffen, werte ich das als Zeichen dafür, dass ihr euch nicht für die Zukunft eures Volkes interessiert, und werde entsprechend handeln. Vergebt meinen harschen Ton, aber diese Angelegenheit ist äußerst wichtig. Bitte antwortet über meinen Kurier.

Durotan hatte den Kurier warten lassen, während er die Angelegenheit mit seinen Vertrauten besprach. Der Kurier schien es eilig zu haben, war aber einverstanden gewesen, noch ein wenig zu bleiben. Der aromatische Geruch des Breis, der aus einem großen Kessel drang, hatte sicherlich geholfen, ihn zu überzeugen.

„Ich weiß nicht“, sagte Drek’Thar. „So etwas hat noch nie außerhalb des Kosh’harg-Festes stattgefunden. Die Schamanen halten dort immer in der Gegenwart der Ahnen ein Treffen ab, aber niemals zu anderen Zeiten. Und ich habe nie davon gehört, dass jemand die Häuptlinge zusammengerufen hätte. Doch ich kenne Ner’zhul schon mein ganzes Leben. Er ist ein weiser und großer Schamane. Wenn die Geister uns vor einer großen Bedrohung warnen wollen, würden sie sicher über ihn zu uns sprechen.“

Draka knurrte. „Er kommandiert euch herum, als wärt ihr Haustiere, die seinem Ruf folgen müssen“, murrte sie. „Mir gefällt das nicht, Durotan. Es riecht nach Arroganz.“

„Ich widerspreche dir nicht“, sagte Durotan. Seine Nackenhaare hatten sich aufgerichtet, als er den Brief gelesen hatte. Auch ihm gefiel dieser Tonfall nicht. Zuerst hatte er ablehnen wollen, aber als er die Nachricht noch einmal las, ignorierte er die unfreundlichen Worte und konzentrierte sich auf den Inhalt des Briefs. Etwas beunruhigte diesen Orc, den jeder respektierte. Und sicherlich war es eine Reise wert, auch wenn die ein paar Tage dauern würde.

Draka beobachtete ihn mit gerunzelter Stirn. Er sah sie an und lächelte. „Ich werde gehen. Und mit mir all meine Schamanen.“

Draka fröstelte. „Ich begleite dich.“

„Ich denke, es wäre das Beste, wenn...“

Draka schnaubte. „Ich bin Draka, Tochter von Kelkar, Sohn des Rhakish. Ich bin deine Zukünftige und bald deine Lebenspartnerin. Du verbietest mir nicht, dich zu begleiten.“

Durotan warf den Kopf zurück und lachte. Er hatte gut gewählt. Aus einer Schwachgeborenen war Stärke erwachsen. Der Frostwolf-Clan würde mit ihr an der Seite erblühen.

„Ruf den Kurier rein, wenn er sein Mahl beendet hat“, sagte Durotan und lachte immer noch. „Sag ihm, dass wir zu Ner’zhuls merkwürdigem Treffen kommen werden. Aber er sollte uns von seiner Notwendigkeit überzeugen, wenn wir erst da sind.“

Der Anführer der Frostwölfe und sein Schamane gehörten zu den Ersten, die eintrafen. Ner’zhul selbst begrüßte sie. In dem Augenblick, in dem Durotan den Schamanen sah, wusste er, dass es richtig gewesen war, zu kommen. Obwohl Ner’zhul kein junger Orc mehr war, schien er in den wenigen Monaten seit dem letzten Kosh’harg-Fest um Jahre gealtert. Er wirkte dünner, fast schon verhungert, als wenn er schon eine ganze Weile nichts mehr gegessen hätte. Seine Blicke wirkten gehetzt. Er griff mit zittrigen Händen Durotans breite Schultern, und der Häuptling der Frostwölfe spürte, dass sein Dank ehrlich gemeint war. Er spürte kein arrogantes Spiel um die Macht, sondern ein aufrichtiges Gefühl der Bedrohung.

Durotan neigte den Kopf, dann verließ er ihn, um zu sehen, wie seine Leute untergebracht waren.

Während der nächsten paar Stunden, als sich die Sonne dem Horizont näherte, beobachtete Durotan den steten Strom von Orcs, der sich durch das flache Wiesenland zog und zum Fuß des heiligen Bergs wanderte. Es wirkte fast schon, als würden sie sich für das Kosh’harg-Fest versammeln. Er sah die leuchtenden Banner in der Brise flattern, die jeden Clan ankündigten, und ein Lächeln legte sich auf sein Gesicht, als er das Symbol des Schwarzfels-Clans erblickte, Orgrims Clan. Seit sie erwachsen waren, hatten die beiden Jugendfreunde nicht mehr so viel Zeit füreinander. Orgrim war bei Durotans Ernennung um Häuptling dabei gewesen, seitdem hatten sie sich nicht mehr gesehen. Durotan sah mit Freude und keineswegs überrascht, dass Orgrim nur einen Schritt hinter Schwarzfaust schritt, dem klotzigen und einschüchternden Häuptling des Schwarzfels-Clans. Durotans alter Freund war nun dessen Stellvertreter.

Draka folgte dem Blick ihres zukünftigen Gatten und grunzte ebenfalls zufrieden. Sie verstand sich sehr gut mit Orgrim, wofür Durotan dankbar war. Es war ein Glück, dass die beiden, die ihm die wichtigsten waren, ebenfalls miteinander gut auskamen.

Während Schwarzfaust mit Ner’zhul redete, warf Orgrim Durotan einen Blick zu und zwinkerte. Durotan grinste ihm zu. Ner’zhuls Vision beunruhigte ihn, aber immerhin gab ihm dieses Treffen die Möglichkeit, Orgrim wiederzusehen.

In diesem Moment drehte sich Schwarzfaust mit einem Schnauben um und bedeutete Orgrim, ihm zu folgen. Das Lächeln verschwand aus Durotans Gesicht. Wenn Schwarzfaust seinen Stellvertreter Orgrim das gesamte Treffen lang brauchte, dann würde ihm sogar das Vergnügen, ein paar Worte mit dem Freund zu sprechen, verwehrt werden.

Draka, die ihn gut kannte, griff nach seiner Hand und drückte sie. Sie sagte nichts, sie musste es nicht. Durotan sah sie an und lächelte.

Derselbe lange dünne Kurier, der Durotan die Nachricht von dem Treffen überbracht hatte, verkündete, dass Ner’zhul die Versammlung nicht vor dem nächsten Morgen halten würde. Einige Clans würden erst in der Nacht eintreffen. Das Lager der Frostwölfe war kleiner als das der anderen, aber gemütlich. Sie hatten Reisezelte und Felle mitgebracht, und der Kurier hatte dafür gesorgt, dass sie ausreichend Fleisch, Fisch und Früchte bekamen. Eine Talbuk-Lende drehte sich langsam über dem Feuer, ihr verlockender Geruch hielt den Appetit wach, während sich die Orcs über den Fisch hermachten. Es waren insgesamt elf: Durotan, Draka, Drek’Thar und acht Schamanen. Einige wirkten sehr jung auf Durotan. Aber obwohl ein paar von ihnen noch nicht ihre vollen Fertigkeiten ausgebildet hatten, wurde ihnen, sobald sie von den Ahnen auserwählt worden waren, derselbe Respekt entgegengebracht wie allen anderen auch.