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Aber es wurde noch schlimmer. Die Flüchtlinge erzählten nicht von simplen Bögen und Pfeilen, Speeren, Äxten und Hämmern, die die Orcs eingesetzt hatten. Sie sprachen mit leisen, gehauchten Stimmen von grünlich-schwarzen Blitzen, von schrecklicher Qual und Folter, jenseits von allem, was die Schamanen bislang ihren Feinden angetan hatten. Sie sprachen von schnatternden, hüpfenden Kreaturen, die eine Magie des Leids und der Qual anwendeten.

Sie sprachen von den Man’ari.

Plötzlich fügte sich alles mit furchtbarer Logik zusammen. Die plötzlichen unverständlichen Angriffe der Orcs. Ihre unglaublichen Fortschritte in der Technologie. Die Tatsache, dass sie sich vom Schamanentum abgekehrt hatten, einer Religion, die, wie Velen es verstand, eine Geben-und-Nehmen-Beziehung zwischen den Elementarkräften und denen, die sie nutzten, voraussetzte. Wer die Man’ari befehligte, suchte weder Gleichgewicht noch Harmonie, er wollte herrschen!

So wie Kil’jaeden und Archimonde!

Die Orcs waren nichts anderes als bloße Werkzeuge in den Händen der Eredar; Velen und der Rest der Draenei waren ihre wahren Ziele. Die orcische Horde war vergrößert worden um Kreaturen, die extrem mächtig waren – so also wollte Kil’jaeden sie, die Draenei, vernichten. Für einen kurzen Moment fragte er sich, ob der Anführer der Horde vielleicht für vernünftige Argumente zugänglich war, ob man ihm erklären konnte, was wirklich geschah, und ob er dann vielleicht Kil’jaeden bekämpfen würde, gemeinsam mit den Draenei, wenn er erfahren hatte, wie der ihn benutzt hatte. Er verwarf den Gedanken gleich wieder. Es war durchaus möglich, dass diejenigen, die Kil’jaeden als seine Werkzeuge gebrauchte, die wahre Natur und die Absichten des Eredars längst kannten. Er versprach ihnen Macht, und Velen wusste, wie glaubhaft dieses Angebot erscheinen konnte und wie verführerisch es war. Durch diese Versprechungen waren Archimonde und Kil’jaeden auch Sargeras erlegen, und sie waren weit älter, standhafter und weiser gewesen als jeder Orc.

Hinzu kam diese Vision, die ihn nicht nur zutiefst schmerzte, sondern auch demütigte. Eine Vision von schwerfälligen Ogern, die sich mit den Orcs verbündeten. Etwas, das er einst als Traum abgetan hätte, der verursacht worden war durch ein allzu reichhaltiges Mahl. Jetzt wusste er, dass es die Wahrheit war. Etwas hatte die Natur der Orcs so nachhaltig geändert, so unwiderruflich, dass sie sich mit Kreaturen verbündeten, die sie seit Generationen hassten. Und zwar gegen die Draenei, ein Volk, mit dem sie ebenso lange befreundet gewesen waren.

Wäre dies anderswo geschehen wäre, wäre die Folgerung einfach gewesen: Velen hätte sein Volk versammelt, und sie wären geflohen, beschützt von den Naaru. Aber das Schiff war abgestürzt, K’ure lag im Sterben, und es gab keinen anderen Weg, als gegen die Horde zu kämpfen und zu beten, dass sie irgendwie, auf irgendeine Art überleben würden.

Ah, K’ure, alter Freund. Wie ich deine Weisheit vermisse, und wie bitter es ist, dass du dich direkt beim Feind befindest, der nicht mal begreifen will, dass du überhaupt existierst.

Er drückte den Stein, den er Geisterlied nannte, fest an sein Herz. Er fühlte das leise Flackern des sterbenden Naaru. Velen schloss die Augen und neigte den Kopf.

Gul’dan schaute sich im Raum um und war sehr zufrieden. Alles lief wie geplant. Der Schattenrat traf sich nun seit einiger Zeit, und Gul’dan war der Meinung, die Mitglieder gut ausgewählt zu haben. Sie waren alle bereit... nein, begierig darauf, ihrem Volk den Rücken zu kehren, um der Macht näher zu kommen. Sie hatten schon so viel erreicht durch ihr Werkzeug, das glaubte, der wahre Herr des Rats zu sein und nicht sein Sprachrohr, wie es in Wirklichkeit der Fall war. Es war leicht gewesen, ihn zum Kriegshäuptling zu machen. Und solange der Rat lächelte und nickte, wenn er an den Treffen teilnahm – was selten genug vorkam –, hinterfragte er seine Position nicht. Von den eigentlich wichtigen Zusammenkünften bekam er nichts mit, denn sie schickten ihn auf eine Mission nach der anderen, wodurch seine Brust vor Stolz noch mehr anschwoll.

„Grüße“, sagte Gul’dan, als er sich auf den Stuhl am Kopf des Tisches niederließ. Wie immer hockte Ner’zhul in einer Ecke; niemals wurde er aufgefordert, sich zu den anderen zu setzen. Es war ihm aber erlaubt, ihrer Sitzung beizuwohnen. Kil’jaeden hatte es so angeordnet, und obwohl Gul’dan nicht klar war, was sein Wohltäter damit bezweckte, wollte er Kil’jaedens Wohlwollen unbedingt behalten und widersprach deshalb nicht.

Der Rat erwiderte seinen Gruß nur beiläufig, und Gul’dan begann mit der Tagesordnung. „Wie reagieren die einzelnen Clans auf das Bündnis mit den Ogern? Kargath, beginnen wir mit dir.“

Der Häuptling des Clans der Zerschmetterten Hand grinste und grunzte: „Sie sind bereit, möglichst viel Blut zu vergießen, und es ist ihnen egal, wer ihnen dabei hilft, die Kehlen der Draenei aufzuschlitzen.“

Raues Gelächter füllte den Raum. Im schwachen Licht der Fackeln kam es Gul’dan so vor, als würden die Augen der Anwesenden orange leuchten. Ein paar aber schauten finster und wirkten alles andere als belustigt.

„Ein paar vom Whiteclaw-Clan haben protestiert“, sagte einer. „Und Durotan vom Frostwolf-Clan steht immer noch unter Beobachtung, obwohl er den Angriff auf Telmor erfolgreich durchgeführt hat.“

Gul’dan hob die Hand. „Sorge dich nicht. Mit Durotan habe ich noch etwas vor.“

„Warum wird er nicht einfach beseitigt?“, knurrte Kargath wütend. „Es wäre leicht, ihn durch jemanden zu ersetzen, der besser in unsere Pläne passt. Es ist bekannt, dass er Schwarzfausts Entscheidungen in Frage stellt, und deine auch.“

„Genau deshalb brauche ich ihn lebend“, sagte Gul’dan und sah, dass einige ihn sehr wohl verstanden, während andere verwirrt und wütend schauten. „Gerade weil er für seinen moderateren Standpunkt bekannt ist“, fügte er eine Erklärung hinzu. „Denn da er uns trotz seiner Zweifel folgt, folgen uns auch die anderen Zweifler. Er spricht für viele, die sich nicht trauen, selbst die Stimme zu erheben. Aber solange Durotan dennoch tut, was wir sagen, erscheint alles in Ordnung. Wie Kargath erwähnte, ist der Frostwolf-Clan nicht der Einzige, der uns gegenüber Vorbehalte hat.“

„Aber... was ist, wenn er uns auf einmal den Gehorsam verweigert? Wenn er an eine Grenze stößt, die er nicht überschreiten kann?“

Gul’dan lächelte frostig. „Dann werden wir mit ihm auf eine Weise verfahren, die unsere Macht noch steigern wird. So wie wir das immer machen.“ Gul’dan beschloss, das Thema zu wechseln. Er beugte sich vor und legte die Hände auf den Tisch. „Reden wir von den anderen, die uns gegenüber Vorbehalte haben. Ich hörte, es gibt Orcs, die weiterhin versuchen, wieder mit den Elementen und den Ahnen in Kontakt zu treten.“

Eines der Mitglieder zeigte einen missmutigen Ausdruck. „Ich habe versucht, sie davon abzubringen, aber ich habe keine Ahnung, wie ich sie dafür bestrafen soll. Immerhin glauben noch immer alle, dass es die Ahnen waren, die uns auftrugen, die Draenei anzugreifen, dass sie uns vor der Bedrohung durch die Draenei warnten.“ Seine Worte klangen nach einer Verteidigung.

Gul’dan lächelte. „Ja, stimmt. Damit haben wir sie alle eingefangen und auf unsere Seite gebracht.“ Er schaute zu Ner’zhul herüber. Der alte Schamane bemerkte seinen Blick und schlug die Augen nieder.