Выбрать главу

Dann sah Durotan die Draenei. Ihre Körper wurden von einer Art Metallrüstung bedeckt, die die kühlen Farbtöne der magischen Energie widerspiegelte. Durotans Blick wurde davon verwirrt. Sie stürzten sich auf den Oger, Klingen blitzten, mehr Worte der Macht wurden gerufen, und Kommandos wurden erteilt. Durotan war gezwungen, die Augen zu schließen, um bei dem Anblick nicht den Verstand zu verlieren.

Schließlich wurde alles still, und Durotan öffnete wieder die Augen. Der Oger war tot. Seine Augen starrten ins Leere, seine Zunge quoll aus einem Maul hervor, dessen Lippen man abgeschnitten hatte, und sein Körper war mit rotem Blut und schwarzen Verbrennungen bedeckt.

Die Stille war so intensiv, dass Durotan seinen eigenen Atem und den von Orgrim hörte. Die beiden schauten sich an, erstarrt von dem, was sie gerade miterlebt hatten.

Beide hatten schon vorher Draenei gesehen, aber nur aus der Ferne. Sie kamen hin und wieder zu jedem Clan, um ihre sorgfältig gefertigten Werkzeuge, Waffen und Dekorationsgegenstände gegen die dicken Pelze von Waldtieren, grell gewobene Tücher und Rohmaterialien, die die Orcs herstellten, zu tauschen. So ein Treffen war immer interessant für die Clans, aber der Handel dauerte nie länger als ein paar Stunden. Die Draenei, blauhäutig, mit sanfter Stimme und zurückgezogen lebend, ließen niemanden an sich heran, und kein Clanführer hatte sie je in sein Zelt eingeladen. Die Beziehungen waren freundlich, aber distanziert, und jeder schien es dabei belassen zu wollen.

Der Anführer der Gruppe, die so unerwartet aufgetaucht war, kam auf Durotan zu. Vom Boden aus sah er, was ihm nie aufgefallen war, wenn er die Draenei aus der Ferne beobachtet hatte.

Ihre Beine verliefen nicht direkt senkrecht von ihrem Körper bis zum Boden, sondern bogen sich nach hinten, und sie endeten in gespaltenen Hufen, die in Metall eingeschlossen waren. Und sie hatten einen haarlosen dicken Schweif, der hin- und herfegte.

Der Anführer beugte sich über ihn und bot Durotan die starke blaue Hand an. Der blinzelte, blickte noch einen Moment auf die behuften Füße und den Reptilienschwanz und stand dann ohne Hilfe auf.

Er schaute in ein Gesicht, das mit merkwürdigen Plättchen belegt war, wie eine Rüstung. Schwarzes Haar und ein schwarzer Bart flossen über einen Waffenrock, und die stechenden, glühenden Augen hatten die Farbe eines Wintersees.

„Bist du verletzt?“, fragte der Draenei in gebrochenem Dialekt der Gemeinsamen Sprache der Orcs. Seine Zunge hatte offenbar Probleme, sich so zu schlängeln, dass sie die gutturalen Silben der Sprache erzeugte.

„Nur in meinem Stolz“, hörte Durotan Orgrim in seinem Clandialekt murmeln. Er wusste, dass sie sich blamiert hatten. Die Draenei hatten ihnen das Leben gerettet, und er war natürlich dankbar. Aber sie waren zwei stolze Jugendliche, die vor der Gefahr weggelaufen waren. Zugegeben, die Gefahr war äußerst ernst gewesen. Ein Treffer von dem riesigen Knüppel hätte ihn und Orgrim glatt zermatscht. Aber dennoch...

Durotan war nicht klar, ob der Draenei seinen Gefährten verstanden hatte. Aber er glaubte, ein Lächeln auf seinen Lippen zu erkennen. Der Draenei schaute zum Himmel, und zu seiner Bestürzung erkannte Durotan, dass sich die Sonne dem Horizont näherte.

„Ihr beiden seid weit weg von zu Hause, und die Sonne geht unter“, sagte der Draenei. „Zu welchem Clan gehört ihr?“

„Ich bin Durotan vom Frostwolf-Clan und das ist Orgrim vom Schwarzfels-Clan.“

Der Draenei schaute verwundert. „Zwei verschiedene Clans? Habt ihr einander herausgefordert, dass ihr so weit weg von zu Hause seid?“

Durotan und Orgrim tauschten einen Blick. „Ja und nein“, sagte Durotan. „Wir sind Freunde.“

Die Augen des Draenei weiteten sich. „Freunde? Von zwei verschiedenen Clans?“

Orgrim nickte. „Ja“, bestätigte er und ergänzte verteidigend: „Es entspricht nicht der Tradition, ist aber auch nicht verboten.“

Der Draenei nickte, aber er schaute immer noch überrascht. Er musterte die beiden einen Moment lang, dann wandte er sich an zwei seiner Gefolgsleute und flüsterte etwas in seiner eigenen Sprache. Durotan empfand die Laute als sehr musikalisch, wie Wasser, das über Steine plätschert, oder wie den Ruf eines Vogels. Die anderen beiden Draenei hörten zu, dann nickten sie. Einer nahm einen Wasserbeutel von seinem Gürtel, trank einen tiefen Schluck und lief so geschmeidig und schnell wie ein Talbuk in Richtung Südwesten, wo das Land des Frostwolf-Clans lag. Der andere rannte nach Osten zum Schwarzfels-Clan.

Der Draenei, der gesprochen hatte, drehte sich wieder um. „Sie werden euren Familien sagen, dass ihr wohlauf und in Sicherheit seid. Ihr werdet morgen nach Hause zurückkehren. In der Zwischenzeit würde ich euch gern die Gastfreundschaft der Draenei anbieten. Mein Name ist Restalaan. Ich bin der Anführer der Wachen von Telmor, jener Stadt, mit der eure beiden Clans regelmäßig Handel treiben. Zu meinem Bedauern muss ich sagen, dass ich keinen von euch beiden kenne, aber die jungen Orcs scheinen uns gegenüber auch ein wenig ängstlich zu sein.“

Orgrim brüstete sich. „Ich fürchte mich vor nichts und niemandem.“

Restalaan lächelte ein wenig. „Du bist vor dem Oger davongelaufen.“

Orgrims braunes Gesicht lief dunkel an, und in seinen Augen funkelte es ärgerlich. Durotan hingegen senkte leicht den Kopf. Wie er es befürchtet hatte, hatten Restalaan und seine Leute ihre Schmach mitbekommen und würden sie wohl damit aufziehen.

„Das“, fuhr Restalaan so ruhig fort, als hätte er nicht bemerkt, welche Reaktion seine Worte ausgelöst hatte, „war sehr weise von euch. Wart ihr nicht geflohen, würden wir zwei Leichen heim zu ihren Familien schicken statt zweier gesunder, kräftiger Jungen. Furcht ist keine Schande, Orgrim und Durotan. Nur wenn Angst euch davon abhält, das Richtige zu tun, müsst ihr euch schämen. In eurem Fall war Wegrennen eindeutig das Richtige.“

Durotan streckte sein Kinn vor. „Eines Tages werden wir ausgewachsen und stark sein. Dann werden die Oger uns fürchten.“

Restalaan bedachte sie mit einem nachsichtigen Ausdruck im Gesicht, und zu Durotans Überraschung nickte er. „Dem kann ich nur zustimmen“, sagte er. „Orcs sind hervorragende Jäger.“

Orgrim runzelte die Stirn und suchte in diesen Worten nach einer Beleidigung, fand aber keine.

„Kommt“, sagte Restalaan. „Im Wald von Terokkar gibt es bei Nacht Gefahren, denen sich auch die Wache von Telmor nicht unbedingt stellen möchte. Lasst uns gehen.“

Obwohl sie erschöpft waren, schaffte es Durotan, das Lauftempo mitzuhalten. Er wollte sich nicht zweimal an einem Tag blamieren. Sie liefen einige Zeit, und die Sonne versank hinter dem Horizont in einem herrlichen Schein von Rot, Gold und schließlich Violett. Er sah hin und wieder auf; er wollte nicht unhöflich wirken, war aber erpicht darauf, diese Fremden aus der Nähe zu betrachten statt wie sonst aus der Ferne. Er wartete darauf, die Anzeichen einer Stadt zu erblicken, Straßen, die von zahlreichen Füßen geschaffen waren, Feuer, die den Pfad beleuchten, die Silhouetten von Gebäuden gegen den dunklen Himmel – doch da war nichts. Und als sie weiterliefen, spürte er Angst in sich aufsteigen.

Was, wenn die Draenei gar nicht vorhatten, ihm und Orgrim zu helfen? Was, wenn sie sie gefangen nehmen wollten, um sie gegen ein Lösegeld eintauschen? Was, wenn sie sogar noch Schlimmeres vorhatten, sie einem dunklen Gott opfern oder...

„Da sind wir!“, sagte Restalaan und kniete sich nieder, wobei er ein paar Blätter und Tannennadeln beiseite schob. Orgrim und Durotan tauschten verwirrte Blicke. Sie waren immer noch mitten im Wald. Keine Stadt, keine Straßen, gar nichts. Die Orcs stellten sich dichter zusammen. Sicherlich waren sie unterlegen, aber sie würden nicht kampflos sterben.

Immer noch auf dem Nadelteppich kniend, legte Restalaan einen schönen grünen Kristall frei, der sorgfältig unter gewöhnlichem Geröll verborgen gewesen war. Durotan schaute fasziniert zu. Die Schönheit des Steins nahm ihn völlig gefangen. Er passte genau in seine Handflächen, und er brannte darauf, ihn zu berühren, die Glätte zu spüren, das seltsame Pulsieren auf seiner Haut. Irgendwie wusste er, dass der Stein eine Ruhe verströmte, wie er sie noch nie zuvor erlebt hatte.