Anstatt ihn zu verfolgen, drehte ich mich nach Bobby um, der sich am Boden wälzte und kurze harte Schläge und atemlose Grunzlaute mit dem Mann austauschte, der die Leiter festgehalten hatte. Ich warf das Jackett in den tiefen Schatten vorm Haus und kam Bobby zu Hilfe. Gemeinsam schafften wir es, den Eindringling mit dem Gesicht nach unten aufs Gras zu nageln, wobei Bobby ihm auf den Beinen saß und ich mit einem Fuß auf seinem Nacken stand. Bobby verabreichte ihm mehrere gezielte Nierenschläge, die weh tun sollten.
»Was zum Fesseln«, sagte er.
Ich bückte mich, packte den Kragen auch dieses Jacketts und zog es dem Einbrecher über die Schultern zurück, so daß die Arme festgenagelt waren; dann riß ich es ganz herunter, nahm den Fuß von seinem Hals und sagte zu Bobby: »Das reicht.«
»Was? Red kein Blech.«
Der Eindringling wälzte sich immer noch sehr wehrhaft unter ihm. Bobby boxte ihn tückisch aufs Ohr und wiederum ins Kreuz.
Ich schob die Hand in eine Innentasche des Jacketts und zog eine Brieftasche heraus.
»Hier«, sagte ich und stieß sie Bobby unter die Nase. Er schüttelte den Kopf, ignorierte sie, wollte nicht abgelenkt werden.
Ich stopfte die Brieftasche wieder in das Jackett und warf es ebenfalls in die Dunkelheit; dann beobachtete ich für einen Augenblick Bobby und den jetzt hemdsärmeligen Einbrecher, wie sie weiter miteinander rauften und boxten, halb stehend, halb fallend, der eine bemüht, seine Schläge anzubringen, der andere, ihnen zu entkommen.
Bobby war groß und kräftig und wütend darüber, daß sein Haus überfallen wurde. Ohne Frage brach auch der unterdrückte, hilflose Zorn der vergangenen Tage aus ihm hervor, jedenfalls prügelte er seinen Gegner mit spürbarem Haß und ausgesprochen heftig, und ich dachte mit plötzlich aufsteigendem Schrecken, daß es zuviel war, daß er den Mann bösartig und mörderisch zusammendrosch und nicht nur einen Einbrecher festsetzte.
Ich schnappte Bobbys Handgelenk und zog seine erhobene, geballte Faust nach hinten, so daß er aus dem Gleichgewicht kam, und sein Opfer entwand sich seinem Griff, stürzte halb auf die Knie, hustete, würgte und hielt sich den Bauch.
Bobby schrie erbittert: »Du Scheißkerl«, und versetzte jetzt mir einen Schlag, während der Eindringling sich wankend erhob und auf das Tor zutaumelte.
Bobby wollte hinterher, und als ich ihn packte, um ihn aufzuhalten, stieß er mir die Faust voll zwischen die Rippen, nannte mich einen verdammten Fielding, eine blöde Sau, ein Dreckschwein.
»Bobby ... Laß ihn laufen.«
Ich bekam einen furchtbaren Schlag auf den Kopf und noch einen Hieb in die Rippen, begleitet von weiteren obszönen Bemerkungen über meinen Charakter und meinen Stammbaum, und er beruhigte sich nicht. Er trat mir ans Schienbein und schubste mich zurück und riß sich mit einem neuerlichen Schlag, bei dem mir die Zähne im Kopf klirrten, los.
Ich erreichte ihn mit ein paar Schritten wieder; er drehte sich um, holte fluchend und mit verstärkter Wucht nach mir aus, und ich sagte zu ihm: »Du lieber Gott, Bobby .« und versuchte einfach, mich an seine tödliche Faust zu klammern, sie abzufangen und zu überleben, bis die Explosion verraucht war.
Die Generationen waren alle präsent in seinem entschlossenen Gesicht: Allardecks und Fieldings, kämpfend mit Feuer, Schwert und bloßen Fäusten, in einem ewigen Teufelskreis. Er hatte jede vernunftgelenkte Beherrschung verloren. Ich, sein Erzfeind, war es, den er in diesem Augenblick zermalmen wollte, ich war der Brennpunkt seines Zorns, seiner Angst und Verzweiflung.
Verbissen in diesen unnützen archaischen Kampf, überquerten wir den ganzen Rasen bis hin zum Gatter, und erst als ich dort gegen den schweren Pfosten gezwängt und endgültig ernstlich in Bedrängnis war, verschwand die mörderische Wut mit einemmal aus seinen Händen, und er ließ sie sinken; die Raserei klang ab, die wahnsinnige Kraft verlor sich.
Er warf mir einen ausdruckslosen Blick zu, bei dem seine Augen das Mondlicht spiegelten wie Glas, dann sagte er: »Schwein«, aber ohne viel Nachdruck, drehte sich um und ging den Pfad entlang zum Hof.
Ich sagte laut: »Allmächtiger Gott«, und holte ein paarmal tief Luft. In kläglich-zittriger Erleichterung blieb ich erst eine Weile stehen, damit mein hämmerndes Herz sich beruhigen konnte, bevor ich mich von dem Torpfosten abstieß und die Jacken der Einbrecher holen ging. Bobbys Fäuste hatten nicht die gleiche Wucht wie die Hufe der Hürdenpferde gehabt, aber ich hätte gut auf sie verzichten können. He-ho, dachte ich, in rund zwölf Stunden würde ich drei heikle Springer in Newbury reiten.
Die Anzugjacken lagen, wo ich sie hingeworfen hatte -im Winkel zwischen dem leeren Blumenbeet und der Ziegelwand des Hauses. Ich hob sie auf. Stand da, schaute auf die silbrige Leiter, die an der Wand emporgeragt hatte, und dann auf die Wand selbst, die sich in diesem Abschnitt glatt und undurchbrochen bis zum Dach erstreckte.
Keine Fenster.
Warum sollten Einbrecher versuchen, an einer Stelle in ein Haus einzudringen, wo es keine Fenster gab?
Ich krauste die Stirn, legte den Kopf zurück, blickte nach oben. Hinter der Firstlinie, über dem Dach, erhob sich wie ein Schatten am Nachthimmel ein robuster Ziegelschornstein, überragt von einem Paar altertümlicher Röhren. Es mußte der Schornstein von dem Kamin im Gesellschaftszimmer sein. Der Kamin war direkt hinter der Wand, vor der ich stand.
Unentschlossen blickte ich von der Leiter zu den Schornsteinröhren und fröstelte im Wind. Dann legte ich achselzuckend die Jacketts wieder weg, lehnte die Leiter gegen die Dachkante, verankerte ihren Fuß fest in dem Blumenbeet und stieg hinauf.
Es war eine Teleskopleiter aus Aluminium. Ich hoffte, daß sie nicht in sich zusammenrutschen würde.
Höhen mochte ich nicht besonders. Auf halbem Weg bereute ich das ganze Unternehmen. Wie kam ich bloß dazu, im Dunkeln eine unsichere Leiter hochzusteigen? Ich konnte abstürzen und mich verletzen und außerstande sein, Rennen zu reiten. Das Ganze war Irrsinn. Verrückt.
Ich erreichte das Dach. Der Kopf der Leiter ragte noch vier oder fünf Sprossen darüber hinaus, direkt bis zum Schornstein. Auf den Dachziegeln lag eine offene Werkzeugtasche, eine Art Stoffband mit Schraubenschlüsseln, Schraubenziehern, Zangen und so weiter in aufgenähten Fächern. Daneben lag etwas, das aussah wie eine Rolle dunkler Schnur, deren eines Ende zu einer Winkelstütze am Schornstein hinauflief.
Ich sah mir den Schornstein näher an und mußte beinah lachen. Man nimmt so vieles als selbstverständlich hin, sieht bestimmte Dinge Tag für Tag und nimmt sie doch nie bewußt wahr. Die Winkelstütze war am Schornstein befestigt, und auf der Winkelstütze saßen die beiden Klemmen der Telefonleitung, die zu Bobbys Haus führte. Ich hatte sie hundertmal gesehen und nie bemerkt, daß sie am Schornstein installiert war.
Das Kabel erstreckte sich in die Dunkelheit und ging über den Telefonmast draußen auf der Straße; das alte oberirdische Leitungssystem für alle Wohngebiete außer den modernen.
An der Winkelstütze, am Ende der von der Rolle heraufführenden dunklen Schnur, war offenbar ein kleiner quadratischer Gegenstand angebracht, etwa so groß wie ein Zuckerwürfel, von dem ein dünner, etwa fingerlanger Stab nach unten ragte. Ich streckte vorsichtig die Hand aus, um ihn zu berühren, und stellte fest, daß er wackelte, als wäre er nur halb befestigt.
Der Mond schien gerade in dem Moment unterzugehen, als ich ihn am nötigsten brauchte. Ich fingerte an dem kleinen Würfel herum und stieß auf etwas, das sich anfühlte wie eine halb gelöste Schraube. Ich konnte sie nicht sehen, aber sie drehte sich mühelos gegen den Uhrzeigersinn und glitt kurz darauf in meine Hand.
Der Würfel und der Stab fielen geradewegs von der Stütze, und ich hätte sie in der Nacht verloren, wäre nicht die Rolle steifer Schnur an ihnen befestigt gewesen. Ein Teil der Schnur wickelte sich ab, ehe ich sie auffing, aber nicht sehr viel, und ich packte die Rolle, den Würfel und den Stab zu den Werkzeugen, rollte die Segeltuchtasche zusammen und schnallte sie zu.