Das Blumenbeet, dachte ich, würde der Werkzeugtasche schon nicht weh tun, also ließ ich das zusammengerollte
Bündel senkrecht fallen und stieg so langsam, wie ich sie erklommen hatte, die Leiter wieder herunter, wobei ich sorgfältig auf das Gleichgewicht achtete, um nicht zu stürzen. Auf Pferden fühlte ich mich ohne Zweifel wohler.
Ich sammelte die Jacken und die Werkzeugtasche ein, ließ die Leiter stehen und ging aus dem Garten, den Fußweg entlang zur Küchentür. Holly stand da im Bademantel, mit schreckgeweiteten Augen, fröstelnd vor Kälte und Angst.
»Gott sei Dank«, sagte sie, als ich auftauchte. »Wo ist Bobby?«
»Weiß ich nicht. Komm rein. Machen wir uns was Heißes zu trinken.«
Wir gingen in die Küche, wo es immer am wärmsten war, und ich setzte den Kessel auf, während Holly am Fenster nach ihrem verschollenen Mann Ausschau hielt.
»Er wird bald kommen«, sagte ich. »Es ist ihm nichts passiert.«
»Ich sah zwei Männer wegrennen .«
»Wohin denn?«
»Über den Zaun in die Koppel. Erst einer, etwas später dann der andere. Der zweite war ... na ja ... er stöhnte.«
»Mm«, sagte ich. »Bobby hat ihn verprügelt.«
»Ja?« Sie hörte sich stolz an. »Wer war denn das? Jer-myn mal nicht. Wollten sie seine Pferde holen?«
»Was möchtest du?« fragte ich. »Kaffee, Tee oder Kakao?«
»Kakao.«
Ich machte Kakao für sie und Tee für mich selbst und brachte die dampfenden Tassen an den Tisch.
»Setz dich her«, sagte ich. »Er kommt schon wieder.«
Sie kam widerstrebend und schaute dann mit erwachender Neugier zu, wie ich die Werkzeugtasche aufschnallte und auseinanderrollte.
»Siehst du das?« sagte ich. »Den winzigen Kasten hier mit dem Stab und der Schnurrolle? Ich gehe jede Wette ein, daß es das ist, womit sie euer Telefon abgehört haben.«
»Aber es ist klitzeklein.«
»Ja. Ich wünschte, ich hätte mehr Ahnung. Morgen werden wir ja erfahren, wie es funktioniert.« Ich blickte auf meine Uhr.
»Heute, sollte ich wohl sagen.« Ich erzählte ihr, wo ich die Wanze gefunden hatte und wo Bobby und ich die Eindringlinge überrascht hatten.
Sie krauste die Stirn. »Diese beiden Männer ... Wollten die das an unser Telefon anschließen?«
»Entfernen vielleicht. Oder die Batterie auswechseln.«
Sie überlegte. »Ich habe dir doch heute abend gesagt, daß die Fernmeldeleute morgen kommen, um nach Wanzen zu suchen.«
»Das stimmt.«
»Wenn sie das gehört haben, dann dachten sie ... dachten die beiden Männer vielleicht, wenn sie die Wanze vorher abbauen, wäre nichts mehr zu finden, und wir würden es nie genau wissen.«
»Ja«, sagte ich. »Ich glaube, du hast recht.« Ich nahm mir das erste von den Jacketts vor, ging systematisch die Taschen durch und legte den Inhalt auf den Tisch.
Holly sagte verblüfft: »Die haben doch nicht etwa ihre Jacken dagelassen?«
»Sie hatten kaum eine andere Wahl.«
»Aber das ganze Zeugs .« »Purer Leichtsinn«, sagte ich. »Amateure.«
Die erste Anzugjacke erbrachte ein Notizbuch, drei Kulis, einen Taschenkalender, ein Taschentuch, zwei Zahnstocher und die Brieftasche, die ich Bobby im Garten gezeigt hatte. Die Brieftasche enthielt einen mäßigen Geldbetrag, fünf Kreditkarten, das Foto einer jungen Frau und einen Merkzettel für einen Zahnarzttermin. Der Name auf den Kreditkarten war Owen Watts. Der Taschenkalender lieferte nicht nur denselben Namen, sondern außerdem eine Adresse (privat) und eine Telefonnummer (Büro). Die Seiten waren gefüllt mit Terminen und Notizen und kündeten von einem arbeitsreichen, geordneten Leben.
»Warum schnurrst du wie ein satter Kater?« sagte Holly.
»Schau’s dir mal an.«
Ich schob ihr die Habseligkeiten von Owen Watts zu und leerte die Taschen des zweiten Jacketts. Daraus kam noch ein Notizbuch zum Vorschein, weitere Kulis, ein Kamm, Zigaretten, Einwegfeuerzeug, zwei Briefe und ein Scheckheft. Außerdem steckte in der äußeren Brusttasche ein kleines Plastiketui mit einer goldfarbenen Karte, die besagte, Mr. Jay Erskine sei Mitglied Nr. 609 des Presseclubs in London EC4A3JB; und Mr. Jay Erskines Unterschrift und Anschrift standen auf der Rückseite.
Schon gut, wenn man ganz sichergeht, dachte ich.
Ich rief die Nummer von Owen Watts’ Büro an, und sofort meldete sich die Stimme eines Mannes.
»Daily Flag«, sagte er.
Zufrieden legte ich den Hörer auf, ohne zu sprechen.
»Niemand gemeldet?« sagte Holly. »Kein Wunder um diese Zeit.«
»Die Daily Flag schläft und schlummert nicht. Die Zentrale war jedenfalls wach.« »Dann sind die beiden wirklich ... diese Schweine.«
»Nun«, sagte ich. »Sie arbeiten bei der Flag. Läßt sich nicht sagen, ob sie tatsächlich auch die Beiträge verfaßt haben. Nicht heute nacht. Das finden wir morgen früh raus.«
»Ich könnte ihnen die Fresse einschlagen.«
Ich schüttelte den Kopf. »Du solltest demjenigen die Fresse einschlagen, der sie geschickt hat.«
»Dem auch.« Sie stand ruhelos auf. »Wo ist Bobby? Was treibt er?«
»Wahrscheinlich vergewissert er sich, daß alles beim Rechten ist.«
»Du glaubst doch nicht, daß die Männer zurückgekommen sind?« sagte sie erschrocken.
»Nein. Bobby kommt schon, wenn er soweit ist.«
Sie war trotzdem besorgt und ging zur Haustür, um nach ihm zu rufen, aber der Wind trug ihre Stimme weg, so daß man sie kaum auf der anderen Seite des Hofs hätte hören können.
»Sieh doch mal nach ihm, ja?« sagte sie ängstlich. »Er ist schon so lange da draußen.«
»Na schön.« Ich legte das Abhörgerät, die Werkzeuge und die Sachen der Presseleute auf dem Tisch zusammen. »Kannst du hierfür einen Karton suchen und das alles irgendwo in Sicherheit bringen?«
Sie nickte und begann sich vage umzuschauen, und ich ging in dem unwillkommenen Auftrag hinaus auf den Hof. Wo immer Bobby steckte, ich war vermutlich der letzte, den er auf den Fersen haben wollte. Ich überlegte mir, daß ich einfach darangehen würde, die Alarmglocke wieder zu montieren. Wenn er gefunden werden wollte, würde er dann schon auftauchen.
Ich montierte die Glocke, wobei sich meine Augen wieder an die Nacht gewöhnten, und traf ihn unten beim Gartentor. Er hatte die Leiter herausgeholt, so daß sie jetzt am Weg lag, und er stand einfach am Torpfosten, ohne etwas zu tun.
»Holly wundert sich, wo du bleibst«, sagte ich leichthin.
Er antwortete nicht.
»Meinst du, man kann die Glocke von hier aus hören?« sagte ich. »Würdest du jemandem aufs Dach klettern, wenn du eine Alarmklingel gehört hast?«
Bobby sagte nichts.
Er beobachtete mit ausdrucksloser Ruhe, wie ich die Schnur suchte und das Tor schloß und alles wieder so herrichtete, daß die Glocke auf der anderen Seite des Hauses herunterfallen würde, wenn sich das Tor öffnete.
Bobby sah zu, aber er tat nichts. Achselzuckend machte ich das Tor auf.
Man konnte die Glocke hören, wenn man darauf horchte. In einer stillen Nacht wäre sie alarmierend gewesen, aber durch den Wind hatten die Eindringlinge sie überhört.
»Gehen wir rein«, sagte ich. »Holly ist unruhig.«
Ich wandte mich den Weg hinauf.
»Kit«, sagte er steif.
Ich drehte mich um.
»Hast du’s ihr gesagt?« fragte er.
»Nein.«
»Es tut mir leid«, sagte er.
»Komm mit rein. Es spielt keine Rolle.«
»Doch, tut es.« Er zögerte. »Ich konnte nicht anders. Das macht es noch schlimmer.«
»Weißt du was«, sagte ich, »laß uns aus dem verdammten Wind gehen. Mir frieren die Beine ab. Wenn du reden
willst, reden wir morgen. Aber es ist okay. Komm rein, Alter, es ist okay.«