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Wie in vielen Rennsporthaushalten spielte sich ein großer Teil des Lebens in der Küche ab, die in Hollys und Bobbys Fall typischerweise mit einem langen Eßtisch und einer Reihe bequemer Stühle ausgestattet war. Ein freundlicher Raum mit viel hellem Kiefernholz, warm beleuchtet und einladend. Als Bobby und ich vom Hof hereinkamen, rührte Holly gerade Eier in einer Schüssel, und gehackte Zwiebeln und grüner Paprika brieten in einer großen Pfanne.

»Riecht gut«, sagte ich.

»Ich habe einen Mordshunger.« Sie goß das Ei über die Zwiebeln und den Paprika. »Ihr bestimmt auch.«

Wir aßen das Omelett mit frischem französischem Brot und Wein und sprachen über nichts Besonderes, bis wir fertig waren.

Als sie dann Kaffee kochte, fragte Holly: »Wie hast du Jermyn Graves dazu gekriegt, daß er abhaut?«

»Jermyn? So heißt der Mann? Ich sagte ihm, wenn er den Scheck sperren läßt, bringt Bobby ihn auf die Zahlungsverzugsliste.«

»Und glaub nicht, daß ich daran nicht schon gedacht habe«, warf Bobby ein. »Aber natürlich ist das aus unserer Sicht ein glatter Verlust.«

Ich nickte. Der Jockey-Club würde davon absehen, einen Besitzer auf die Schuldnerliste zu setzen, wenn er (oder sie) alle Trainingsgebühren, die seit drei oder mehr Monaten fällig waren, bezahlte. So ging zwar von der Liste ein gewisser Druck aus, doch erstreckte er sich nur auf die Trainingspauschale und weder auf Arzt- und Hufschmiederechnungen noch auf die Ausgaben für den Transport der Pferde zu den Rennen. Bobby hatte all das für Graves’ Pferde schon vorlegen müssen, und dadurch, daß er den Besitzer auf die Schuldnerliste brachte, würden die entstandenen Kosten nicht gedeckt.

»Warum hat er es so eilig, seine Pferde abzuholen?« fragte ich.

»Er benutzt unsere Probleme nur als Vorwand«, sagte Holly.

Bobby nickte. »Etwas Ähnliches hat er sich bei mindestens zwei anderen Trainern schon geleistet. Beide sind jung und versuchen, sich was aufzubauen, wie wir auch. Er läßt dicke Rechnungen auflaufen, und eines Tages kommt der Trainer dann nach Hause und stellt fest, daß die Pferde weg sind. Anschließend zahlt Graves gerade die Trainingsgebühren, um der Schuldnerliste zu entgehen, und der Trainer hat keine Pferde mehr als Sicherheit. Er müßte schon die Kosten und Schwierigkeiten eines Gerichtsverfahrens auf sich nehmen, um sein Geld zu kriegen. Der Aufwand lohnt selten, und Graves ist fein raus.«

»Warum habt ihr dann seine Pferde überhaupt genommen?« sagte ich.

»Damals wußten wir noch nichts über ihn«, erwiderte Holly düster. »Und man jagt doch nicht gerade Leute weg, die einem zwei Pferde anbieten, oder?«

»Nein«, gab ich zu.

»Trotzdem«, meinte Holly, »Jermyn ist nur eine Enttäuschung mehr. Das schlimmste ist der Futterhändler.«

»Gebt ihm den Scheck von Graves«, sagte ich.

Holly schien angetan, doch Bobby war skeptisch: »Unser Buchhalter hat es nicht gern, wenn wir so was machen.«

»Klar, aber euer Buchhalter hat auch nicht dreißig hungrige Pferde vor der Haustür, die ihn vorwurfsvoll anstarren.«

»Neunundzwanzig genau«, sagte Holly.

»Siebenundzwanzig«, seufzte Bobby, »wenn die von Graves weg sind.« »Schließt das die drei unverkauften Jährlinge mit ein?« fragte ich.

»Ja.«

Ich rieb mir die Nase. Vierundzwanzig zahlende Insassen stellten im Grunde eine ganz lebensfähige Sache dar, auch wenn es zu Zeiten seines Großvaters eher vierzig gewesen waren. Außerdem traten sie gerade ihre jährliche Ruhepause an (da Bobby nur Flachpferde trainierte) und würden nicht mehr die erhöhten Kosten der Saison verursachen.

Umgekehrt konnten sie bis zum kommenden März keine Rennpreise gewinnen, würden andererseits aber auch keine Wettverluste bringen.

Der Winter war in Flachrennställen die Zeit des Ausgleichs, der Erholung, des Aufmöbelns; und die Zeit für das Zureiten der Jährlinge, ob verkauft oder nicht.

»Wieviel Schulden habt ihr, abgesehen von den unverkauften Jungtieren?« fragte ich.

Ich hätte nicht geglaubt, daß Bobby es mir sagen würde, aber nach einem Zögern nannte er widerstrebend die Summe.

Ich zuckte zusammen.

»Aber wir können alles bezahlen«, sagte Holly. »Nach und nach. Wir schaffen es immer.«

Bobby nickte.

»Und das mit den Jährlingen ist so unfair«, empörte sich meine Schwester. »Einer unserer Besitzer wollte, daß Bobby bis fünfzigtausend raufgeht, um einen bestimmten Hengst zu bekommen, und Bobby kriegte ihn, und jetzt hat der Besitzer angerufen, daß es ihm sehr leid tut, er ihn sich aber nicht leisten kann; er hätte einfach nicht das Geld. Und wenn wir ihn auf die nächste Auktion geben, machen wir einen Verlust. Ist doch immer so. Die Leute werden denken, es stimmt was nicht mit ihm.«

»Ich kann ihn wahrscheinlich an ein Konsortium loswerden«, sagte Bobby. »Zu zwölf gleichen Anteilen. Aber das dauert seine Zeit.«

»Na ja«, sagte ich. »Zeit wird die Bank dir ja wohl geben.«

»Der Banker ist nervös wegen dieser verdammten Zeitung.«

»Hat sie ihm auch jemand gebracht?« fragte ich.

Holly sagte düster: »Irgend jemand.«

Ich teilte Bobby die Ansicht Lord Vaughnleys mit, daß der Informant der Flag jemand aus dem Ort sein könnte, der einen Groll hegte.

»Ja, aber wer?« sagte Bobby. »Wir haben eigentlich doch keine Feinde.« Er warf mir einen Seitenblick zu, der eindeutig von Humor geprägt war. »Früher wäre es ein Fielding gewesen.«

»Nur zu wahr.«

»Großvater!« sagte Holly. »Der kann’s doch nicht sein, oder? Er hat mir zwar nie verziehen, aber so was ... das täte er doch wohl kaum?«

Wir dachten an den starrsinnigen alten Griesgram, der eine halbe Meile entfernt immer noch einen Hof voller Pferde trainierte und jeden Morgen auf der Heide seine glücklosen Burschen anbrüllte. Er war auch mit zweiundachtzig noch ein drahtiger, vitaler, gewiefter Ränkeschmied, der nichts so sehr bedauerte wie das Ableben von Bobbys Großvater, da er ihn nun nicht mehr reinlegen konnte.

Es traf zu, daß Großvater Fielding über die undenkbare Heirat ebenso empört gewesen war wie Großvater Allardeck, aber der Mann, bei dem wir aufgewachsen waren, hatte uns auf seine unwirsche Art geliebt, und ich konnte nicht glauben, daß er wirklich versuchen würde, die Zukunft seiner Enkeltochter zu zerstören. Es sei denn, er wurde auf seine alten Tage bösartig, wie es mitunter leider vorkam.

»Ich geh und frag ihn«, sagte ich.

»Heute noch?« Holly blickte auf die Uhr. »Er wird im Bett sein. Er geht so zeitig.«

»Morgen früh.«

»Ich möchte nicht, daß er es ist«, sagte Holly.

»Ich auch nicht.«

Wir saßen eine Weile beim Kaffee, und schließlich sagte ich: »Macht eine Liste von allen Leuten, von denen ihr wißt, daß ihnen die Flag mit dem markierten Abschnitt ins Haus geliefert worden ist. Ich suche dann morgen einige von ihnen auf. Alle, die sonntags erreichbar sind.«

»Wozu?« sagte Bobby. »Die lassen sich nicht umstimmen. Ich hab’s versucht. Sie sagen nur, daß sie augenblicklich ihr Geld wollen. Die Leute glauben, was in der Zeitung steht. Selbst wenn es lauter Lügen sind, glauben sie dran.«

»Mm«, sagte ich. »Aber ich werde ihnen nicht nur noch mal sagen, daß sie ihr Geld bekommen, sondern werde sie fragen, ob einer gesehen hat, wie die Zeitung gebracht worden ist. Mich erkundigen, um welche Zeit sie kam. Mir ein Bild von den eigentlichen Vorgängen verschaffen.«

»In Ordnung«, sagte Holly. »Wir stellen die Liste auf.«

»Und danach«, sagte ich, »knobelt mal aus, wer gewußt haben kann, mit wem ihr geschäftlich verkehrt. Wer diese Liste geschrieben haben könnte. Es sei denn«, überlegte ich, »daß soundso viel anderen Leuten, denen ihr kein Geld schuldet, die Zeitung auch gebracht worden wäre.«