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Durotan grunzte amüsiert. „Ich glaube, damit hast du recht.“

Er fühlte, dass der Blick von Orgrims grauen Augen auf ihm ruhte. „Durotan, ich habe dich das bislang bewusst nicht gefragt, aber... warum hast du den Trank, den Gul’dan dir bot, abgelehnt?“

Durotan sah seinen Freund an und antwortete mit einer Gegenfrage: „Warum hast du nicht getrunken?“

„Etwas war... nicht richtig“, antwortete Orgrim nach kurzem Zögern. „Mir gefiel nicht, was es aus den anderen machte.“

Durotan zuckte mit den Schultern. „Du hattest denselben Gedankengang wie ich.“

„Da bin ich mir nicht so sicher“, gestand Orgrim, aber er fragte nicht weiter.

Durotan wollte nicht verraten, was er wusste. Er hatte es geschafft, seine Leute vor dem zu bewahren, was das Dämonenblut aus ihnen gemacht hätte. Er hatte sich gegen Gul’dan durchgesetzt, und bislang hatte das noch keine negativen Auswirkungen gehabt. Orgrim, den Ahnen sei Dank dafür, hatte genug Weisheit besessen, um zu erkennen, dass etwas nicht stimmte, und hatte den Kelch ebenfalls abgelehnt.

„Ich kämpfe heute“, sagte Orgrim und wechselte damit das Thema. „Kommst du?“

„Ich weiß, dass du das nicht für den Ruhm tust, sondern für deinen Clan“, erklärte Durotan. „Du kämpfst, um Nahrung für sie zu gewinnen und Wasser. Aber ich werde nicht zu diesen Schaukämpfen gehen. Orcs sollten nicht gegeneinander kämpfen. Nicht einmal zum Vergnügen.“

Orgrim seufzte. „Du hast dich nicht verändert, Durotan. Du hattest immer Angst davor, gegen mich zu verlieren.“ Seine Stimme klang vergnügt.

Durotan schaute ihn an, und zum ersten Mal seit ewig langer Zeit lachte er aus vollem Herzen.

Der Tag war gekommen.

Die ganze Nacht lang, während ein Ring aus Hexern Wache gestanden hatte, damit kein Neugieriger das finstere Ritual beobachtete, hatten mehrere Steinmetze hart daran gearbeitet, das letzte Siegel in die Basis des Portals zu schlagen. Nachdem sie fertig waren und einander angelacht hatten, waren sie getötet worden. Das Blut derjenigen, die das Siegel erschaffen hatten, würde es veredeln, hatte Me-divh gesagt. Gul’dan hatte keinen Grund, an der Weisheit seines neuen Verbündeten zu zweifeln. Aber die glücklosen Steinmetze waren nicht die Letzten, die an diesem Ort sterben sollten.

Die Morgendämmerung war feurig rot und orange, die Luft dick und schal. Während das Portal in den letzten paar Tagen fertiggestellt worden war, mussten gleichzeitig auch noch andere Aufgaben erledigt werden. Die Kriegsmaschinen, die vor einigen Monaten die Stadt Shattrath verwüstet hatten, wurden wieder in Dienst gestellt, repariert, geölt und überprüft. Rüstungen, die vernachlässigt worden waren, wurden poliert, Dellen aus Brustpanzern und Helmen gehämmert und Schwerter gewetzt.

Die große orcische Armee, die die Draenei vernichtet hatte, wurde neu aufgestellt.

Von einigen Clans wurde verlangt, dass sie zurückblieben. Gul’dan hatte sein Bestes gegeben, um den Häuptlingen der Clans der Zerschmetterten Hand, der Schattenmonde, des Donnerfürsten, der Blutenden Augen und des Lachenden Schädels einzureden, dass sie hier, auf dieser Welt, dringend gebraucht wurden. Grom und sein Kriegshymnen-Clan waren besonders schwer zu überzeugen gewesen. Als der Häuptling zu wüten begann, hatte sich Gul’dan für einen kurzen Moment gefragt, ob es wirklich eine gute Idee gewesen war, Hellschrei von dem Dämonenblut trinken zu lassen, denn weniger als alle anderen hatte er seine Gefühle unter Kontrolle. Vordergründig schmeichelte ihm Gul’dan, indem er behauptete, wie wertvoll Grom für ihn wäre und wie sehr er ihn hier brauchte. Doch in Wirklichkeit wollte er ihn wegen seiner Wildheit und seiner Unberechenbarkeit auf keinen Fall dabei haben. Er konnte nicht riskieren, dass Grom wegen irgendeiner verrückten Idee Befehle verweigerte. Medivh hätte das sicherlich nicht akzeptiert. Natürlich nicht.

Schwarzfaust hatte der gesamten Horde befohlen, sich an der Höllenfeuerzitadelle zu versammeln. Während der letzten paar Tage waren einige, die in ihre angestammten Lager zurückgekehrt waren, darunter der Frostwolf-Clan, zurückgekehrt und kampierten nun vor der Zitadelle. Sie waren dem Befehl gefolgt, sich zu bewaffnen, als ginge es in die Schlacht, obwohl die wenigsten begriffen, was vor sich ging.

Sie kamen, Clan für Clan. Und jeder Clan trug seine traditionellen Farben in Form einer dekorativen Schärpe oder eines Gürtels über der Rüstung. Und an diesem heißen, windigen Tag flatterten ihre Banner stolz im Wind.

Gul’dan und Ner’zhul beobachteten den Aufmarsch, und Gul’dan wandte sich an seinen ehemaligen Lehrer. „Du und dein Clan seid unter denen, die zurückbleiben“, sagte er knapp.

Ner’zhul nickte. „Das habe ich mir schon gedacht“, sagte er fast kleinlaut. Er sagte dieser Tage nicht viel, genauso wie Gul’dan. Der hatte angenommen, dass der ältere Orc versuchen würde, ihm die Macht zu entreißen, nachdem Kil’jaeden ihn verlassen hatte. Aber augenscheinlich war Ner’zhul gebrochen und nicht mehr dazu fähig. Gul’dan dachte verächtlich an die Zeit zurück, als er Ner’zhul geschätzt und geliebt hatte. Wie dumm er damals gewesen war. Er war gewachsen und hatte gelernt, selbst aus der Bitterkeit der Niederlage. Obwohl er manchmal auch einen seltsamen Glanz in Ner’zhuls Augen entdeckte, wie jetzt gerade. Er betrachtete den anderen Orc genau. Wahrscheinlich war es nur eine Täuschung gewesen, ein Lichtreflex. Er konzentrierte sich wieder auf den Aufmarsch und lächelte.

Es war herrlich! Die brennende Sonne glitzerte auf ihren Rüstungen, ihre Banner wehten im Wind, ihre grünen Gesichter leuchteten in Vorfreude. Wenn alles so geschehen würde, wie Medivh es versprochen hatte, dann war dies der große Wendepunkt. Dann würde Gul’dan zur wahren Größe finden.

Die Trommeln begannen zu schlagen. Tief und ursprünglich wummerten sie, ließen die Erde vibrieren, den Stein, die Knochen der Hordenmitglieder. Viele warfen ihren Kopf zurück und heulten, als sie zu marschieren begannen. Sie gingen im Gleichschritt, waren wieder ein vereintes Volk.

Gul’dan hatte keine Eile. Sobald sie alle am Portal versammelt waren, würde er von einem Hexer magisch dorthin transportiert werden. Er konnte die Parade seiner Armee genießen, die die breite Straße zum Portal entlangmarschierte.

Vor dem Portal stand ein Kind der Draenei.

Wo hatten sie das her? Durotan hatte seit Monaten keine Draenei mehr gesehen und auch sonst niemand. Sie mussten sehr viel Glück gehabt haben, einen Draenei zu finden, auch wenn es sich nur um ein Kind handelte.

Sie standen vor der Menge, neben dem Donnerfürst-Clan und dem Drachenmal-Clan. Das Tor des Portals war fertiggestellt und wirkte gleichzeitig schön und erschreckend. Zwei steinerne Gestalten in Kutten, deren Augen entweder durch Magie oder einen raffinierten Trick rot leuchteten, flankierten die Öffnung. Eine in den Stein gemeißelte schlangenähnliche Kreatur ringelte sich auf der oberen, waagerecht liegenden Felsplatte, das Maul weit aufgerissen, sodass man die nadelspitzen Zähne sehen konnte. Sie hatte scharfe, echsenhafte Krallen und Zacken auf dem Rücken. Durotan hatte so etwas noch nie gesehen und fragte sich kurz, wie den Steinmetzen solch ein Bild hatte einfallen können. Ein Albtraum vielleicht? Er grinste. Alles in allem war es ein recht gelungenes Bauwerk.

Aber er würdigte diese Kunstfertigkeit nur am Rande. Seine Blicke waren auf den jungen Draenei gerichtet. Der sah so entsetzlich klein aus im Vergleich zu dem enormen Tor – klein, dünn und verletzlich. Er starrte mit leerem Blick auf das Meer der Orcs, die ihn anbrüllten. Er war bereits so weit jenseits des Schreckens, dass er offenbar nicht einmal mehr Angst enpfand.

„Was werden sie mit ihm machen?“, fragte sich Draka laut.

Durotan schüttelte den Kopf. „Ich fürchte das Schlimmste.“

Sie wandte ihm das Gesicht zu. „Ich sah, wie sie in der Schlacht Kinder erschlugen. Der Blutrausch hatte sie erfasst – ich werde es ihnen nie verzeihen, aber ich verstehe, wie es geschehen konnte. Aber sicherlich werden sie kein Kind für irgendein Ritual töten!“