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»Wir sollten uns besser beeilen.« Idris, der wettergegerbte Schiffskapitän mit dem abgehärmten Gesicht, sollte sie nach Süden bringen und grüßte sie nun vom Deck seines Bootes. »Die Flut wird nicht warten, wißt ihr.« Parric grinste und bedachte ihn mit einer obszönen Geste, bevor er sich wieder an Vannor wandte.

Der Kaufmann sah besorgt aus, wie er es seit dem Augenblick getan hatte, als der Kavalleriehauptmann ihn zum ersten Mal mit dem konfrontiert hatte, was er seinen ›verrückten Plan‹ nannte. Parric beschloß, ihm zuvorzukommen, denn er hatte keine Zeit, noch einmal die ganze Sache durchzukauen. »Es ist schon gut, Vannor«, sagte er mit fester Stimme. »Du kommst zurecht, und ich komme zurecht – und ich komme sofort wieder, wenn ich Aurian gefunden habe.«

»Falls du sie findest«, murmelte Vannor zweifelnd. »Du hast ja keine Vorstellung, wie groß die Südlichen Königreiche sind – ganz zu schweigen von der feindlichen, kriegerischen Natur der Südländer selbst!«

»Aber das ist doch gerade der Grund, warum Aurian meine Hilfe braucht.« Parric hätte sich seine Worte ebensogut sparen können.

»Hinzu kommt noch, daß du dich mit einem alten Mann und einer verrückten Magusch belastet hast«, fuhr Vannor fort. Aber zu Parrics Erleichterung schloß er hastig den Mund, als der alte Mann und die verrückte Magusch zusammen mit Sangra, die sich nicht von der Expedition hatte ausschließen lassen, über den Strand kamen.

»Fertig zum Abmarsch?« fragte die Kriegerin fröhlich. Parric hätte sie küssen können, aber das mußte warten.

»Bring sie an Bord, Schätzchen«, sagte er zu ihr. »Ich komme sofort.« Er wandte sich noch einmal an Vannor. »Du hast in einer Hinsicht recht – ich wünschte, wir könnten Elewin dazu überreden, hierzubleiben. Die Reise hierher hat ihn ans Ende seiner Kraft gebracht, und er ist wirklich nicht in der Verfassung für eine Vergnügungsreise in den Süden.«

Vannor zuckte mit den Schultern. »Meiriel wird in guter Gesellschaft sein – ihr seid alle verrückt! Ich weiß nicht warum Elewin so sicher ist, daß er der einzige ist, der sich um sie kümmern kann – sie war doch, seit sie mit uns zusammen ist, vollkommen klar.« Plötzlich ging seine schroffe Zurückhaltung in die Brüche, und er umarmte Parric. »Ich werde dich vermissen, du Idiot«, murmelte er. »Paß auf dich auf und – um aller Götter willen – komm mir sicher zurück.«

»Ganz bestimmt.« Parric erwiderte die Umarmung, und in seiner eigenen Stimme schwang mehr Gefühl mit als gewöhnlich. »Und keine Angst, was das Kommando über die Soldaten betrifft, Vannor – sie verstehen ihr Geschäft, und sie werden dich nach Kräften unterstützen. Außerdem, wenn du erst einmal Eilin gefunden hast, wird sie dir alle Hilfe geben, die du brauchst. Und ich bin wieder da, noch bevor du richtig tief Luft geholt hast – und was noch wichtiger ist, ich werde dir deine Frau mitbringen.«

»Das hoffe ich, Parric – das hoffe ich wirklich.«

Am folgenden Abend stand Vannor mit Dulsina und Zanna auf dem grasigen Hügel, während die bleiche Sonne über den Hügeln hinter ihnen unterging. Die Luft war kühl – das unnatürliche und unzeitgemäße Winterwetter wollte dieses Jahr überhaupt nicht mehr weichen –, aber der Blick war prachtvoll. Unten und zu seiner Rechten zog sich der bleiche, halbmondförmige Strand dahin. Er lag still im Schoß der Klippen und wurde umspielt von der ruhigen, leuchtenden See. Eine halbe Wegstunde weiter auf der gegenüberliegenden Spitze des Halbmonds erhob sich ein grüner Hügel, den ein gewaltiger, finsterer, stehender Stein krönte. Direkt zu den Füßen des Händlers verbarg eine V-förmige Nische einen schmalen, ungesicherten Pfad, der die Klippe hinunterführte. Abgesehen von dem geheimen Tunnel für die Pferde war dieser gefährliche, gut bewachte Felsvorsprung der einzige Landzugang zu dem Versteck der Schmuggler.

»Hast du irgendwelche Bedenken?« Yanis kam näher und keuchte noch von seinem Marsch den steilen Pfad hinauf. »Die solltest du auch haben«, fuhr der Schmuggler fort. »Warum bringst du deine Leute landeinwärts, Vannor? Hier ist es viel sicherer, und du bist hier herzlich willkommen. Deinen Kindern bricht es fast das Herz, daß du sie wieder verläßt.«

»Genau das habe ich ihm auch gesagt«, warf Dulsina ein. Der Kaufmann seufzte. »Dieser Ort nützt uns gar nichts als Kampfbasis. Dulsina – wie du sehr wohl weißt. All diese Einwände erhebst du doch nur, weil ich dich nicht mitnehmen wollte.«

Dulsina zuckte mit den Schultern und hob eine Augenbraue. »Dein Fehler, Vannor«, sagte sie mit ernster Stimme. Vannor warf ihr einen düsteren Blick zu und wünschte, sie würden ihn endlich alle in Ruhe lassen. Es war schlimm genug, sich wieder von seinen Kindern trennen zu müssen. Sie waren jetzt alles, was er noch hatte. Unsinn sagte er sich. Sarah ist bei Aurian, und es wird ihr gutgehen. Und Parric hat versprochen, sie mir zurückzubringen. Vannor haßte es, sich eingestehen zu müssen, daß das der eigentliche Grund war, warum er es zugelassen hatte, sich von dem Kavalleriehauptmann zu dessen verrücktem Plan überreden zu lassen.

»Wie dem auch sei, Yanis«, griff er den Faden des Gesprächs wieder auf, »es sind meine Kinder und deine Leute, an die ich denke. Sie werden sicherer sein, wenn wir nicht hier sind.«

»Aber das Tal hat jetzt einen ganz schlechten Ruf«, protestierte Yanis. »Es heißt, der Magusch Davorshan sei dort getötet worden.«

»Das ist auch genau der Grund, warum ich hingehe. Davorshans Tod war kein Unfall, da bin ich mir sicher. Nach dem, was Aurian und Forral widerfahren ist, wird die Lady vom See uns beschützen – da kannst du sicher sein.«

»Aber das Risiko liegt eindeutig in dem Weg dorthin! Angos durchkämmt das Land auf der Suche nach euch.«

»Wir werden vorsichtig sein, und das Tal ist eine weit bessere Basis für uns – viel zentraler und näher bei der Stadt.«

»Aber das ist genau das, was mir Sorgen macht«, sagte Yanis düster. »Nun, ich werde euch jetzt gehen lassen. Wenn wir irgendwelche Neuigkeiten von Parric im Süden hören, werde ich versuchen, euch einen Boten zu schicken. Die Götter mögen mit dir gehen, mein Freund, und keine Angst – ich kümmere mich um deine Kinder.«

»Lebe wohl, Yanis – und vielen Dank für alles, was du für mich getan hast«, sagte Vannor und überlegte, daß im Falle eines seiner Kinder die Sache wohl genau andersherum laufen würde.

»Kümmere du dich um dich selbst«, sagte Dulsina zu dem Kaufmann. »Da ich ja nicht dasein werde, um es für dich zu tun«, fügte sie spitz hinzu.

»Leb wohl, Dulsina.« Vannor umarmte sie. »Und kümmere dich für mich um Zanna, ja?«

»Als könnte Zanna sich nicht um sich selber kümmern«, schnaubte die Haushälterin. »Es seid ihr idiotischen Männer, die mir Sorgen machen!« Mit diesen Worten ließ sie ihn allein, damit er sich von Zanna verabschieden konnte. Aber es bestand kaum die Notwendigkeit für Worte zwischen Vater und Tochter. Sie hatten einander bereits alles gesagt.

»Wage es ja nicht, deinen Schmuggler zu heiraten, bevor ich zurückkomme!« neckte er sie schroff. »Das ist eine Hochzeit, die ich nicht verpassen möchte!«

Zanna umarmte ihn. »Dann solltest du dich besser ein bißchen beeilen, Vater.« Sie zwinkerte ihm durch ihre Tränen hindurch zu. »Ich habe nicht die Absicht, für immer zu warten, weißt du.« Einen langen Augenblick sahen sie einander an. Zanna biß sich auf die Lippen, und ihre Arme schlössen sich fester um ihn. »Leb wohl, Papa.« Sie wirbelte herum und war plötzlich verschwunden.

Der Kaufmann wandte sich ab und ging zu seinen wartenden Rebellen hinüber. Vielleicht war es die Verwirrung des Abschieds, aber es fiel ihm nicht auf, daß ein Mann fehlte.

Sobald Vannors Truppe hinter dem nächsten Hügel verschwunden war, teilte sich der Stechginster, der den Tunnel der Pferde verdeckte. Zanna tauchte auf, gefolgt von Dulsina in Kriegerkleidung und dem ergrauten Hargorn, der zwei Pakete bei sich trug. Er sah sie an und schüttelte den Kopf. »Die Götter mögen wissen, warum ich mich von euch dazu habe überreden lassen.« Er seufzte. »Vannor wird mir die Eier abschneiden – oh, ich bitte um Entschuldigung«, fügte er hastig hinzu, als er einen kalten Blick von Dulsina auffing.