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Am Anfang war es wie immer gewesen. Sie hatten die Jägergruppe aufgespürt, waren über sie hergefallen, hatten den Angriff begonnen und darauf gewartet, dass die Schamanen ihre Magie einsetzten, um die Draenei niederzumachen.

Doch sie taten es nicht. Stattdessen fiel ein Frostwolf nach dem anderen unter den schimmernden Klingen und der blauweißen Magie der Draenei. Als Durotan selbst um sein Leben kämpfte, sah er Drek’Thar, wie der sich verzweifelt wehrte, mit nichts anderem als seinem Stab.

Was war passiert? Warum waren ihnen die Schamanen nicht zu Hilfe gekommen? Was dachte sich Drek’Thar dabei? Er konnte mit dem Stab kaum besser kämpfen als ein Kind. Warum benutzte er nicht seine Magie?

Die Draenei kämpften wütend, zogen ihre Vorteile aus dem unerklärlichen Nichtstun der Schamanen. Sie verstärkten ihre Attacken. Ihre Augen blitzten, als sie den Sieg spürten, vielleicht zum ersten Mal. Das Gras war feucht vom Blut, und Durotan rutschte darauf aus. Er fiel, und sein Angreifer erhob das Schwert.

Das war es also. Er würde in einem glorreichen Kampf sterben. Allerdings empfand er diese Schlacht nicht als glorreich. Instinktiv hob er die Axt, um den Schlag abzuwehren. Sein Arm war bereits verletzt, und seine Muskeln verkrampften sich. Er sah in die Augen desjenigen, der ihn töten würde.

Und er erkannte Restalaan!

Die leuchtenden blauen Augen des Hauptmanns der Draenei-Wache waren auf ihn gerichtet, und Restalaan erkannte auch ihn wieder – und hielt inne.

Durotan schnappte nach Atem und versuchte, genug Energie zu sammeln, um aufzustehen und weiterzukämpfen. Restalaan rief etwas in seiner melodischen Sprache, und die Draenei unterbrachen den Angriff.

Als Durotan auf die Füße kam, erkannte er, dass nur noch eine Handvoll Orc-Krieger übrig war. Um ein Haar hätten die Draenei seine komplette Gruppe ausgelöscht, bei nur zwei oder drei Verlusten auf eigener Seite.

Restalaan wirbelte zu Durotan herum. Verschiedene Emotionen wanderten über sein hässliches Gesicht. Mitleid, Empörung, Bedauern, Entschlossenheit. „Für die Gnade und Ehre, die du unserem Propheten erwiesen hast, Durotan, Sohn von Garad, werden du und die deines Clans, die noch leben, verschont. Nehmt eure Verwundeten und kehrt nach Hause zurück. Aber erwartet diese Gnade nicht noch einmal von uns. Der Ehre wurde Genüge getan.“

Durotan schwankte, als hätte er zu viel getrunken, während das Blut unablässig aus seinen Wunden floss. Er musste sich zwingen, auf den Füßen zu bleiben, während sich die Draenei umdrehten und verschwanden. Als sie außer Sichtweite waren, fiel er auf die Knie. Mehrere Rippen mussten geprellt oder gar gebrochen sein, denn das Atmen verursachte ihm fürchterliche Qualen.

„Durotan!“

Das war Draka. Auch sie war schwer verwundet, aber ihre Stimme klang stark. Durotan war erleichtert. Dank den Ahnen, sie lebte noch!

Drek’Thar lief zu ihm, legte seine Hände auf Durotans Herz und murmelte etwas. Wärme durchflutete den Orc-Häuptling, und die Schmerzen nahmen ab.

„Zumindest erlauben sie mir, meine heilenden Kräfte einzusetzen“, sagte Drek’Thar, so leise, dass Durotan sich nicht sicher war, ob er die Worte richtig verstanden hatte.

„Kümmere dich um die anderen, und dann müssen wir reden“, sagte Durotan.

Drek’Thar nickte, vermied aber jeden Blickkontakt. Er und die anderen Schamanen beeilten sich, so viele Wunden, wie sie nur konnten, magisch zu schließen und die mit Salben und Verbänden zu versorgen, bei denen das nicht ging. Durotan war immer noch verwundet, aber es war nichts Lebensbedrohendes, deshalb half er den Schamanen.

Als Durotan getan hatte, was er konnte, stand er auf und schaute sich um. Fünfzehn Orcs lagen steif im Gras, darunter auch Rokkar, sein Stellvertreter. Durotan schüttelte ungläubig seinen Kopf.

Sie würden mit Bahren zurückkommen müssen, um die Gefallenen in ihr Land zu bringen. Sie würden auf dem Scheiterhaufen brennen, ihre Körper würden dem Feuer übergeben, ihre Asche der Luft, um schließlich von Wasser und Erde aufgenommen zu werden. Ihre Geister würden zum Oshu’gun gehen, und die Schamanen würden mit ihnen reden.

Würden sie doch, oder? Etwas Schreckliches war passiert, und er musste endlich herausfinden was.

Wut durchströmte ihn plötzlich. Auch wenn die Ahnen es ihnen befohlen hatten, Durotan hatte das Gefühl, dass der Angriff auf die Draenei ein tödlicher Fehler war. Er wandte sich an Drek’Thar und griff sich den kleineren Orc mit einem tiefen Grollen.

„Das war ein Gemetzel“, schrie er und schüttelte den Schamanen wild. „Fünfzehn von uns liegen tot im Gras. Die Erde trinkt ihr Blut, und keiner von deinen Schamanen hat eingegriffen!“

Einen Moment lang konnte Drek’Thar nicht sprechen. Auf der Wiese war es tödlich still, während jeder Frostwolf die beiden beobachtete. Dann antwortete Drek’Thar mit schwacher Stimme: „Die Elemente... sie kamen dieses Mal nicht.“

Durotan verengte die Augen. Er hielt Drek’Thar immer noch an dessen Lederweste. „Stimmt das? Sie wollten uns ihre Hilfe im Kampf nicht leihen?“

Der Schamane nickte. Einer sagte mit zitternder Stimme: „Es ist wahr, großer Häuptling. Ich habe alle der Reihe nach befragt. Sie sagten... sie sagten, alles sei aus dem Gleichgewicht geraten und dass sie uns nicht länger gestatten, ihre Kräfte zu nutzen.“

Durotan war schockiert. Er hörte ein ärgerliches Schnaufen, drehte sich um und sah Drakas missmutiges Gesicht. „Das ist mehr als ein Zeichen, dass wir das Falsche tun!“

Langsam, während er versuchte, dies alles zu begreifen, nickte Durotan. Hätte Restalaan ihnen nicht Gnade gewährt, würden er und der gesamte Rest seines Clans nun tot sein. Die Elemente hatten ihre Hilfe verweigert. Sie hatten verurteilt, was die Schamanen von ihnen verlangten.

Durotan atmete tief durch und schüttelte den Kopf, als wolle er damit alle dunklen Gedanken vertreiben. „Lasst uns die Verwundeten so schnell wie möglich nach Hause bringen. Und dann... dann werde ich Botschaften aussenden. Wenn das, was ich fürchte, wahr ist, betrifft das nicht nur die Schamanen des Frostwolf-Clans. Wir müssen es Ner’zhul mitteilen.“

13

Wie konnte es geschehen, dass wir es nicht bemerkten? Es ist leicht, die Schuld für unseren Untergang auf den charismatischen Kil’jaeden zu schieben oder den schwachen Ner’zhul oder den machthungrigen Gul’dan. Aber sie verlangten von jedem einzelnen Orc so zu tun, als wenn heiß kalt wäre, als wenn süß sauer wäre, und selbst, als alles in uns gegen diese Forderungen aufbegehrte, folgten wir ihnen. Ich war nicht dabei, ich kann es nicht erklären. Vielleicht hätte auch ich wie ein braver Hund gehorcht. Vielleicht war aber auch die Furcht zu groß oder der Respekt vor unseren Anführern zu tief verwurzelt.

Vielleicht.

Aber vielleicht hätte ich so wie mein Vater und ein paar andere die Fehler erkannt. Ich möchte das gern glauben.

Schwarzfaust schaute finster unter seinen buschigen Augenbrauen hervor. Er wirkte oft deshalb so grimmig, weil er es meistens auch war.

Gul’dan hatte ihn vor zwei Wochen in aller Heimlichkeit um dieses Treffen gebeten, und der Häuptling des Schwarzfels-Clans hatte zugestimmt. Schwarzfaust war Gul’dan immer schon lieber gewesen als Ner’zhul, obwohl er sich nicht erklären konnte, warum. Als Gul’dan nun mit ihm zusammensaß, bei einem verschwenderischen Mahl, und mit ihm die gegenwärtige Lage erörterte, war Schwarzfaust froh, dass er gekommen war, und wusste, warum er Gul’dan lieber mochte: Der ehemalige Schüler und jetzige Meister war wie er selbst. Er pfiff auf Ideale, für ihn zählten Macht und gutes Essen. Nur diese Dinge waren diesen beiden Orcs wichtig.

Schwarzfaust war der Häuptling der Schwarzfels-Orcs. Er konnte nicht höher aufsteigen. Zumindest hatte er das bisher gedacht. Als die Clans noch nicht vereint gewesen waren, war der größte Ruhm, den man erlangen konnte, den eigenen Clan zu führen. Aber inzwischen waren sie alle vereint. Schwarzfaust sah die Gier in Gul’dans kleinen Augen, und er konnte den Hunger beinahe riechen, der von dem anderen Orc ausging, ein Hunger, den auch er verspürte.