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„Aber das ist nicht länger nötig“, sagte Gul’dan. „Wir müssen sicherstellen, dass es kein Zurück mehr zu den alten Traditionen gibt. Bisher war uns das Kriegsglück hold, und mit den Ogern wird es weiterhin auf unserer Seite sein. Aber wenn es Rückschläge gibt, wenn eine Schlacht mal nicht zu unseren Gunsten ausgeht, dann wird man denen, die immer noch dem Schamanentum anhängen, ein offenes Ohr schenken. Das darf auf keinen Fall passieren.“ Er rieb sich gedankenvoll das Kinn. „Wir müssen mehr tun, als die Hexenmeister zu ermutigen. Wir müssen das Schamanentum unterbinden. Es wäre von Vorteil, würden die Ahnen tatsächlich mit ihren Nachfahren reden.“

Wieder schaute er Ner’zhul an. Erst als er zum heiligen Berg gereist war, hatte er mit den Ahnen sprechen können und entdeckt, was wirklich geschah. Bis dahin war Ner’zhul, so machtvoll er auch gewesen war, auch nur ein Werkzeug Kil’jaedens gewesen.

Tief in körperlosen Träumen schwammen die Wesen, die aus Licht bestanden. Sie hatten Erinnerungen an das, was gewesen war, und sie hatten Einblicke in die Zukunft. Lange hatten sie an diesem Ort verweilt, genährt von dem Anderen, der wie sie war und doch nicht war wie sie. Und der, wie sie spürten, langsam schwand. Bisher hatten sie Friede und Ruhe gehabt. Aber Schändung, Hass und Gefahr hatten diesen Frieden zunichte gemacht. Sie konnten die geliebten Lebenden, wenn diese schliefen, nicht mehr erreichen. Und die geliebten Lebenden kamen nicht mehr, um das heilige Becken aufzufüllen, womit sie, ohne es zu wissen, den Anderen am Leben hielten. Nur der Betrogene war gekommen, hatte geweint und gebettelt, aber er war zu tief in den Betrug verwickelt gewesen, um ihnen zu helfen.

Plötzlich wurde ihr tiefer Traum unterbrochen. Eine Erschütterung durchlief sie, Schmerz quälte sie, und sie riefen den Anderen um Hilfe an. Aber er konnte ihnen nicht helfen, er konnte sich nicht einmal selbst helfen. Die dunklen unheiligen Kreaturen, die einst Geschöpfe der Schönheit gewesen waren, kamen. Die Ahnen spürten ihre Nähe. Sie kamen, unaufhaltsam, vereinten ihre Kräfte und schufen einen Ring aus Dunkelheit um den Fuß des Berges. Sichtbare Dunkelheit ging von den verderbten Kreaturen aus, die Sargeras verfallen waren, angezogen von dem Versprechen der Macht, genährt von dem Versprechen ewiger Vernichtung. Die Ahnen spürten das Aufschäumen konzentrierten Hasses, der sich in eine Erscheinung aus grünlichschwarzer Energie bündelte. Sie peitschte um sich wie ein abgeschlagener Tentakel und suchte eine grauenhafte Vereinigung. Langsam, aber unaufhaltsam wuchs ihr Würgegriff, bis ein Band aus dunkler Energie den Berg versiegelte und jeden Orc daran hinderte, hineinzukommen, und jede Seele, den Berg zu verlassen.

Da schrie der Andere auf. Ohne die Schamanen, die ihm das Wasser brachten, war er nicht in der Lage, sich selbst zu heilen. Und ohne den Anderen würde es wahrscheinlich keine Ahnen mehr geben.

Weit entfernt zuckten einige Orcs, die sich selbst als Schamanen sahen, im Schlaf und begannen zu weinen. Ihre Träume wurden zu Albträumen von endloser Qual und unentrinnbarem Untergang.

18

Ich bin einer aus der zweiten Generation. Der zweiten Generation von Schamanen, so wie ich der Anführer der zweiten und – wie ich hoffe – besseren und weiseren Generation der Horde bin. Ich habe mit den Elementen und Geistern gesprochen, und ich habe gespürt, wie sie viele Male harmonisch mit mir zusammengearbeitet haben. Genauso oft haben sie aber auch ihre Hilfe verweigert.

Aber ich habe nie die Geister der Ahnen gesehen, nicht mal in meinen Träumen. Meine Seele verlangt nach solch einer Verbindung. Bis vor Kurzem wagten die, die bereits den Pfad des Schamanen gegangen waren, nicht einmal davon zu träumen, ihn wieder beschreiten zu können. Und dennoch tun sie es jetzt.

Vielleicht wird eines Tages die Barriere zwischen uns und den geliebten Toten auch wieder aufgehoben.

Vielleicht.

Aber ich frage mich, ob sie wirklich wussten, wie weit wir uns von ihrer liebenden Lehre entfernt hatten. Ob sie gesehen haben, was wir in Draenor getan haben, was wir Draenor angetan haben... Vielleicht würden sie sich selbst jetzt von uns abwenden und uns unserem Schicksal überlassen. Wenn sie das tatsächlich tun, kann ich es ihnen nicht verübeln.

„Ich verstehe das nicht“, sagte Ghun. Er war der jüngste Hexenmeister des Clans und immer noch, so erkannte Durotan bitter, ein Idealist. Er hatte miterlebt, wie Ghun die Nase über die merkwürdigen Kreaturen gerümpft hatte, die er im Kampf gezwungenermaßen einsetzen musste. Er hatte bemerkt, wie sehr der Junge es bedauerte, wenn ein Feind vor Qual litt. Drek’Thar hatte Durotan auf den Jungen aufmerksam gemacht. „Warum soll man nicht hoffen, dass die Elemente eines Tages wieder mit uns zusammenarbeiten? Und warum darf ich nicht zum Oshu’gun gehen?“

Durotan hatte keine richtige Antwort für ihn. Das Gebot, dass niemand jemals wieder die schamanischen Künste ausüben durfte, war praktisch aus dem Nichts gekommen. Wer es missachtete, musste mit einer Strafe rechnen, Verbannung oder, beim wiederholten Mal, gar mit dem Tod. Es stimmte schon, die meisten der Schamanen hatten sich inzwischen von der alten Lehre entfernt, nachdem die Elemente sie verlassen hatten. Aber was war mit den Ahnen? Warum, in aller Welt, verbot Gul’dan in dieser Zeit von Krise und Not den Orcs ihren heiligsten Ort zu betreten?

Weil er keine Antwort für den Jungen hatte, der aber eine verdiente, wurde Durotan wütend. Seine Stimme klang schroff.

„Damit wir die Draenei besiegen, hat unser Kriegshäuptling bestimmte Verbündete für uns gewonnen. Diese Verbündeten gaben uns die Kräfte der Hexenmeister, die du kontrollierst. Lüg mich nicht an, ich weiß, dass du sehr zufrieden damit bist!“

Ghuns klauenbewehrte Finger hatten in der Erde gegraben und einen Stein hervorgebracht. Er warf ihn auf und ab. Durotan runzelte die Stirn, als er die Haut des Jungen ansah. Die Trockenheit dieses Ortes und die harschen Bedingungen, unter denen sie schon seit zwei Jahren arbeiteten, hatten ihren Tribut gefordert. Die normalerweise weiche braune Haut, die sich über die Muskeln straffte, war trocken und fleckig geworden. Gedankenverloren rieb sich Ghun ein Stück raue Haut ab, und Durotan sah die neue Haut darunter.

Sie hatte eine grünliche Färbung.

Für einen Moment drohte ihn die Panik zu überwältigen, doch Durotan zwang sich, ruhig zu bleiben. Er hatte sich nicht geirrt: Die Haut war tatsächlich grünlich. Er wusste nicht, was das bedeutete, aber es war merkwürdig. Instinktiv lehnte er es ab. Ghun schien das aufzufallen. Er warf den Stein mit einem Grunzen davon und sah ihm nach.

Wäre Ghun älter gewesen, hätte er die Warnung im Tonfall seines Häuptlings erkannt. Aber er war jung und mit seinen eigenen Sorgen beschäftigt. Deshalb beachtete er die Warnung nicht.

„Die Zauber... die Kreaturen, die mir gehorchen... Ich bin mit ihrer Wirkung sehr zufrieden. Aber nicht damit, wie sie wirken. Es fühlt sich... es fühlt sich falsch an, mein Häuptling. Töten ist töten, und die Elemente gaben mir die Macht, meinen Feind zu töten, ebenso wie die neuen Kräfte es tun. Wir befinden uns in diesem Krieg, weil uns die Ahnen befohlen haben, die Draenei zu vernichten. Wieso sagt Gul’dan dann, dass wir nicht mit ihnen reden dürfen?“

Etwas in Durotan drehte durch. Er stieß einen wilden Schrei aus und schlug den Jungen zu Boden. Dann packte er Ghuns Hemd und brachte sein Gesicht ganz nah an das Gesicht des erschreckten jungen Hexenmeisters.

„Das ist uninteressant!“, schrie er. „Ich werde tun, was für die Frostwölfe das Beste ist. Und derzeit ist es das, was Gul’dan und Schwarzfaust uns sagen. Gehorche diesem neuen Gebot!“

Ghun starrte ihn an. So schnell sie gekommen war, verschwand die Wut auch wieder und hinterließ Bedauern. Durotan ergänzte in einem harschen Flüstern, das für den Jungen allein bestimmt war: „Ich kann dich nicht schützen, wenn du es trotzdem tust.“

Ghun schaute ihn an, seine Augen glühten orange, dann schaute er zu Boden und seufzte. „Ich verstehe, mein Häuptling. Ich werde dem Frostwolf-Clan keine Schande machen.“