Выбрать главу

Als er fertig war, war das Zimmer schon etwas gemütlicher. Das Feuer krachte und zischte, zerstreute das unfruchtbare Schweigen und warf orangefarbene Flammenzungen über die harzigen Feuerscheite, um die naßkalte Luft mit dem prickelnden Geruch von Kiefern zu füllen. Ein warmes Lampenglühen machte das unangenehme Tageslicht weicher und vergoldete den silbernen Teller mit Brot und Früchten, der auf dem Tisch stand. Der Erzmagusch wandte sich dem Essen zu, das er für seine Rückkehr von einer Reise jenseits seines Körpers stets in seinen Gemächern bereithielt. Er schenkte sich Wein ein und bemerkte mit einer Spur Gereiztheit, daß die Flasche beinahe leer war. Solange Elewin noch hier gewesen war, hatte es so etwas nicht gegeben. Aber der Haushof meister war weg, rief er sich verbittert in Erinnerung; er hatte sich, genauso wie Aurian, als Verräter erwiesen.

Aurian! Mathian fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, als er daran dachte, wie sie vor ihm zu Boden gefallen war, um sich unter den Schmerzen, die er ihr verursacht hatte, zu winden. Wenn er sie wieder in seiner Gewalt hatte, würde er sie die wahre Bedeutung von Schmerz lehren! Sobald er sie seinem Willen unterworfen hatte, würde er sie sich nehmen – und endlich hatte er die Mittel dazu … Miathan lächelte bei sich und schickte einen geistigen Ruf aus, um Eliseth herbeizuzitieren. Er haßte es, sie in sein Vertrauen ziehen zu müssen, aber es gab da einige Dinge, die sie wissen mußte.

Eliseth war in den Archiven, als sie den Ruf des Erzmagusch hörte. Sie fluchte und schob sich das Haar mit einer staubgeschwärzten Hand aus dem Gesicht. Was wollte der alte Narr jetzt schon wieder? Seit dieser Parasit Elewin verschwunden war, schien Miathan zu glauben, daß sie nichts Besseres zu tun hatte, als ihn von hinten bis vorne zu bedienen. Und war er vielleicht dankbar? Kein bißchen – und das, obwohl sie eine Heilung für seine Blindheit gefunden hatte. Nur sie hatte daran gedacht, in den vermodernden Unterlagen, die unterhalb der Bibliothek aufbewahrt wurden, nach Antworten zu suchen, nachdem die Flucht von Meiriel und Elewin ihre Aufmerksamkeit auf Finbarrs vernachlässigte Katakomben gelenkt hatte. Bragar war natürlich zu dumm, um auf den Gedanken zu kommen, sich die uralte Weisheit, die dort lagerte, zunutze zu machen, aber Eliseth hatte begriffen, daß alles Wissen, das sie dort fand, ihr einen Vorteil verschaffen würde – nicht nur Bragar, sondern auch Miathan gegenüber.

Eliseths Suche in den kalten, schmutzigen Tunneln war alles andere als erfreulich gewesen, aber die Ergebnisse hatten sie für die Unbequemlichkeiten mehr als entschädigt. Während sie nach einer Möglichkeit geforscht hatte, Miathans Augenlicht wiederherzustellen, hatte sie noch viele andere Dinge entdeckt – dunkle und geheimnisvolle Lehren, die noch auf die Zeit vor der Verheerung zurückgingen. Dinge, von denen der Erzmagusch keine Ahnung hatte – und sie hatte nicht die Absicht, ihn darüber aufzuklären. Sie hatte keine Lösung für das Problem der Todesgeister gefunden, aber sie hatte eine Menge Informationen bezüglich des Kessels ausgegraben, und sie würde nun besseren Nutzen aus ihm ziehen können als Miathan. Sie brauchte nur herauszufinden, wo der alte Tattergreis ihn versteckt hatte … Eliseth lächelte, als sie sich daranmachte, der Aufforderung des Erzmagusch zu folgen. In seiner Gedankenstimme hatte großer Triumph mitgeschwungen, und sie war neugierig, herauszufinden, was er vorhatte und wie es zu ihren eigenen Plänen passen würde.

Sie hörte ungläubig zu, als der Erzmagusch ihr erzählte, wie er die Gegenwart von Aurian zwischen den Welten gespürt und sie und Anvar bis zum Brunnen der Seelen verfolgt hatte. Die Existenz eines weiteren Magusch war ein beträchtlicher Schock für Eliseth. »Aurians Diener? Einer von uns?« keuchte sie. »Hast du davon gewußt?«

»Nein.« Miathan schüttelte den Kopf, aber sie wußte, daß er log. »Ich hatte einen gewissen Verdacht«, sagte er. »Ich wußte, daß sie von irgendwoher Hilfe bekommen haben mußte. Aber ich habe es kaum für erwähnenswert gehalten – die Sache schien einfach zu weit hergeholt.«

»Das ist eine Untertreibung! Wie konnte er hier in der Akademie sein, ohne daß wir davon wußten? Wo kommt er überhaupt her? Wer waren seine Eltern?«

Miathan zuckte mit den Schultern, und seine Stimme klang verdächtig gleichgültig. »Wer kann das sagen? Er kam als Sterblicher zu uns, als Sohn eines Bäckers, aber es scheint, als wäre sein wirklicher Vater aus einem anderen Holz geschnitzt gewesen. Anvar ist ein Bastard – ein Halbblut mit einer sterblichen Mutter –, aber was die Frage angeht, wer von den Magusch ihn gezeugt hat …« Er zuckte abermals mit den Schultern, ein Bild reiner Unschuld.

Eliseths Augen wurden schmal. Das ist zu glatt, dachte sie. Und du weißt zuviel. Nun, das ist eine Überraschung! Der große Erzmagusch, wie der Rest von uns allen ganz versessen darauf, eine Sterbliche zu seinem Vergnügen zu benutzen! Aber so unvorsichtig zu sein, ein Kind zu zeugen – kein Wunder, daß du dich über Aurians Schwangerschaft aufgeregt hast! Aber im Augenblick hatte sie keine Zeit, darüber nachzudenken, welchen Vorteil ihr das bringen mochte. Sie wandte sich wieder an Miathan, bevor er spüren konnte, in welche Richtung ihre Gedanken gingen. »Und was hat uns das gebracht? Ich verstehe dich nicht, Erzmagusch. Warum hast du sie nicht getötet und die Sache ein für allemal erledigt?«

Miathans Faust fuhr krachend auf den Tisch. »Wie viele Male habe ich es dir schon gesagt – ich will Aurian lebendig!«

Eliseth schluckte ihren Zorn herunter. Trotz allem, was diese Hündin ihm angetan hat, wollte er sie immer noch. Aber sie verbarg ihre Wut und griff nach der Waffe des gesunden Menschenverstandes. »Bei allem Respekt, Erzmagusch, du verlangst das Unmögliche. Aurian ist zu weit von uns entfernt, um sie einzufangen, und wenn du abwartest, bis sie herkommt – nun, du hast selbst gesagt, daß dieses Risiko zu groß ist. Und wird sie, solange sie lebt, nicht immer eine Bedrohung für uns sein?«

»Ihrer Starrköpfigkeit wird ein Ende bereitet werden.« Die Juwelen in Miathans Augen flackerten rot auf und zeigten seinen Zorn. »Außerdem«, fuhr er mit einem frostigen Lächeln fort, »ist Aurians Gefangennahme bereits in die Wege geleitet. Sie und Anvar waren nicht die einzigen, deren Geist ich in den Südländern aufgesucht habe. Ich habe jemanden gefunden, der sich wegen seiner eigenen Ziele problemlos meinem Willen beugen wird.«

»Was?« Eliseth war entsetzt. Sie hatte die Entwicklung von Miathans neuen Kräften schlimm unterschätzt, wenn er jetzt bereits die Gedanken von Sterblichen mit solchem Selbstbewußtsein kontrollieren konnte.

»Unser Experiment mit den Menschenopfern hat schneller Früchte getragen, als ich erwartet hatte.« Miathan lenkte ihre Aufmerksamkeit wieder auf sich. »Wir können auf alle Fälle Fortschritte machen, Eliseth – aber ich brauchte mehr Kraft, um meine Schachfigur aus dem Südland fest an die Kandare zu nehmen. Sag Angos, daß wir heute abend noch mehr Sterbliche benötigen werden.«

»Aber Erzmagusch«, protestierte Eliseth, »es gibt bereits beträchtliche Unruhe bezüglich dieser ›Vermißten‹. Wir müssen vorsichtiger sein.«

»Du hast deine Befehle! Sag Angos, er soll auf der Stelle weitermachen.« Miathans Facettenaugen glitzerten. »Ich wünschte nur, ich hätte das hier schon früher gewußt. Mit der Macht, die wir durch das rituelle Vergießen des Blutes Sterblicher erlangen, ist uns nichts unmöglich. Und ich brauche diese Macht, Eliseth. Aurian ist im Augenblick in der südlichen Wüste – aber wenn sie diese verläßt, habe ich eine Überraschung für sie. Sie wird dann herausfinden, was es heißt, dem Erzmagusch trotzen zu wollen!«