Draka, die er in einer schnellen, stillen Zeremonie geheiratet hatte, weil er die Zeit für die Kriegsübungen brauchte, berührte sanft seinen Rücken. Sie wusste wie immer, was er dachte.
„Es wäre besser, in Zeiten des Friedens zu leben“, sagte sie. „Selbst der Blutdurstigste weiß, wie wahr das ist. Aber wir sind, was wir sind, mein Gefährte. Und ich weiß, du wirst bei dieser Aufgabe nicht versagen.“
Er lächelte sie traurig an. „Nein, das werde ich wohl nicht. Wir sind Krieger. Wir wachsen durch die Jagd, durch die Herausforderung, selbst durch das Blutvergießen und durch die Siegesschreie. Sie sind klein, aber nicht schwach. Sie werden lernen. Sie sind Frostwölfe.“ Er machte eine Pause und fügte dann stolz hinzu: „Sie sind Orcs.“
„Die Zeit vergeht“, sagte Rulkan.
„Ich weiß, aber du willst unser Volk doch nicht unvorbereitet in den Krieg ziehen lassen“, antwortete Ner’zhul. „Die Draenei sind uns momentan weit überlegen.“
Rulkan grunzte unzufrieden, lächelte dann jedoch. Ner’zhul sah sie an. War es nur seine Einbildung, oder schien ihr Lächeln gezwungen?
„Wir trainieren so schnell und gut wir können“, setzte Ner’zhul schnell nach. Er wollte nicht den Geist beleidigen, der einst seine Frau gewesen war.
Rulkan sagte nichts mehr, doch es war klar, dass es ihr nicht schnell genug ging.
„Vielleicht kannst du uns helfen“, sagte er. „Vielleicht könnte uns dein Wissen... nun...“
Rulkan durchlief ein Zittern, dann legte sie den Kopf schief. „Ich habe dir alles gesagt, was ich weiß“, sagte sie, „aber es gibt andere Mächte, andere Wesen, von denen die Lebenden nichts wissen.“
Ner’zhul horchte auf. „Es gibt die Elemente und die Geister der Ahnen“, sagte er. „Welche anderen Wesen sollte es sonst noch geben?“
Sie lächelte ihn wieder an. „Du atmest noch, mein Ehemann. Du bist noch nicht bereit für sie. Sie sind diejenigen, die uns helfen, damit wir euch helfen können.“
„Nein!“ Ner’zhul merkte, dass er bettelte, aber er konnte nicht anders. „Bitte... wir brauchen Hilfe, wenn wir die zukünftigen Generationen vor den heimtückischen Plänen der Draenei schützen wollen.“
Er sagte nicht, dass er die Aufmerksamkeit genoss, die ihm jeder einzelne Orc jedes einzelnen Clans entgegenbrachte. Er sagte nicht, dass ihn ihr früheres Versprechen von Macht erregte und er sich nach dieser Macht zu sehnen begann. Aber mehr noch als das hatte sie ihm so viel Angst vor den monströsen Draenei gemacht, dass ihn ihr Rückzug völlig verwirrte.
Rulkan sah ihn abwägend an. „Vielleicht hast du recht“, sagte sie. „Ich werde fragen, ob sie mit dir reden wollen. Einem fühle ich mich besonders verbunden. Seine Besorgnis für unser Volk ist tief und echt. Ihn werde ich fragen.“
Er nickte, zufrieden mit ihrer Antwort, dann blinzelte er sich wach. Ein Lächeln lag um seinen Mund.
Bald würde er mit dem geheimnisvollen Geist Kontakt aufnehmen, dem Wohltäter. Sehr bald.
Gul’dan lächelte ihn an, als er ihm Früchte und Fisch zum Frühstück brachte. „Wieder eine Vision, mein Meister?“
Er beugte sich tief hinab, als er ihm das Essen und eine Tasse Kräutertee reichte. Auf Rulkans Rat hin hatte Ner’zhul begonnen, ein Gebräu aus bestimmten Kräutern einer bestimmten Stärke zu trinken. Rulkan hatte ihm versichert, dass es seinen Geist und Verstand offen hielt für die Visionen. Ner’zhul hatte das Gebräu zuerst als unangenehm gefunden, hatte es aber trotzdem getrunken. Nun stellte er fest, dass er das Getränk genoss, als erstes am Morgen und drei weitere Male verteilt über den Tag. Er nahm die Tasse und nippte daran, bevor er auf Gul’dans Frage antwortete.
„Ja, die hatte ich in der Tat, und ich habe etwas Wichtiges erfahren.
Gul’dan, solange es Orcs gibt, gibt es Schamanen. Und die Schamanen arbeiten mit den Elementen und den Ahnen zusammen.“
Gul’dans Gesicht zeigte einen Ausdruck der Verwirrung. „Ja, sicher...“
Ner’zhul konnte ein Grinsen nicht unterdrücken, das weit über seine Hauer reichte. „Und das stimmt immer noch. Aber es gibt mehr, als wir wissen. Mehr, das die Ahnen sehen können, aber wir Lebenden nicht. Rulkan hat mir erzählt, dass sie Kontakt mit mächtigen Wesen hat. Sie verfügen über Weisheit und Wissen, das selbst das der Ahnen übertrifft. Und sie werden kommen, um uns zu helfen. Rulkan sagt, es gibt ein besonderes Wesen, das beschlossen hat, die Orcs zu unterstützen. Und bald wird er sich mir zeigen.“
In Gul’dans Augen blitzte es. „Und... mir auch, Meister?“
Ner’zhul lächelte. „Du bist stark, Gul’dan“, sagte er. „Ich hätte dich nicht als meinen Schüler gewählt, wenn dem nicht so wäre. Ja, ich denke schon. Wenn er dich für würdig befindet so wie mich.“
Gul’dan senkte den Kopf. „Möge es so sein“, sagte er schnell. „Es ehrt mich, dass ich dienen kann. Dies ist eine Zeit großen Ruhmes für die Orcs. Wir sind gesegnet, dass wir diese Zeit erleben dürfen.“
Der Schwarzfels-Clan, mit Schwarzfaust selbst in der Vorhut, hatte um die Ehre gebeten, die Ersten zu sein, die zuschlagen würden. Es hatte ein paar Vorbehalte und Grummeleien gegeben, aber das Jagdgeschick der Schwarzfelsen war legendär, und hinzu kam, dass sie auch recht nah bei Telmor lebten, einer der kleineren isolierteren Städte. Sie hatten die ersten Exemplare von Rüstungen, Schwertern, metallverstärkten Pfeilen und anderen Waffen erhalten, die gegen die Draenei zum Einsatz kommen sollten.
Orgrim, der den Schicksalshammer über seinem Rücken trug, war von Kopf bis Fuß in Metall gehüllt. Er ritt an der Seite seines Häuptlings. Der Wolf unter ihm schien das gleiche Unbehagen gegen die schwere Rüstung zu empfinden wie Orgrim selbst und warf hin und wieder seinen massigen Schädel an Orgrims Bein, als wenn ein Insekt ihn geärgert hätte. Er schien sich auch ein wenig mehr anzustrengen, als er seinen Reiter über die sanfte Wiese trug; dabei keuchte er mehr als üblich, und die rosa Zunge hing ihm aus dem Hals.
Orgrim murmelte. Es hatte leicht geklungen: Zieht in den Krieg gegen diesen neuen heimtückischen Feind! Aber als sie alle, einschließlich Orgrim, ihre Entscheidung bejubelt hatten, hatte niemand daran gedacht, wie schwierig es war, so etwas vorzubereiten. Sie mussten größere Wölfe züchten, weil die Tiere genauso wie die Orcs Rüstungen tragen würden; dafür brauchten sie feste Knochen und mächtige Muskeln.
Die Waffen hatten sich bereits bewehrt. Mehrere Male hatten sie bereits Oger angegriffen. Die waren zwar plump und dumm, während die Draenei schnell und intelligent waren, trotzdem gaben sie immer noch bessere Übungsziele ab, als es Talbuks getan hätten. Am Anfang hatte man ein paar Stammesbrüder dabei verloren, die auf einem Scheiterhaufen in einer feierlichen Zeremonie für ihr ehrenhaftes Opfer beigesetzt worden waren. Die Waffen fühlten sich fremd in der Hand an, die Rüstung verlangsamte den Träger, aber jedes Mal wurden die Angriffe geschmeidiger und eleganter. Beim letzten Mal hatten sie nicht nur gegen ein paar Oger, sondern auch gegen ihren Meister, einen Gronn, gekämpft, der die Boshaftigkeit der Oger besaß und eine gemeine Schläue, die ihn zu einer echten Herausforderung machte. Zwei tapfere Schwarzfels-Orcs waren gefallen, bevor Orgrim den Feind mit einem letzten Schlag seines prophetischen Hammers seinem Schicksal zuführte.
Schwarzfaust hatte dann neben ihm gestanden. Er keuchte und schwitzte. Sein Gesicht war mit Blut besprenkelt, sein eigenes und das der Kreatur, die sie gerade erschlagen hatten. Er wischte es mit seiner gepanzerten Hand weg, leckte das Blut und grunzte.
„Zwei Oger und ihr Meister“, murmelte er und schlug Orgrim auf die Schulter. „Die bedauernswerten Draenei haben keine Chance gegen unsere Kraft.“