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Velen hatte keine Wahl. Er konnte nur diesem Wesen, das sein Freund war, glauben oder die verraten, die ihm vertraut hatten. Er wählte den Glauben.

Momentan aber war er verwirrt. Die Orcs hatten begonnen, Jägergruppen anzugreifen. Es schien keinen Grund für diese Angriffe zu geben. Keine der Wachen, die Velen befragt hatte, konnten irgendetwas Ungewöhnliches berichten. Und trotzdem: drei Jägergruppen waren bis auf den letzten Draenei ausgelöscht worden. Restalaan, der die Metzeleien untersucht hatte, hatte berichtet, dass die Draenei nicht einfach getötet, sondern vielmehr... abgeschlachtet worden waren.

Deshalb war Velen zum Tempel gegangen, der noch aus den frühesten Tagen stammte, als die Draenei auf diese Welt gekommen waren. Umgeben von vier der sieben Ata’mal-Kristalle, die vor so langer Zeit entstanden waren, konnte er die schwache Stimme seines Freundes in seinem Kopf hören. Aber K’ure hatte diesmal keine Antworten für ihn.

Diesmal würde es keine Flucht geben, wenn etwas schiefging. K’ure lag im Sterben, gefangen in dem Schiff, das vor zweihundert Jahren auf diese Welt gestürzt war.

„Großer Prophet“, sagte Restalaan mit sanfter Stimme, „es hat einen neuen Angriff gegeben.“

Langsam öffnete Velen seine alten Augen und betrachtete seinen Freund sorgenvoll. „Ich weiß“, sagte er. „Ich habe es gefühlt.“

Restalaan strich sich mit der dickfingerigen Hand durch sein schwarzes Haar. „Was sollen wir tun? Jeder neue Angriff erscheint brutaler als der vorhergehende. Untersuchungen an den Wunden scheinen zu bestätigen, dass sie ihre Waffen verbessert haben.“

Velen seufzte tief und schüttelte den Kopf. Die weißen Zöpfe schwangen leicht bei der Bewegung. „Ich kann K’ure nicht hören“, sagte er leise. „Zumindest nicht so deutlich wie normalerweise. Ich fürchte, ihm bleibt nicht mehr viel Zeit.“

Restalaan senkte den Blick, und Schmerz zeichnete sein Gesicht. Der Naaru hatte sich tatsächlich für sie geopfert. Alle Draenei wussten und verstanden es. Er war gefangen gewesen und langsam über zwei Jahrhunderte gestorben. Irgendwie hatte Velen geglaubt, dass es länger dauern würde wenn er tatsächlich starb, so wie er als Draenei den Tod verstand.

Entschlossen stand Velen auf, und seine leichte Robe flatterte hinter ihm. „Er kann mir noch Weisheit vermitteln, aber ich kann ihn nicht mehr hören. Ich muss zu ihm gehen. Vielleicht verstehe ich ihn besser, wenn ich in seiner Nähe bin.“

„Du... du meinst, du willst zum Schiff gehen?“, fragte Restalaan.

Velen nickte. „Ich muss.“

„Großer Prophet, ich will deine Weisheit nicht in Frage stellen, aber...“

„Aber du tust es trotzdem.“ Velen schmunzelte, und um seine bemerkenswert blauen Augen bildeten sich Lachfältchen. „Fahr fort, mein alter Freund. Deine Fragen waren immer hilfreich für mich.“

Restalaan seufzte. „Die Orcs haben das Schiff übernommen und bezeichnen es als ihren heiligen Berg“, sagte er.

„Das weiß ich“, antwortete Velen.

„Warum verärgerst du sie dann, indem du dort hingehst?“, fragte Restalaan. „Sie werden das ganz sicher als einen Akt der Aggression werten, gerade jetzt. Du würdest ihnen einen Grund geben, ihre Angriffe auf uns fortzusetzen.“

Velen nickte. „Daran habe ich auch schon gedacht. Aber vielleicht ist es an der Zeit, dass wir offenlegen, wer wir sind und was ihr heiliger Berg in Wirklichkeit ist. Sie glauben, dass ihre Ahnen dort zu Hause sind, und damit könnten sie sogar Recht haben. Wenn K’ure nicht mehr lange lebt, sollten wir dann nicht seine Weisheit und seine Kräfte nutzen, solange wir es noch können? Wenn überhaupt jemand einen Frieden zwischen den Orcs und uns aushandeln kann, dann dieses Wesen, das größer ist als wir alle. Das könnte unsere einzige Hoffnung sein. K’ure hat davon gesprochen, dass andere Wesen andere Völker suchen, die uns in der Aufgabe, das Gleichgewicht und die Harmonie zu retten, unterstützen. Die sich gemeinsam mit uns gegen Sargeras und seine riesige unheilige Macht stemmen, die er geschaffen hat.“

Velen legte seine weiße Hand auf die gepanzerte Schulter seines Freundes. „Eine Sache wurde in meinen Meditationen ganz deutlich. Es kann so nicht weitergehen wie bisher. Orcs und Draenei können nicht länger nebeneinanderher leben. Es gibt keinen Weg zurück, mein alter Freund. Es gibt entweder Krieg oder Frieden. Sie werden entweder unsere Verbündeten oder Feinde sein. Und ich würde es mir nie vergeben, ginge ich nicht den Weg zum Frieden. Verstehst du mich?“

Restalaan schaute in Velens unglückliches Gesicht, dann nickte er. „Ja. Ja, ich glaube schon. Aber es gefällt mir nicht. Lass mich dir wenigstens eine bewaffnete Garde mitgeben. Die Orcs werden garantiert erst kämpfen, bevor sie zuhören.“

Velen schüttelte den Kopf. „Nein, keine Waffen. Nichts, dass sie provozieren könnte. In ihren Herzen sind es ehrenhafte Wesen. Ich konnte einen flüchtigen Blick in die Seelen der beiden jungen Orcs werfen, die uns vor einigen Jahren besuchten. Es ist nichts Arglistiges oder Böses in ihnen, nur Vorsicht und jetzt, aus irgendwelchen Gründen, Angst. Sie haben Jägergruppen angegriffen, keine Zivilisten.“

„Ja“, entgegnete Restalaan. „Gruppen, die zahlenmäßig weit unterlegen waren.“

„Wir haben auch vergossenes Blut gefunden, das nicht unser eigenes war“, erinnerte ihn Velen. „Sie nahmen ihre Toten mit, um sie rituell zu verbrennen. Es wurde auch viel orcisches Blut vergossen. Und durch unsere Überlegenheit kann eine Handvoll Draenei leicht gegen viele Orcs bestehen. Nein, ich werde nicht alles riskieren. Sie werden mich nicht einfach erschlagen, wenn ich meine Absichten ehrenhaft vortrage und ich unbewaffnet komme.“

„Ich wünschte, ich hätte deine Zuversicht, mein Prophet“, entgegnete Restalaan resigniert und verneigte sich tief. „Ich werde eine kleine Gruppe als Begleitung mitschicken. Und sie wird unbewaffnet sein.“

Das Große Wesen, Kil’jaeden, besuchte Ner’zhul häufiger. Am Anfang nur im Traum, wie seine Ahnen. Er kam in der Nacht, wenn Ner’zhul tief schlief. Die Droge machte seinen Körper schwer, öffnete aber Ner’zhuls Geist für Kil’jaedens Einflüsterungen. Er sparte nicht mit Lob und verriet ihm Pläne für zukünftige Siege der Orcs.

Ner’zhul war glücklich. Jeden Brief, den die Blutfalken von den Clans brachten, las er eifrig.

Wir sind auf zwei Kundschafter gestoßen, weit weg von jeder Hilfe, schrieb der Häuptling vom Clan der Zerschmetterten Hand. Es war leicht, sie zu töten, sie waren uns unterlegen.

Der Clan des Blutenden Auges berichtet dem großen Ner’zhul stolz, dass wir ihm in allen Belangen gehorcht haben, stand in einem anderen Brief. Wir haben uns mit dem Clan des Lachenden Schädels verbündet und so die Zahl der bewaffneten Krieger mehr als verdoppelt, die wir gegen den verschlagenen Feind schicken. Unserer Auffassung nach sucht der Thunderlord-Clan Verbündete. Wir werden ihnen morgen einen Kurier schicken.

„Ja“, sagte Kil’jaeden und lächelte. „Siehst du, wie sie alle zusammenkommen, wenn sie einen triftigen Grund haben? Vorher hätten sich die Clans gegenseitig herausgefordert, wenn sich ihre Wege gekreuzt hätten. Nun teilen sie ihr Wissen, teilen Vorräte und Waffen, arbeiten zusammen, um einem Feind entgegenzutreten, der euch alle zerstören will.“

Ner’zhul nickte, aber er fühlte einen plötzlichen Stich. Es war herrlich gewesen, endlich dieses schöne, machtvolle Wesen zu treffen, obwohl es so sehr wie die verhassten Draenei aussah, aber er hatte seitdem Rulkan nicht mehr gesehen. Er vermisste sie. Er fragte sich, warum sie ihn nicht mehr besuchte.

Zögerlich sagte er: „Rulkan...“