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»Inwiefern ist sie anders?«

Er blickte mir ins Gesicht und gelangte offenbar zu dem Schluß, daß er ruhig antworten könne. »Du«, sagte er, »bist stark. Ich meine geistig, nicht nur an Körperkraft. Das kann keinem, der sich näher mit dir unterhalten hat, entgehen. Es macht dich ... ich weiß nicht ... irgendwie merken es die Leute, wenn du da bist, sei es im Waageraum oder sonstwo. Die Leute wissen, ob du an einem bestimmten Renntag teilgenommen hast oder an einer Party, auch wenn du es nicht darauf anlegst. Wahrscheinlich drücke ich mich nicht klar aus. Es ist aber das, was dich zum Champion-Jockey gemacht hat, glaube ich, und es ist voll und ganz Fielding. Nun, Holly ist nicht so. Sie ist sanft und ruhig, und sie hat keinen Funken Aggressivität oder Ehrgeiz; sie will nicht losgehen und die Welt zu Pferd besiegen, also ist sie im Innersten eigentlich keine Fielding.«

»Mm.« Es war mehr ein trockener Laut aus der Kehle als ein Wort. Bobby warf mir erneut einen raschen Blick zu. »Geht in Ordnung«, sagte ich. »Ich bekenne mich meines Erbes schuldig, und ich spreche sie auch davon frei. Aber Ehrgeiz hat sie.«

»Nein.« Er schüttelte entschieden den Kopf.

»Sie hat dich«, sagte ich. »Sie möchte, daß du bleibenden Erfolg hast. Daß ihr beide ihn habt. Als Beweis, daß es richtig von euch war zu heiraten.«

Er blieb mit der Hand am Knauf der Tür stehen, die vom Hof in die Küche führte. »Du warst dagegen, wie alle anderen auch.«

»Ja, aus verschiedenen Gründen. Aber jetzt nicht mehr.«

»Auch nicht am Tag der Trauung«, lenkte er ein. »Du warst der einzige, der erschien.«

»Sie konnte ja nicht gut allein zum Altar gehen, oder? Irgend jemand mußte sie begleiten.«

Er lächelte so instinktiv, wie er vorhin seinen Haß geäußert hatte.

»Ein Fielding überläßt einem Allardeck eine Fielding«, sagte er. »Ich habe damals auf ein Erdbeben gewartet.«

Er öffnete die Tür, und wir gingen hinein. Holly, die uns miteinander verband, hatte das Kaminfeuer im Wohnzimmer angezündet und gab sich bewußt fröhlich.

Wir setzten uns in Sessel, und ich berichtete ihnen von meinen Vormittagsausflügen und versicherte ihnen auch, daß Großvater nicht in die Geschichte verwickelt war.

»Die gekennzeichneten Exemplare der Flag lagen spätestens um sechs bei den Leuten auf der Matte«, sagte ich, »und sie kamen von außerhalb, nicht aus Newmarket. Ich weiß nicht, wann die Zeitungen in Cambridge in die Läden kommen, aber wesentlich früher als um fünf wohl kaum. Da hätte einer nicht viel Zeit gehabt, in Cambridge rund zwanzig Zeitungen zu kaufen und sie zwanzig Meilen weiter, gefaltet und markiert, an Adressen in ganz Newmarket zu verteilen, bevor die Zeitungsjungen rundfuhren.«

»London?« sagte Holly. »Glaubst du, jemand hat sie direkt hergebracht?«

»Anzunehmen.« Ich nickte. »Das schließt natürlich nicht aus, daß es jemand von hier war, der es in die Wege geleitet oder auch selbst getan hat, also sind wir noch nicht viel weiter.«

»Es ist alles so sinnlos«, sagte Holly.

»Niemand scheint gegen sechs aus dem Fenster geschaut zu haben«, fuhr ich fort. »Sollte man in dieser Stadt doch meinen. Aber keiner, den ich fragte, hat um die Zeit jemanden mit einer Zeitung daherkommen sehen. Natürlich war’s stockdunkel. Sie sagten, im Winter sehen sie auch die Zeitungsjungen nur selten.«

Das Telefon klingelte auf dem Schreibtisch neben Bobbys Sessel, und Bobby streckte mit einem beunruhigten Blick die Hand aus, um den Hörer abzunehmen.

»Oh ... hallo, Seb«, sagte er. In seiner Stimme schwang Erleichterung, aber nicht viel.

»Ein Freund«, sagte Holly mir. »Hat ein Pferd bei uns.«

»Du hast es gesehen, ja?« Bobby verzog das Gesicht. »Jemand hat dir ein Exemplar geschickt .« Er hörte zu, sagte dann: »Nein, natürlich weiß ich nicht, wer. Es ist reine Bosheit. Nein, natürlich stimmt es nicht. Ich bin und bleibe im Geschäft, und sei unbesorgt, deiner Stute geht es glänzend, ich habe gerade ihre Sehne gefühlt. Sie ist kühl und fest und macht sich gut. Was? Vater? Der bürgt für keinen Penny, hat er gesagt. Ja, da magst du recht haben, daß er ein rücksichtsloses Schwein ist ... Nein, darauf besteht keine Hoffnung. Vielmehr versucht er mir jetzt Geld abzupressen, das er mir vor rund vierzehn Jahren für den Kauf eines Wagens geliehen hat. Na ja . wahrscheinlich ist er so auf die Tour reich geworden. Was? Nein, kein Vermögen. Es war ein gebrauchter alter Klapperkasten, aber mein erster. Irgendwann muß ich ihm das Geld wohl geben, bloß um mir seine Anwälte vom Hals zu schaffen. Ja, wie gesagt, es ist alles in Ordnung. Gib nichts auf die Flag. Natürlich, Seb, keine Ursache. Tschüs.«

Er legte den Hörer auf, und seine Miene war nicht annähernd so zuversichtlich wie seine Stimme am Telefon.

»Wieder ein Besitzer, dem nichts Gutes schwant. Rattenbrut. Die Hälfte von ihnen will weg, ohne abzuwarten, ob das Schiff sinkt. Und die Hälfte von ihnen hat die Rechnung vom letzten Monat noch nicht bezahlt.«

»Seb denn?« fragte Holly.

Bobby schüttelte den Kopf.

»Dann ist er ganz schön frech.«

»Dieser verdammte Artikel hat ihn gestern mit der Post erreicht. Nur die >Intimen Detailsc. Ein Ausschnitt, sagt er, nicht die ganze Zeitung. In einem normalen braunen Umschlag, maschinengeschrieben. Aus London, wie die anderen.«

»Haben alle Besitzer einen Ausschnitt bekommen?« fragte ich.

»Es sieht so aus. Die meisten waren schon am Telefon. Ich hab mich bei dem Rest nicht erkundigt.«

Wir saßen eine Weile herum, und ich benutzte das Telefon, um meinen Anrufbeantworter im Cottage abzurufen. Dann rief ich zwei Trainer zurück, die mir Starts für die kommende Woche angeboten hatten, und telefonierte mit einigen Jockeys aus Newmarket wegen einer Mitfahrgelegenheit nach Plumpton in Sussex, zu den Rennen am nächsten Tag. Zwei von ihnen fuhren schon gemeinsam, sagten sie, und würden mich mitnehmen.

»Kommst du dann wieder her?« fragte Holly, als alles geregelt war.

Ich sah die Unruhe in ihrem Gesicht und keinen Widerspruch in dem von Bobby. Ich hätte nicht erwartet, daß er mich überhaupt dahaben wollte, doch anscheinend irrte ich mich.

»Bleib«, sagte er kurz, aber einladend, nicht widerwillig.

»Ich bin keine große Hilfe gewesen.«

»Uns ist wohler«, sagte Holly, »wenn du hier bist.«

Ich mochte aus praktischen Erwägungen nicht allzugern bleiben. Ich sollte am Dienstag in Devon starten, und ein Grund, warum ich lieber in Lambourn als in Newmarket wohnte, war der, daß man von Lambourn aus zu jeder Rennbahn in England fahren und am gleichen Tag nach Hause kommen konnte. Lambourn lag zentral.

Ich sagte entschuldigend: »Ich muß von Plumpton aus mit jemand nach Lambourn zurückfahren, denn um am Dienstag nach Devon zu kommen, brauche ich meinen Wagen. Wenn ich Dienstag abend dann wieder in Lambourn bin, sehen wir mal, wie die Dinge hier stehen.«

Holly meinte entmutigt: »Ist gut« und versuchte nicht, mich umzustimmen.

Ich sah in ihr niedergeschlagenes Gesicht, das, wie so oft, im Kummer schöner war als in der Freude. Ein Gedanke kam mir unvermutet in den Kopf, und ich sagte ohne Überlegung: »Holly, bist du schwanger?«

Kapitel 5

Bobby war sprachlos.

Holly warf mir einen durchdringenden Blick aus ihren hellbraunen Augen zu, in dem ich sowohl Bestürzung wie Erregung las.

»Wieso hast du das gesagt?« fragte Bobby.

»Ich weiß nicht.«

»Sie ist erst kurz über ihrer Zeit. Wir haben noch keine Tests machen lassen«, sagte Bobby; und zu Holly: »Du mußt es ihm erzählt haben.«

»Nein.« Sie schüttelte den Kopf. »Aber ich dachte gerade eben daran, wie glücklich ich am Freitag morgen war, als ich aufwachte, und mir war übel. Ich dachte, welche Ironie das wäre. Die ganzen Monate haben wir’s versucht, und das erste Mal, wo es wirklich passiert sein könnte, sind wir derart in Schwierigkeiten, daß ein Baby das letzte ist, was wir gebrauchen können.«