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Ich fuhr zu der größten Zeitschriftenhandlung zurück und fragte, wann die Jungen frühestens aufbrachen.

»Die Zeitungen kommen hier um sechs mit dem Transporter an. Wir sortieren sie zum Austragen, und die Jungen radeln noch vor halb sieben los.«

»Schönen Dank«, sagte ich.

Ein Nicken. »Gern geschehen.«

Beunruhigt über die Heimlichkeit und Gründlichkeit des Unternehmens fuhr ich schließlich zu dem Haus meines Großvaters, in dem ich aufgewachsen war - ein großes Backsteingehöft mit Giebeln wie drollig verzogene Augenbrauen, die auf einen stachel drahtverstärkten Grundstückszaun herunterschauten.

Der Hof war verlassen, als ich ankam, alle Pferde in ihren Boxen, die oberen Türflügel wegen der Kälte geschlossen. Einen Tag nach dem Ablauf der Flachrennsaison ging niemand auf die Heide, um den Tieren ihren Galopp zu geben. Der Winterschlaf, den mein Großvater haßte, hatte schon eingesetzt.

Ich fand ihn in seinem Stallungsbüro, wo er voller Konzentration Briefe auf der Maschine tippte; vermutlich, weil ihm wieder eine geplagte Sekretärin davongelaufen war.

»Kit!« sagte er, kurz aufblickend. »Ich wußte nicht, daß du kommst. Setz dich. Trink was.« Er winkte mit der dürren Hand.

»Ich brauch nicht lange. Verdammte Sekretärin hat mich sitzenlassen. Grundlos, völlig grundlos.«

Ich setzte mich und sah zu, wie er doppelt so fest als nötig in die Tasten hämmerte, und empfand die gewohnte, etwas reizbare Zuneigung für ihn und die gleiche alte Bewunderung.

Er liebte Pferde mehr als alles andere. Großmutter hatte er am zweitmeisten geliebt, und in dem Winter, als sie starb, war er eine Zeitlang sehr schweigsam geworden, das Haus unheimlich still nach den Jahren, die sie damit verbracht hatten, sich gegenseitig anzuschnauzen. Innerhalb weniger Monate war er dazu übergegangen, ersatzweise Holly und mich anzuschreien, und später, als wir fort waren, die Sekretärinnen. Er wollte nicht unfreundlich sein. Als Perfektionist in einer unvollkommenen Welt regte er sich über kleine Fehler auf, das heißt, die meiste Zeit.

Seine Schreibarbeit war fertig. Er stand auf, ebenso groß wie ich, mit weißen Haaren, geradem Rücken; gepflegt in Hemd, Schlips und vorzüglich geschnittener Tweedjacke.

Nachlässig war mein Großvater in der Kleidung sowenig wie in seinen Gewohnheiten oder Manieren, und wenn er von Natur aus zwanghaft war, so war es wahrscheinlich gerade dieser Wesenszug, der ihm fast sechzig Jahre lang beachtlichen Erfolg eingetragen hatte.

»Es ist Käse da«, sagte er, »zum Lunch. Bleibst du über Nacht?«

»Ich, ehm, ich bin bei Holly.«

Er preßte den Mund zusammen. »Dein Platz ist hier.«

»Ich wünschte, du würdest dich mit ihr vertragen.«

»Ich rede jetzt mit ihr«, sagte er, »und das ist mehr, als zwischen diesem arroganten Maynard und seiner Ratte von Sohn stattfindet. Sie kommt manchmal nachmittags her. Bringt mir Eintopf und andere Sachen. Aber ihn dulde ich hier nicht, und ich geh’ da nicht hin, also verlang es nicht.« Er tätschelte mir den Arm, größtes Zeichen seiner Anerkennung. »Du und ich, wir verstehen uns doch, hm? Das genügt.«

Er führte mich ins Eßzimmer, wo zwei Tabletts auf dem Tisch standen, jedes mit einem Tuch bedeckt. Er nahm das eine Tuch weg, und ein sorgsam arrangierter Lunch für eine Person kam zum Vorschein: Käse, Kekse unter Folie, Butterwürfel, eine Schale Chutney, eine Banane und ein Apfel, dazu ein silbernes Obstmesser. Das andere Tablett war fürs Abendbrot.

»Neue Haushälterin«, sagte er knapp. »Sehr gut.«

Möge sie lange erhalten bleiben, dachte ich. Ich entfernte die Folie, holte ein zweites Gedeck, und auch ohne höfliche Zurückhaltung hätte es für uns beide gereicht, da er wegen des Alters und ich aus Notwendigkeit nur wenig aß.

Ich erzählte ihm von dem Artikel in der Flag und erkannte sofort erleichtert, daß er nichts damit zu tun hatte.

»Gemein«, sagte er. »Wohlgemerkt, mein alter Vater hätte so etwas fertiggebracht, wenn er darauf gekommen wäre. Ich selber vielleicht auch«, kicherte er, »früher mal. Bei Allardeck.«

Allardeck, das war für Großvater der Großvater von Bobby, Maynards Vater, der unliebsame Verstorbene. Großvater hatte ihn meines Wissens immer nur schlicht Allardeck genannt.

»Nicht bei Holly«, sagte mein Großvater. »Holly könnte ich das nicht antun. Es wäre nicht fair.«

»Nein.«

Er sah mich forschend an. »Dachte sie, ich würde dahinterstecken?«

»Sie sagte, das könnte nicht sein, und sie hoffte sehr, daß du’s nicht warst.«

Er nickte befriedigt und ohne gekränkt zu sein. »Ganz richtig. Die kleine Holly. Ich ahne nicht, was in sie gefahren ist, daß sie diese kleine Ratte geheiratet hat.«

»Er ist nicht so übel«, sagte ich.

»Er ist wie Allardeck. Ganz genau so. Hat übers ganze Gesicht gegrinst, als sein Pferd vor zwei Wochen in Kempton meines schlug.«

»Aber du hast keinen Protest eingelegt, fiel mir auf.«

»Konnte ich nicht. Keine Gründe. Nicht gerempelt, nicht behindert, nicht abgedrängt. Sein Pferd siegte mit drei Längen.« Er war angewidert. »Warst du da? Ich hab dich nicht gesehen.«

»Ich las es in der Zeitung.«

»Hm.« Er wählte die Banane. Ich nahm den Apfel. »Gestern hab ich am Bildschirm verfolgt, wie du den Town-crier gewonnen hast. Elender Gaul, voller Haß. Man konnte es sehen.«

»Mm.«

»Es gibt auch Menschen, die so sind«, bemerkte er. »Randvoll mit Fähigkeiten und zu verdreht, um irgendwas zu bringen.«

»Er hat gesiegt«, hob ich hervor.

»Grad so. Dein Verdienst. Und widersprich mir jetzt nicht, denn es ist mir ein Vergnügen, dich reiten zu sehen. Es gab noch nie einen Allardeck, der dir das Wasser reichen konnte.«

»Und das hast du wohl auch Allardeck gesagt?«

»Ja, natürlich. Hat ihn schwer gefuchst.« Großvater seufzte.

»Es ist nicht mehr dasselbe, seit er fort ist. Ich dachte, ich wäre froh, aber mein Leben hat doch etwas an Witz verloren. Er guckte immer so schön sauer, wenn ich ihn ausgestochen hatte. Einmal hab ich erreicht, daß sein Pferd nicht im Saint Leger starten durfte, weil ich von meinen Spionen wußte, daß es grindig war. Hab ich dir das mal erzählt? An dem Tag hätte er mich umgebracht, wenn er gekonnt hätte. Aber er hatte mir eine leichtgläubige Besitzerin abgelistet - ihr weisgemacht, ich gäbe ihre Pferde niemals dahin, wo sie siegen könnten. Unter ihm gewannen sie dann auch nicht, was ich ihn nie vergessen ließ.« Er schnitt die geschälte Banane in feine Scheiben und saß da und schaute sie an. »Maynard nun«, sagte er, »Maynard haßt mich auch wie die Pest, aber er ist den Boden nicht wert, auf dem Allardeck gestanden hat. Ein machthungriger Ichmensch ist er trotzdem, aber er ist auch ein Radfahrer, was sein Vater, bei allen Fehlern, nie gewesen ist.«

»Was heißt Radfahrer?«

»Ein Tyrann gegenüber den Schwachen, ein Kriecher gegenüber den Starken. Maynard ist eine Leiter nach der anderen hochgekrochen und hat alle Leute, an denen er vorbeikam, zertrampelt. Er war ein abscheuliches Kind. Schleimig. Einmal besaß er die Stirn und kam auf der Heide zu mir, um zu verkünden, wenn er groß wäre, würde er ein Lord, weil ich mich dann vor ihm verbeugen müßte und alle anderen auch.«

»Tatsächlich?«

»Er war noch recht klein. Acht oder neun. Ich sagte ihm, er sei widerwärtig, und haute ihm eine runter. Natürlich petzte er bei seinem Vater, und Allardeck schrieb mir einen scharfen Beschwerdebrief. Lang, lang ist’s her.« Er aß ohne Begeisterung eine Bananenscheibe. »Aber diesen Wunsch, daß sich Leute vor ihm verbeugen, den hat er immer noch, würde ich meinen. Warum übernimmt er sonst die ganzen Firmen?«

»Um zu gewinnen«, sagte ich. »Wie du und ich gewinnen wollen, wenn wir können.«