Statt dessen überschüttet Geldsack gute, verdienstvolle Stiftungen, die der Regierung am Herzen liegen, demonstrativ mit Almosen. Kann die Ritterwürde heutzutage käuflich sein? Aber nicht doch!
Bobby jammert, daß er, während Daddy zu seinem eigenen Vorteil die Mäuse springen läßt, Drohbriefe von Daddys Anwälten bekommt, die ihn zur Rückzahlung eines vierzehn Jahre alten Darlehens auffordern. Anscheinend hat Geldsack dem 18jährigen Bobby zum Schulabschluß eine kleine Summe für den Kauf einer Benzinkutsche vorgestreckt. Nachdem das Vierrad längst auf dem Friedhof der Erinnerung verrottet ist, möchte Daddy nun sein Geld zurück. Bobbys Meinung von Daddy? »Rücksichtsloses Schwein.«
Ob der knickerige Maynard wohl obendrein Zinsen verlangt? Demnächst mehr.
Nachdenklich ließ ich mir von der Auskunft die Nummer des Futterhändlers geben und drückte die Tasten: Holly wartete am anderen Ende.
»Was sollen wir machen?« sagte sie unglücklich. »Das sind solche Säue. Diese ganzen Zitate ... die haben sie einfach erfunden.«
»Ja«, sagte ich. »Wenn ihr es über euch bringt, noch einen Stoß von den Briefen zusammenzustellen, die ihr gestern verschickt habt, könnte es ganz nützlich sein, sie an die Herausgeber der anderen überregionalen Zeitungen und an die Sporting Life zu schicken. Keine davon mag die Flag. Ein wenig Spott von der Konkurrenz könnte die Flag vielleicht zum Schweigen bringen.«
»Könnte«, meinte Holly wenig überzeugt.
»Alles tun, was einem einfällt, ist besser als nichts tun«, sagte ich. »Man weiß nie, welches Schrotkorn den Vogel tötet, wenn man den Schuß abgibt.«
»Poetisch«, sagte Holly grimmig. »Na schön. Wir versuchen es.«
»Und was ist mit dem Anwalt?« fragte ich.
»Bobby sagt, er sucht heute einen besseren. Nicht von hier. In einer Londoner Kanzlei. Hochkarätig.«
»Einige von seinen Besitzern wissen vielleicht, wer da am besten ist«, sagte ich. »Wenn nicht, könnte ich mir von jemand, für den ich reite, einen Namen geben lassen.«
»Fein.«
»Aber weißt du, was?« sagte ich.
»Was denn?«
»Ich bin mir nicht so sicher, ob Maynard völlig falsch lag. Die ganze Feindseligkeit richtet sich ebensosehr gegen ihn wie gegen Bobby.«
»Ja«, sagte Holly langsam. »Als wir die Schmähungen von heute lasen, fand Bobby das auch.«
»Ich würde glatt darauf wetten«, sagte ich, »daß so einige Exemplare der Intimen Details, Folge eins, zwei und drei auch in die Hände des Sekretärs für Titel und Auszeichnungen in Downing Street gelangen. Und daß hauptsächlich das der Grund für Maynards Zorn gestern war. Wenn Maynard wirklich für die Ritterwürde in Betracht gezogen wird, dann könnten die Intimen Details dem einen Riegel vorgeschoben haben, wenigstens fürs erste.«
»Hältst du das für möglich? Bloß ein paar Worte in einer Zeitung?«
»Weiß man nie. Das ganze Auszeichnungssystem ist ja so empfindlich. Jedenfalls wäre jetzt ungefähr die Zeit, wo sie diese streng geheimen Briefe verschicken, in denen sie
Herrn Soundso fragen, ob er einen Orden annimmt, wenn ihm einer angeboten wird. In diesem Augenblick werden sie dabei sein, die Vorschlagsliste für den Neujahrstag zusammenzustellen. Und die Vierundsechzig-Dollar-Frage ist, wenn du der Sekretär für Titel und Auszeichnungen wärst und müßtest eine Liste zusammenstellen, die der Premierminister genehmigen soll, würdest du dann Maynard daraufsetzen?«
»Aber wir wissen doch nicht, ob so etwas im Gange ist.«
»Nein, allerdings nicht.«
»Wahrscheinlich zeigt sich die Flag nur wieder mal von ihrer typisch giftigen, gemeinen, destruktiven Seite.«
»Vielleicht«, sagte ich.
»Du weißt, wie eklig die Presse sein kann, wenn sie es darauf anlegt. Und die Flag scheint es unentwegt darauf anzulegen.«
»Mm«, sagte ich. »Du magst recht haben.«
»Aber du glaubst nicht dran?«
»Tja ... Es wäre einleuchtender, wenn wir einen Zweck hinter diesen Angriffen erkennen könnten; und zu verhindern, daß Maynard Ritter wird, wäre ein möglicher Zweck. Aber warum sie das verhindern wollen und wie sie davon Wind bekommen haben ... das weiß der Teufel.«
»Über unser Telefon haben sie von keiner Adelung gehört«, sagte Holly bestimmt. »Das ist vielleicht bloß erfunden.«
»Alles andere in diesen Stories beruht auf Dingen, die geschehen oder die gesagt worden sind«, betonte ich. »Sie haben die Wahrheit hergenommen und verzerrt. Soll ich beim Sekretär für Titel nachfragen, ob Maynard auf seiner Vorschlagsliste steht?«
»Ja, ja, sehr lustig.« »Wie auch immer«, sagte ich. »Was hat Bobby bei den Fernmeldeleuten erreicht?«
»Sie wollen es sich mal ansehen. Sie sagten, Telefone abzuhören ist seit 1985 illegal. Gestern haben sie noch niemand zur Wanzensuche vorbeigeschickt. Sie sprachen davon, erst unser Amt zu überprüfen.«
»Das Amt? Ich wußte nicht, daß man ein Fernsprechamt anzapfen kann.«
»Tja, anscheinend kann man.«
»Also keine richtigen Wanzen?«
»Wir sagten ihnen, wir könnten keine finden, und sie meinten, wir wüßten wahrscheinlich nicht, wo wir nachschauen müßten.«
»Nun, wenigstens schenken sie der Sache Beachtung.«
»Sie sagten, eine Menge Leute glauben, daß sie belauscht werden, obwohl es nicht der Fall ist«, sagte Holly. »Trotz alledem, sie haben versprochen, sie würden nachsehen.«
»Erinnere sie dran.«
»Ja.«
»Ich ruf dich heute abend an, wenn ich aus Devon wiederkomme«, sagte ich. »Wenn ich nicht zurückkomme ... melde ich mich irgendwann.«
»Ja«, sagte sie. »Paß auf dich auf.«
»Tu ich immer«, sagte ich automatisch, und wir wußten beide, daß das unmöglich war. Wenn ein Hindernisjockey zu sehr auf sich aufpaßte, gewann er keine Rennen, und es gab schon mal Tage, an denen man nicht nach Hause fahren konnte. Ich war bis zu dem Grad abergläubisch, daß ich für die Abende von Renntagen keine bindenden Zusagen gab, und wie die meisten Hindernisjockeys akzeptierte ich Einladungen mit Worten wie: »Wenn ich kann« und: »Wenn’s klappt.«
Während der zweistündigen Fahrt zu dem Devon-und-Exeter-Meeting waren meine Gedanken mehr bei Holly, Bobby und Maynard als bei der bevorstehenden Aufgabe. Keins von den fünf Pferden, die ich reiten sollte, warf die Probleme von North Face auf, und ich hatte sie alle so oft geritten, daß ich mit ihren kleinen Eigenarten und ihren Fähigkeiten vertraut war. Ich mußte ihnen lediglich helfen, das Beste zu geben, was sie an dem Tag bringen konnten.
Die Rennbahn von Devon und Exeter lag auf dem Haldenmoor, einem majestätischen, kahlen Landstrich, über den heftige Winde vom Kanal zum Atlantik wehten. Die Bahn selbst, mit ihrem langen Rundkurs von nahezu zwei Meilen, erstreckte sich als grünes Wellenband zwischen Meeren von Gestrüpp und Heidekraut, ihre fernen, verlassenen Kurven so einsam, wie man es sich für den Wettstreit von Pferden und Menschen nur vorstellen konnte.
Unmodern, gemessen an Ascot, geographisch entlegen und Anziehungspunkt für relativ wenige Zuschauer, war sie dennoch eine meiner Lieblingsbahnen, gut geführt, gut verwaltet, mit netten, freundlichen Einheimischen.
Die Prinzessin kam gern dorthin, weil Freunde von ihr eine der wenigen Logen unterhielten; Freunde, die ein Haus an der Küste von Devon hatten und sie regelmäßig einluden, während der Renntage bei ihnen zu wohnen.
Sie war rechtzeitig nach dem Mittagessen und vor dem ersten Rennen dort, dezent erregt in ihrem Pelzmantel, und eine kleine Abordnung der Freunde begleitete sie im Führ-ring. Drei Freunde, um genau zu sein. Das Ehepaar, bei dem sie wohnte, und eine junge Frau.
Die Prinzessin stellte uns vor: »Kit . Sie kennen Mr. und Mrs. Inscombe ...« Wir schüttelten uns die Hände, »... und meine Nichte. Kennen Sie schon meine Nichte Danielle?«