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Pawluscha untersuchte sie.

»Nein, sie sind noch roh … Wie der Fisch plätschert«, fügte er hinzu, das Gesicht zum Fluß wendend, »ist wohl ein Hecht … Und dort fiel ein Sternchen vom Himmel.«

»Nein, Brüder, ich will euch etwas ganz anderes erzählen«, begann Kostja mit feiner Stimme. »Hört mal, was Vater neulich erzählt hat.«

»Wir hören«, sagte Fedja mit herablassender Miene.

»Ihr kennt doch Gawrilo, den Zimmermann aus der Vorstadt?«

»Gewiß kennen wir ihn.«

»Wißt ihr aber, warum er immer so traurig ist und schweigsam, wißt ihr es? Er ist darum so traurig: Einmal ging er, so hat's Vater erzählt, einmal ging er, Brüder, in den Wald nach Nüssen. Er ging also in den Wald nach Nüssen und verirrte sich; er kam Gott weiß wohin. Er geht und geht, Brüder, und kann den Weg nicht finden; es ist aber schon Nacht. So setzte er sich unter einen Baum: ›Ich will auf den Morgen warten.‹ Er setzte sich hin und schlief ein. Er schlief ein und hörte plötzlich, wie ihn jemand rief. Er sieht hin: Es ist niemand da. Er schlief wieder ein, und wieder rief man ihn. Er sieht wieder hin: Vor ihm sitzt auf einem Ast eine Nixe, sie schaukelt hin und her, ruft ihn zu sich und schüttelt sich vor Lachen … Der Mond leuchtet aber hell, so hell, so klar, Brüder, daß alles zu sehen ist. So ruft sie ihn zu sich und ist so hell und weiß, wie sie auf dem Ast sitzt, wie eine Plötze oder ein Gründling, oder es gibt auch solche weißliche, silberne Karauschen … Der Zimmermann Gawrilo war ganz starr vor Schreck, Brüder, aber sie lacht immer und lockt ihn mit der Hand zu sich. Gawrilo stand schon auf, wollte auf die Nixe hören, aber der liebe Gott gab es ihm ein, ein Kreuz zu schlagen … Es war ihm aber furchtbar schwer, das Kreuz zu schlagen, Brüder; er sagt, die Hand sei wie aus Stein gewesen, er hätte sie kaum bewegen können … Hast du es gesehen …! Als er das Kreuz geschlagen hatte, hörte die Nixe zu lachen auf und fing zu weinen an … Sie weint, Brüder, wischt sich mit den Haaren die Tränen aus den Augen, ihre Haare sind aber grün wie Hanf. Gawrilo guckte sie an und fing an, sie zu fragen: ›Was weinst du, du Waldkraut?‹ Die Nixe aber antwortete ihm: ›Hättest du kein Kreuz geschlagen, Mensch, so hättest du bis ans Ende deiner Tage mit mir in Freuden gelebt; ich weine aber und gräme mich, weil du das Kreuz geschlagen hast; aber ich werde mich nicht allein grämen: Auch du sollst bis ans Ende deiner Tage trauern.‹ – Da verschwand sie, und Gawrilo sah sofort, wie er aus dem Wald herauskommen konnte … Aber seitdem geht er so traurig herum.«

»Ach!« sagte Fedja nach kurzem Schweigen. »Wie kann bloß so ein Waldspuk eine Christenseele verderben! Er hat auf sie doch nicht gehört?«

»Was soll man machen!« sagte Kostja, »Gawrilo erzählte, sie hätte eine so feine und klagende Stimme gehabt wie eine Kröte.«

»Hat das dein Vater selbst erzählt?«

»Er selbst. Ich lag auf der Pritsche und hörte alles.«

»Eine merkwürdige Sache! Warum soll er traurig sein …? Er hat ihr wohl gefallen, daß sie ihn rief.«

»Ja, er hat ihr gefallen!« bestätigte Iljuscha. »Gewiß! Sie wollte ihn zu Tode kitzeln, das wollte sie. Das machen die Nixen immer!«

»Es muß doch auch hier Nixen geben«, bemerkte Fedja.

»Nein«, antwortete Kostja, »hier ist ein reiner, freier Ort. Eines nur: Der Fluß ist nah.«

Alle verstummten. Plötzlich ertönte irgendwo in der Ferne ein gedehnter, klingender, fast klagender Laut, einer der unerklärlichen nächtlichen Laute, die manchmal in der tiefsten Stille entstehen, aufsteigen, anhalten und endlich, langsam verhallend, ersterben. Wenn man genauer hinhorcht, so ist es nichts, und doch klingt es. Es war, als habe jemand ferne dicht unter dem Himmelsgewölbe geschrien, und ein anderer habe ihm im Walde mit einem feinen, scharfen Gelächter geantwortet, und ein schwacher, zischender Pfiff zog über den Fluß dahin. Die Jungen wechselten Blicke und fuhren zusammen …

»Gott steh uns bei!« flüsterte Ilja.

»Ach, ihr Maulaffen!« rief Pawel. »Was seid ihr so erschrocken? Schaut nur, die Kartoffeln sind gar.«

Alle rückten näher zum Kesselchen heran und begannen die dampfenden Kartoffeln zu verzehren; nur Wanja allein regte sich nicht.

»Nun, und du?« fragte Pawel.

Aber er kam unter seiner Bastdecke nicht hervor. Das Kesselchen war bald ganz leer.

»Habt ihr gehört, Kinder«, begann Iljuscha, »was sich neulich bei uns in Warnawizy zugetragen hat?«

»Auf dem Damm?« fragte Fedja.

»Ja, ja, auf dem durchbrochenen Damm. Das ist schon wirklich ein unreiner Ort, so unrein und öde. Ringsherum sind lauter Klüfte und Gräben, und in den Gräben lauter Schlangen.«

»Nun, was ist denn geschehen? Erzähl …« »Was da geschehen ist? Du weißt es vielleicht nicht, Fedja, daß bei uns dort ein Ertrunkener begraben ist. Er hat sich da vor sehr langer Zeit ertränkt, als der Teich noch tief war; jetzt ist nur noch sein Grab zu sehen, und auch das kaum; es ist nur ein Hügelchen … Dieser Tage ruft der Verwalter den Hundeknecht Jermil zu sich und sagt ihm: ›Jermil, reite mal auf die Post.‹ Jermil pflegt bei uns immer auf die Post zu reiten; die Hunde sind ihm alle eingegangen: Sie leben bei ihm nicht und haben auch niemals gelebt, sonst ist er aber ein guter Hundeknecht, das muß man ihm lassen. So ritt Jermil nach der Post, hielt sich aber in der Stadt auf, und als er heimritt, war er etwas betrunken. Die Nacht ist aber hell, und der Mond scheint. So reitet Jermil über den Damm: Diesen Weg hat er eben genommen. So reitet der Hundeknecht Jermil und sieht: Am Grabhügel des Ertrunkenen geht ein Schäfchen auf und ab, ein weißes, lockiges, hübsches Schäfchen. Da denkt sich Jermiclass="underline" Ich will es mitnehmen, was soll es unnütz umkommen … Er stieg vom Pferd und nahm das Schäfchen auf die Arme. Das Schäfchen wehrte sich nicht. So geht Jermil zum Pferd, das Pferd weicht aber vor ihm zurück, es schnaubt und schüttelt den Kopf; er brachte es aber zum Stehen, stieg mit dem Schäfchen in den Sattel und ritt weiter, das Schäfchen hielt er vor sich. Er sieht es an, und auch das Schäfchen sieht ihm gerade in die Augen. Da wurde es ihm unheimlich, dem Hundeknecht Jermiclass="underline" Er konnte sich nicht erinnern, daß ein Schaf jemand so in die Augen geblickt hätte; aber er machte sich nichts draus; er fing an, das Schäfchen zu streicheln und sagte ihm: ›Bä! Bä!‹ Das Schaf fletscht aber plötzlich die Zähne und sagt ihm auch: ›Bä! Bä.. !‹«

Der Erzähler hatte das letzte Wort noch nicht gesprochen, als die beiden Hunde plötzlich zugleich aufsprangen, mit krampfhaftem Gebell vom Feuer wegstürzten und in der Finsternis verschwanden. Alle Jungen erschraken. Wanja sprang unter seiner Bastdecke hervor. Pawluscha stürzte schreiend den Hunden nach. Das Gebell entfernte sich rasch … Man hörte das unruhige Rennen der aufgescheuchten Pferdeherde. Pawluscha schrie laut: »Grauer! Schutschka …!« Nach einigen Augenblicken verstummte das Gebell; Pawels Stimme klang aus der Ferne … Es verging noch einige Zeit; die Jungen sahen einander verständnislos an, als warteten sie auf etwas … Plötzlich ertönten die Hufschläge eines heransprengenden Pferdes; es machte dicht vor dem Feuer halt, und Pawluscha sprang, sich an der Mähne festhaltend, schnell herab. Die beiden Hunde kamen gleichfalls in den Lichtschein zurück und setzten sich sofort, die roten Zungen herausgestreckt, nieder.

»Was ist los? Was ist los?« fragten die Jungen.

»Nichts«, antwortete Pawluscha, mit der Hand nach dem Pferde winkend. »Die Hunde haben wohl etwas gewittert. Ich glaubte, es sei ein Wolf«, fügte er mit gleichgültiger Stimme hinzu, während seine Brust schnell atmete.

Ich sah Pawluscha mit unwillkürlicher Bewunderung an. Er war in diesem Augenblick herrlich. Sein unschönes, vom schnellen Ritt belebtes Gesicht glühte vor kühner Unternehmungslust und fester Entschlossenheit. Ohne auch nur einen Stecken in der Hand, war er allein in der Nacht auf einen Wolf losgeritten … Was für ein prachtvoller Junge! dachte ich mir, ihn betrachtend.