Weit mehr Leute als in der Vorwoche schienen die Texte in den >Intimen Details< gesehen zu haben, und ich verbrachte einen großen Teil des Tages damit, daß ich allen, die mich fragten, dreierlei versicherte: nein, Bobby sei nicht bankrott; ja, das wüßte ich genau; und nein, ich könnte nicht mit Bestimmtheit sagen, was denn nun die Absichten von Bobbys Vater seien.
Die übliche kleine Schar von Rennsportjournalisten war bei dem Meeting vertreten, aber keiner von der Flag. Die Rennsportseite in der Flag war meistens das Werk eines pfiffigen jungen Mannes, der geringschätzig über Kommendes und kritisch über Vergangenes schrieb und nach Möglichkeit von allen Jockeys gemieden wurde. An diesem Tag hätte ich ihn zwar ganz gern getroffen, doch ich mußte mich mit seinem Gegenstück vom Towncrier begnügen.
»Sie wollen was über die Flag hören? Wozu, um alles in der Welt. Abscheuliches Blatt.« Dick und gütig, sprach Bunty Ireland, der Mann vom Towncrier, mit der Selbstzufriedenheit desjenigen, der ein achtbares Blatt hinter sich wußte. »Aber wenn es Sie interessiert, ob die Sachen über Ihren Schwager aus der Feder unseres klugschnak-kenden Kollegen stammen - das ist ziemlich sicher nicht
der Fall. Er war am Freitag in Doncaster und wußte zunächst nicht, was in der Klatschspalte stand. Als er es sah, war er etwas eingeschnappt. Er sagte, die Klatschtypen hätten ihn nicht gefragt, und das hätten sie tun sollen. Er ist ja so ein sonniges Gemüt.« Bunty Ireland strahlte. »Sonst noch was?«
»Ja«, sagte ich. »Wer gibt die Intimen Details heraus?«
»Da kann ich Ihnen nicht helfen, alter Junge. Ich hör mich mal um, wenn Sie wollen. Aber viel nützen wird es Bobby nicht, Sie können ja nicht einfach hingehen und Leuten wie uns eine aufs Maul hauen, so groß die Provokation auch sein mag.«
Wenn ihr euch da nur nicht vertut, dachte ich.
Ich ergatterte eine Mitfahrgelegenheit heim nach Lam-bourn, aß Hummer und eine Apfelsine und erwog, mit Holly zu telefonieren.
Irgend jemand, das war sicher, würde das Gespräch mithören. Irgend jemand hörte diese Leitung wahrscheinlich schon seit recht langer Zeit ab. Lange genug, um eine Liste der Leute aufzustellen, mit denen Bobby in Newmarket geschäftlich verkehrte, lange genug, um seine Bankverbindung zu kennen, so lange, daß er wußte, wie es zwischen ihm und seinem Vater stand. Der Besitzer, der telefonisch mitgeteilt hatte, er könne sich die fünfzigtausend für seinen Jährling nicht leisten, mußte belauscht worden sein, und ebenso Bobbys erfolglose Bemühungen, ihn anderweitig zu verkaufen.
Irgend jemand mußte in der Tat auch Bobbys Terminplanung und seine vielen Gespräche mit Besitzern und Jockeys abgehört haben. Es gab keinen lebenden Trainer, der nicht irgendwann unvorteilhafte oder geradezu verleumderische Meinungen über Jockeys an Besitzer weitergab und umgekehrt, aber nichts von diesem Kaliber war in der Zeitung benutzt worden. Keine »internen« Enthüllungen über Wettschwindeleien. Keine Anspielungen auf Regelverstöße oder Manipulationen etwa der Art, daß man einem Pferd ein leichtes Rennen gegeben hätte; ein gängiges Verfahren, das mit einer Geldstrafe oder auch mit dem Entzug der Lizenz geahndet werden konnte, wenn es an den Tag kam. Tatsächlich hatten nicht Bobbys Trainingsgeheimnisse als Zielscheibe gedient, sondern allein seine Finanzlage.
Warum?
Zu viele Warums.
Ich drückte die erforderlichen Tasten, und es klingelte nur einmal am anderen Ende.
»Kit?« sagte Holly sofort.
»Ja.«
»Hattest du es schon einmal versucht?«
»Nein«, sagte ich.
»Dann ist es gut. Wir hatten die meiste Zeit heute den Hörer nicht aufliegen, die Anrufe waren so schlimm. Aber gerade kam mir der Gedanke, du könntest uns zu erreichen versuchen, deshalb legte ich ihn vor kaum einer Minute erst auf ...« Sie stockte und wurde sich des Inhalts ihrer Worte bewußt. »Wir haben es wieder getan«, sagte sie.
»Ja.«
Sie mußte das Lächeln in meiner Stimme gehört haben, denn es war auch in der ihren, als sie antwortete.
»Hör zu«, sagte sie. »Ich habe nachgedacht. Ich muß jetzt weg. Ich ruf dich nachher an, okay?«
»Klar«, sagte ich.
»Tschüs.«
»Tschüs«, sagte ich und legte auf. Während ich wartete, fragte ich mich, wohin sie gehen würde. Was sie geplant
hatte. Sie rief innerhalb einer Viertelstunde zurück, und zwar unerwarteterweise vom Büro des Futterhändlers aus. Wie es schien, hatte der Futterhändler ihr aufgeschlossen, die Heizung angestellt und sie allein gelassen.
»Er war furchtbar nett«, erklärte Holly. »Ich glaube, er hat ein etwas schlechtes Gewissen, obwohl er das eigentlich nicht zu haben braucht. Jedenfalls sagte ich ihm, daß wir meinen, unser Telefon würde vielleicht abgehört, und er sagte, er halte das für sehr wahrscheinlich und ich könnte jederzeit herkommen und seinen Apparat benutzen. Ich sagte, ich würde dich heute abend gern anrufen ... und jedenfalls, hier bin ich.«
»Gut«, sagte ich. »Wie läuft’s denn?«
»Wir haben den ganzen Tag an diesen Briefen gearbeitet und sind offen gesagt hinüber. Bobby schläft im Stehen. Alle haben deinen Scheck ohne weiteres angenommen und uns schriftlich die volle Bezahlung bestätigt. Diese Schreiben haben wir zusammen mit der Widerlegung, die wir aufgesetzt hatten, bevor du nach Plumpton bist, fotokopiert, und bis wir das alles in die Umschläge verfrachtet hatten, ging gerade die letzte Post raus. Der Briefträger hat sogar am Schalter gewartet, während ich noch die letzten zehn Briefmarken aufklebte, und ich sah, daß er das Einschreiben an den Redakteur der Flag mitnahm. Wenn wir also Glück haben - wenn wir Glück haben -, ist alles vorbei.«
»Mm«, sagte ich. »Hoffen wir’s.«
»Ach, und Bobby war auch bei seinem Anwalt. Der sagte, er würde einen scharfen Beschwerdebrief an den Redakteur schreiben und einen Widerruf in der Zeitung verlangen, wie Lord Vaughnley dir empfohlen hat. Aber Bobby bezweifelt, daß dieser Brief heute schon raus ist, er meint, der Anwalt scheint das nicht für so wahnsinnig eilig gehalten zu haben.« »Sag Bobby, er soll den Anwalt wechseln.«
Holly lachte beinah. »Ja. Okay.«
Wir machten Pläne und Zeiten aus, wann ich sie am nächsten Abend, nach meiner Rückkehr von Devon, wieder anrufen könnte, aber es war erst acht Uhr früh, als mein Telefon läutete und ihre Stimme schrill und verzweifelt an mein Ohr drang.
»Hier ist Holly«, sagte sie. »Besorg dir eine Flag. Ich komme dahin, wo ich gestern abend war. Okay?«
»Ja.«
Sie legte ohne ein weiteres Wort auf, und ich fuhr ins Dorf, die Zeitung holen.
Die Kolumne mußte am vergangenen Abend gedruckt worden sein. Der Einschreibebrief würde den Chefredakteur erst später an diesem Morgen erreichen. Ich dachte im nachhinein, Bobby hätte besser nach London fahren und den Brief persönlich abgeben sollen; vielleicht wäre dann die Kampagne noch aufgehalten worden.
Die dritte Breitseite lautete:
Bedauern Sie nicht Robertson (Bobby) Allardeck (32), der trotz Geldmangels noch in Newmarket Rennpferde zu trainieren versucht. Leidtragend ist doch der Händler an der Ecke, wenn fette Kater unbezahlte Rechnungen auflaufen lassen.
In seinem luxuriösen Heim mochte sich Bobby gestern nicht zu Berichten äußern, wonach er mit dem Besitzer eines der Pferde in seinem Stall handgemein wurde und ihn mit Gewalt daran hinderte, sein Pferd abzuholen. »Ich bestreite alles«, keifte Bobby.
Unterdessen kürt sich Daddy Maynard (»Geldsack«) Allardeck (50) zum Knickstiefel des Monats. »Mein Sohn be-
kommt keinen Penny Unterstützung von mir«, verkündet er fromm. »Er hat es nicht verdient.«