Die Jungen saßen um die Feuer. Neben ihnen lagen auch die beiden Hunde, die solche Lust hatten, mich zu fressen. Sie konnten sich noch lange mit meiner Anwesenheit nicht befreunden und knurrten, schläfrig nach dem Feuer blinzelnd und schielend, ab und zu mit einem ungewöhnlichen Ausdruck eigener Würde; anfangs knurrten sie, dann winselten sie leise, als beklagten sie die Unmöglichkeit, ihren Wunsch zu erfüllen. Es waren fünf Jungen da: Fedja, Pawluscha, Iljuscha, Kostja und Wanja. (Aus ihren Gesprächen erfuhr ich ihre Namen, und ich will den Leser mit ihnen gleich bekannt machen.)
Der erste, der älteste, Fedja, mochte vierzehn Jahre alt sein. Er war ein schlanker Junge mit hübschen, feinen, etwas zu schwach ausgeprägten Gesichtszügen, mit krausem, blondem Haar, hellen Augen und einem fortwährenden halb heiteren, halb zerstreuten Lächeln. Er gehörte allem Anschein nach einer wohlhabenden Familie an und war wohl nicht aus Notwendigkeit, sondern nur zum Zeitvertreib ins Feld hinausgeritten. Er trug ein buntes Kattunhemd mit gelbem Saum und einen kleinen, neuen Kittel übergeworfen, der sich kaum auf seinen schmalen Schultern hielt; am blauen Gürtel hatte er einen Kamm hängen. Seine Stiefel mit niedrigen Schäften waren tatsächlich seine Stiefel und nicht die seines Vaters. Der zweite Junge, Pawluscha, hatte zerzaustes, schwarzes Haar, graue Augen, breite Backenknochen, ein blasses, pockennarbiges Gesicht, einen großen, aber regelmäßigen Mund; sein ganzer Kopf war ungewöhnlich groß, wie ein Kessel; der Körper untersetzt und plump. Er war ein unansehnlicher Junge, das war nicht zu leugnen, und doch gefiel er mir gut: Er blickte klug und frei, und in seiner Stimme lag Kraft. Mit seiner Kleidung konnte er nicht prahlen: Sie bestand aus einem einzigen, schmutzigen Hemd und einer geflickten Hose. Der dritte, Iljuscha, hatte ein recht unbedeutendes Gesicht – mit der gebogenen Nase, lang und kurzsichtig, drückte es eine stumpfe, krankhafte Besorgnis aus; die zusammengepreßten Lippen bewegten sich nicht, die zusammengezogenen Brauen rückten nicht auseinander, es sah so aus, als blende ihn immer das Feuer. Seine hellgelben, fast weißen Haare ragten in spitzen Strähnen unter dem niederen Filzhütchen hervor, das er sich fortwährend mit beiden Händen über die Ohren zog. Er hatte neue Bastschuhe und Fußlappen an; ein dicker Strick, dreimal um seine Hüften geschlungen, hielt sorgfältig sein sauberes schwarzes Filzmäntelchen. Er sowohl als Pawluscha schienen nicht mehr als zwölf Jahre alt zu sein. Der vierte, Kostja, ein Junge von etwa zehn Jahren, erregte mein Interesse durch seinen nachdenklichen, traurigen Blick. Sein Gesicht war nicht groß, mager, von Sommersprossen bedeckt, nach unten zu spitz wie bei einem Eichhörnchen; die Lippen waren kaum zu unterscheiden; aber einen seltsamen Eindruck machten seine großen, schwarzen, schwachglänzenden Augen: Sie schienen etwas ausdrücken zu wollen, wofür es in der Sprache, jedenfalls in seiner Sprache, keine Worte gibt. Er war klein gewachsen, schmächtig und recht ärmlich gekleidet. Den letzten, Wanja, hatte ich anfangs gar nicht bemerkt: Er lag auf der Erde, mäuschenstill unter einer Bastdecke zusammengekauert, und streckte nur ab und zu seinen blonden Lockenkopf unter ihr hervor.
Ich lag also seitwärts unter einem Strauch und sah die Jungen an. Ein kleines Kesselchen hing über einem der Feuer, in ihm kochten Kartoffeln. Pawluscha sah nach ihnen und rührte, auf den Knien liegend, mit einem Span das Wasser, das eben zu brodeln anfing. Fedja lag, auf einen Ellenbogen gestützt, die Schöße seines Kittels auseinandergeschlagen. Iljuscha saß neben Kostja und zwinkerte gespannt mit den Augen. Kostja hatte den Kopf ein wenig gesenkt und blickte irgendwohin in die Ferne. Wanja lag unbeweglich unter seiner Bastdecke. Ich stellte mich schlafend. Die Jungen kamen allmählich wieder ins Gespräch.
Zuerst redeten sie von dem und jenem, von den Arbeiten des nächsten Tages und von den Pferden; plötzlich wandte sich aber Fedja an Iljuscha und fragte ihn, als setze er ein begonnenes Gespräch wieder fort: »Nun, hast du den Hausteufel wirklich gesehen?«
»Nein, gesehen habe ich ihn nicht, und man kann ihn auch gar nicht sehen«, antwortete Iljuscha mit einer heiseren und schwachen Stimme, deren Tonfall vollkommen seinem Gesichtsausdruck entsprach. »Aber ich habe ihn gehört … Und nicht ich allein.«
»Wo wohnt er denn bei euch?« fragte Pawluscha.
»In der alten Lumpenmühle.«
»Geht ihr denn auf die Fabrik?« »Gewiß. Ich und mein Bruder Awdjuscha arbeiten als Papierglätter.«
»Ihr seid also Fabrikarbeiter …!«
»Nun, wie hast du ihn gehört?« fragte Fedja.
»Es war so. Ich war mit meinem Bruder Awdjuscha und mit Fjodor von Michejewo und mit Iwaschka Kossoi und mit dem anderen Iwaschka, dem von den Roten Hügeln, und mit dem Iwaschka Suchorukow, es waren auch andere Jungen dabei, im ganzen an die zehn Mann, die ganze Schicht; wir mußten in der Lumpenmühle übernachten; wir mußten es eigentlich nicht, aber Nasarow, der Aufseher, sagte uns: ›Was sollt ihr noch nach Hause gehen, Jungens? Morgen ist viel Arbeit, bleibt dann lieber hier.‹ So blieben wir in der Lumpenmühle. Wir liegen zusammen, und Awdjuscha fragt plötzlich: ›Und wenn jetzt der Hausteufel kommt?‹ Kaum hatte Awdjuscha diese Worte gesprochen, als plötzlich jemand über unseren Köpfen zu gehen anfing; wir lagen aber unten, und er ging oben bei dem Rad. Wir hören – er geht herum, die Bretter biegen sich unter ihm und knarren; da geht er schon über unseren Köpfen; plötzlich fängt das Wasser an zu rauschen, das Rad klopft und dreht sich; aber die Schleusen sind heruntergelassen. Wir wundern uns: Wer hat die Schleusen geöffnet, daß das Wasser hindurchkann? Das Rad drehte sich aber eine Weile und blieb plötzlich stehen. Jener ging oben wieder zur Tür und fing an, die Treppe hinunterzusteigen, aber langsam, ohne Eile; die Stufen stöhnten unter seinen Tritten … So kam er zu unserer Tür, wartete eine Weile, und plötzlich ging die Tür weit auf. Wir fuhren zusammen, sahen hin – es ist nichts … Plötzlich bewegte sich eine Schöpfkelle bei einem der Kufen, sie hob sich, bewegte sich durch die Luft, als tauchte sie jemanden unter, und kehrte wieder auf ihren Platz zurück. Dann hob sich der Haken an einer anderen Kufe und schloß sich wieder; dann klang es, als ginge jemand wieder zur Tür, und plötzlich hustete er und pustete wie ein Schaf, so laut … Wir fielen alle auf einen Haufen zusammen und krochen einer unter den anderen … So erschrocken waren wir damals!«
»So, so!« versetzte Pawel. »Warum fing er aber zu husten an?«
»Ich weiß nicht, vielleicht von der Feuchtigkeit.«
Alle schwiegen.
»Nun«, fragte Fedja, »sind die Kartoffeln gar?«