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Sprich, wo blieb der Schmuck deines grünen Laubs …?

»Sagen Sie mir, Ardalion Michailytsch«, fing ich an, »warum hat man diese Bäume nicht gleich im nächsten Jahr gefällt? Jetzt gibt man doch für sie auch nicht den zehnten Teil des Preises, den man früher bezahlt hätte.«

Er zuckte nur die Achseln.

»Darüber müßten Sie mein Tantchen fragen. Es waren wohl Kaufleute gekommen, die Geld boten und ihr keine Ruhe ließen.«

»Mein Gott! Mein Gott!« rief Herr von der Kock auf Schritt und Tritt. »Diese Schande! Diese Schande!«

»Was für eine Schande?« fragte mein Nachbar mit einem Lächeln.

»Das heißt, ich wollte sagen, daß es schade ist«, sagte der Deutsche in seinem gebrochenen Russisch.

Besonders erregten sein Mitleid die auf der Erde liegenden Eichen; und in der Tat, mancher Müller hätte für sie viel bezahlt. Der Zehentmann Archip bewahrte dagegen eine unerschütterliche Ruhe und jammerte in keiner Weise; im Gegenteil, er sprang sogar nicht ohne Vergnügen über die Stämme hinweg und schlug mit seiner Peitsche auf sie ein.

Wir näherten uns der Stelle, wo das Holz gefällt wurde, als plötzlich, gleich nach dem Krachen eines gestürzten Baumes, ein Schreien und Stimmengewirr erklang, und einige Augenblicke später stürzte uns aus dem Dickicht ein Bauer, blaß und zerzaust, entgegen.

»Was ist los? Wohin läufst du?« fragte ihn Ardalion Michailytsch.

Jener blieb sofort stehen. »Ach, Väterchen Ardalion Michailytsch, es ist ein Unglück geschehen!«

»Was ist los?«

»Ein Baum hat den Maxim erschlagen, Väterchen.«

»Wieso …? Den Arbeitsunternehmer Maxim?«

»Ja, den Arbeitsunternehmer, Väterchen. Wir fällten eine Esche, er stand aber dabei und sah zu … Er stand da und ging plötzlich zum Brunnen, er wollte wohl Wasser trinken. Plötzlich kracht die Esche und stürzt gerade auf ihn nieder. Wir schreien ihm zu: ›Lauf, lauf, lauf …!‹ Er hätte auf die Seite laufen müssen, aber er lief geradeaus … vor Schreck wußte er wohl nicht, was er tat. Die Esche traf ihn mit den obersten Ästen. Warum sie so schnell gestürzt ist, weiß Gott allein … Wahrscheinlich war sie innen verfault.«

»Nun, hat sie Maxim erschlagen?«

»Ja, erschlagen, Väterchen.«

»Ist er tot?«

»Nein, Väterchen, er lebt noch, aber wie: Arme und Beine sind ihm zerschlagen. Ich laufe zu Seliwerstytsch, dem Feldscher.«

Ardalion Michailytsch befahl dem Zehentmann, im Galopp in das Dorf zu Seliwerstytsch zu reiten und ritt selbst im scharfen Trab zum Holzschlag … Ich folgte ihm.

Wir fanden den armen Maxim auf der Erde liegen. An die zehn Bauern standen um ihn herum. Wir saßen ab. Er stöhnte kaum, öffnete nur ab und zu die Augen, blickte wie erstaunt um sich und biß sich auf die blauangelaufenen Lippen … Sein Kinn zitterte, die Haare klebten an der Stirn, die Brust hob sich ungleichmäßig; er starb. Der leichte Schatten einer jungen Linde glitt leise über sein Gesicht.

Wir beugten uns über ihn. Er erkannte Ardalion Michailytsch.

»Väterchen«, begann er kaum hörbar, »nach dem Popen … lassen Sie schicken … Der Herr … hat mich gestraft … Arme und Beine und alles … ist zerschlagen … heute ist … Sonntag … aber ich … aber ich … habe … die Burschen nicht freigelassen.«

Er verstummte. Der Atem stockte ihm.

»Das Geld … geben Sie … meiner Frau … meiner Frau … mit Abzug … Onissim weiß es … wem ich … schulde.«

»Wir haben nach dem Feldscher geschickt, Maxim«, sprach mein Nachbar. »Vielleicht wirst du gar nicht sterben.«

Er versuchte die Augen zu öffnen und hob mit Mühe die Brauen und Lider.

»Nein, ich werde sterben. Da … da kommt er, da ist er, da … Verzeiht mir, Kinder, wenn ich etwas …«

»Gott wird dir verzeihen, Maxim Andrejitsch«, sagten alle Bauern zugleich mit dumpfer Stimme und nahmen ihre Mützen ab, »verzeihe du uns.«

Er schüttelte plötzlich verzweifelt den Kopf, reckte schmerzvoll die Brust und sank wieder zurück.

»Er darf aber doch nicht hier sterben«, rief Ardalion Michailytsch. »Kinder, nehmt die Bastmatte aus dem Wagen, wir wollen ihn ins Krankenhaus tragen.«

Zwei Mann stürzten zum Wagen hin.

»Ich habe von Jefim … aus Sytschowo …«, lallte der Sterbende, »gestern ein Pferd gekauft … Handgeld gegeben … das Pferd ist also mein … gebt es auch … meiner Frau …«

Man begann ihn auf die Bastmatte zu legen … Er zuckte am ganzen Körper wie ein angeschossener Vogel und streckte sich aus …

»Er ist tot …«, murmelten die Bauern.

Wir stiegen schweigend auf die Pferde und ritten davon.

Der Tod des armen Maxim stimmte mich nachdenklich. Merkwürdig stirbt der russische Bauer! Seinen Zustand vor dem Ende darf man weder Gleichgültigkeit noch Stumpfsinn nennen; er stirbt, als vollzöge er eine Zeremonie: kühl und einfach.

Vor einigen Jahren verbrannte bei einem anderen Nachbarn von mir ein Bauer in der Getreidedarre. (Er wäre in der Getreidedarre geblieben, wenn nicht ein vorbeifahrender Kleinbürger ihn herausgezogen hätte: Er hatte sich in einen Bottich mit Wasser getaucht und dann mit einem Satz die Tür unter dem brennenden Dachvorsprung eingeschlagen.) Ich komme zu ihm in die Stube. Es ist drinnen dunkel, schwül und rauchig. Ich frage, wo der Kranke sei. – »Da liegt er, Väterchen, auf der Ofenbank«, antwortet mir in singendem Ton das traurige Weib. Ich komme näher, der Bauer liegt unter einem Schafspelz und atmet schwer. »Nun, wie fühlst du dich?« Der Kranke rührt sich auf dem Ofen, will sich aufrichten, ist aber dabei voller Wunden und dem Tode nahe. »Bleib nur liegen, bleib nur liegen … Nun? Wie geht es?«

»Versteht sich, schlecht«, antwortet er.

»Hast du Schmerzen?«

Er schweigt.

»Brauchst du etwas?«

Er schweigt.

»Soll ich dir vielleicht Tee schicken?«

»Nein, nicht nötig.«

Ich trat beiseite und setzte mich auf die Bank. Ich sitze eine Viertelstunde, eine halbe Stunde, in der Stube herrscht eine Grabesstille. In der Ecke am Tisch unter den Heiligenbildern verbirgt sich ein Mädchen von etwa fünf Jahren und kaut an einem Stück Brot. Die Mutter droht ihr von Zeit zu Zeit mit dem Finger. Im Flur geht jemand auf und ab, spricht und klopft – die Frau des Bruders hackt Kraut.

»Aksinja!« sagte schließlich der Kranke …

»Was?«

»Gib mir Kwaß.«

Aksinja gab ihm Kwaß.

Wieder schwiegen alle. Ich fragte flüsternd, ob er die Sterbesakramente empfangen habe.

»Er hat sie empfangen.«

Nun, so ist alles in Ordnung, er wartet auf den Tod und sonst nichts. Ich konnte es nicht länger aushalten und ging darum hinaus …

Ein anderes Mal kam ich ins Krankenhaus des Dorfes Krasnogorje zu dem mir bekannten Feldscher Kapiton, der ein leidenschaftlicher Jäger war.

Das Krankenhaus befand sich im ehemaligen Seitenflügel des Herrenhauses; die Gutsbesitzerin selbst hatte es errichtet, d. h., sie ließ über der Tür ein blaues Brett anschlagen mit der weißen Inschrift: ›Krankenhaus von Krasnogorje‹ und händigte Kapiton ein hübsches Album aus, in das er die Namen der Kranken eintragen sollte. Auf dem ersten Blatt des Albums hatte einer der Tellerlecker und Schmeichler der tugendhaften Gutsbesitzerin folgenden Vers hingeschrieben:

›Dans ces beaux lieux, où règne l'alégresse,

ce temple fut ouvert par la Beauté;

de vos seigneurs admirez la tendresse,

bons habitants de Krasnogorié!‹

Ein anderer Herr hatte darunter geschrieben:

›Et moi aussi j'aime la nature!

Jean Kobyliatnikoff.‹

Der Feldscher kaufte für sein eigenes Geld sechs Betten, erflehte sich Gottes Segen und begann das Volk frisch drauflos zu kurieren. Außer ihm wirkten am Krankenhaus noch zwei Personen: der geisteskranke Stempelschneider Pawel und eine Frau namens Melikitrissa, die einen verdorrten Arm hatte und das Amt einer Köchin versah. Die beiden bereiteten die Arzneien, trockneten Kräuter, bereiteten aus ihnen Extrakt und bändigten die tobsüchtigen Patienten. Der verrückte Stempelschneider war düster von Aussehen und wortkarg; nachts sang er das Lied ›von der schönen Venus‹ und wandte sich an jeden Durchreisenden mit der Bitte, ihm die Heirat mit einer gewissen Malanja, die schon längst tot war, zu erlauben. Das Weib mit dem verdorrten Arm prügelte ihn und ließ ihn die Truthühner hüten. Eines Tages sitze ich beim Feldscher Kapiton. Wir sprachen gerade von unserer letzten Jagd, als in den Hof plötzlich ein Wagen hineinfuhr, mit einem ungewöhnlich dicken grauen Pferd bespannt, wie sie nur die Müller zu haben pflegen. Im Wagen saß ein Bauer in einem neuen Kittel und mit einem in verschiedenen Farben schillernden Bart. – »Ah, Wassilij Dmitritsch«, rief ihm Kapiton durchs Fenster zu, »seien Sie mir willkommen … Es ist der Müller aus Lybowschino«, flüsterte er mir zu.