»Hier«, sagte Bobby zähneknirschend, »ist es kein blinder Alarm.«
»Wir haben das hier gefunden«, sagte ich beschwichtigend, legte die Werkzeugtasche auf den Tisch, rollte sie auseinander und holte zur Begutachtung den kleinen Metallwürfel mit dem Stab und der anhängenden Schnurrolle hervor.
»Sieh an«, erwachte das Interesse des Technikers, »na, was das ist, wissen Sie ja wohl?«
»Eine Wanze«, sagte ich.
»Also das da«, verbesserte er, »ist der Transformator beziehungsweise Sender und die Erdung. Wo ist der Rest?«
»Welcher Rest?«
Er sah uns mitleidig an. »Sie brauchen doch das Hörrohr. Woher haben Sie die Sächelchen hier?«
»Vom Schornsteinkasten, wo die Telefonleitung ans Haus kommt.«
»Na also.« Er schnaubte durch die Nase. »Dann sollten wir da mal nachsehen.«
Wir nahmen ihn mit ums Haus statt durch das Gesellschaftszimmer, gingen vom Hof aus den Pfad hinunter und durch das Tor. Die ausziehbare Aluminiumleiter lag noch auf dem Weg, doch als der Telefontechniker die Höhe des Schornsteins ins Auge faßte, entschied er sich gegen ihren schwachen Halt und ging zurück zu seinem Transporter, um weitaus robustere Sprossen zu holen. Er brachte auch einen gutbestückten Werkzeuggurt mit, den er um die breite Taille geschnallt trug.
Nachdem er seine zünftige Leiter ausgezogen und aufgestellt hatte, stiefelte er sie so locker hinauf, als ginge er spazieren. Jedem seine besonderen Fähigkeiten.
Oben stützte er den Bauch ab, griff dorthin, wo sich das Telefonkabel zu den beiden Anschlußklemmen gabelte, und verwandte einige Zeit darauf, mit den Werkzeugen aus seinem Gurt zu klemmen, zu stutzen und neu zu befestigen, bevor er gelassen auf die Erde zurückkehrte.
»Ein sauberes Stückchen Arbeit«, sagte er anerkennend. »Erstklassige Lauschanlage. Sieht aus, als ob sie so zwei oder drei Wochen dort war. Schmuddelig, aber nicht allzusehr, hm? Bloß eine Weile da oben in Ruß und Regen.«
Er hielt uns seine breite Hand hin, in der ein kleiner Zylinder mit zwei kurzen Drahtenden lag.
»Sehen Sie, das fängt die Impulse aus Ihrem Telefonkabel auf und leitet sie in den Trafo, den Sie gestern nacht runtergeholt haben. Denn Stimmfrequenzen bewegen sich irgendwo zwischen fünfzig Hertz und drei Kilohertz, aber das kann man nicht funken, es muß auf etwa dreitausend Megahertz hochgebracht werden. Sie brauchen einen Verstärker, der die Frequenz so moduliert, daß sie ein Mikrowellensender senden kann.« Er blickte auf unsere Gesichter. »Nicht gerade Elektronikexperten, was?«
»Nein«, sagten wir.
Mit selbstzufriedener Überlegenheit ging er uns auf dem Rückweg zum Hof voran, wobei er mühelos seine schwere Leiter trug. In der Küche legte er den eben aufgelesenen Zylinder neben die Beute der vorigen Nacht und setzte seinen Vortrag fort.
»Die beiden Drähte aus dem Zylinder gehören in den Trafo, und der kleine Stab hier ist die Antenne.«
»Wofür ist die ganze Schnur?«
»Schnur?« Er lächelte breit. »Das ist keine Schnur, es ist Draht. Sehen Sie? Feiner Draht mit Isolierung. Das ist ein Erdleitungsdraht, um den Stromkreis zu schließen.«
Wir schauten ohne Zweifel verständnislos drein.
»Wenn Sie in den letzten Wochen das Mauerwerk unter Ihrem Schornstein mal näher untersucht hätten, dann hät-ten Sie gesehen, daß diese sogenannte Schnur daran entlanglief. Sogar durch Klammern lief. Vom Sender runter in die Erde führte.«
»Ja«, sagte Bobby. »Wir sind um diese Jahreszeit nicht viel da draußen.«
»Sauberes Stückchen Arbeit«, meinte der Techniker nochmals.
»Ist da schwer ranzukommen?« fragte ich. »An so eine Ausrüstung?«
»Kinderleicht«, sagte er mitleidig. »Das können Sie sich jederzeit aus Ihrem Elektroversandkatalog bestellen.«
»Und weiter?« fragte ich. »Wir haben den Anschluß und den Sender. Wo könnten wir den Empfänger finden?«
Der Telefontechniker sagte wohlüberlegt: »Das ist ein schwacher Sender. Muß er sein, ist ja so klein. Läuft mit Batterie, ja? Also brauchen Sie eine große Scheibenantenne, um die Signale aufzufangen. In Blickrichtung. Sagen wir, ’ne Viertelmeile entfernt? Und keine Gebäude, die alles verzerren. Dann müßten Sie, glaube ich, ganz gut klarkommen.«
»Eine große Scheibenantenne, eine Viertelmeile entfernt?« wiederholte ich. »Die würde doch jeder sehen.«
»Nicht im Inneren eines Lieferwagens, da nicht.« Er berührte nachdenklich den würfelförmigen Sender. »Hübschen hohen Kamin ham Se da. Meistens finden wir die Dingerchen auf den Masten an der Straße. Aber je höher man den Sender legt, um so weiter kriegt man eben guten Empfang.«
»Ja«, sagte ich, wenigstens das verstehend.
»Es handelt sich hier um eine inoffizielle Schnüffelei«, belehrte er uns freudig. »Dabei gibt es auch kein Knacken. Man merkt überhaupt nichts davon.« Er zog seinen Gurt zurecht. »Also dann, unterschreiben Sie grad meinen Schein, und weg bin ich. Und Sie sollten ab und zu mit dem Fernglas da rausgehen und ein Auge auf Ihren Kamin und auf den Mast an der Straße haben, und wenn Sie noch mal kleine unbekannte Wesen auf Ihren Drähten wachsen sehen, klingeln Sie mich an, dann bin ich gleich wieder da.«
Bobby unterschrieb ihm den Schein, dankte ihm und begleitete ihn raus zu seinem Lieferwagen; und ich betrachtete die stumme Wanze und fragte mich dunkel, wessen Telefon ich damit anzapfen könnte, wenn ich lernte, wie es ging.
Holly kam herein, als der gelbe Lieferwagen abfuhr. Sie wirkte blaß in Jeans und ausgeleiertem Pullover, ihr Haar war noch feucht vom Duschen.
»Morgendliches Erbrechen ist die Hölle«, sagte sie. »Habt ihr Tee gekocht?«
»In der Kanne ist Kaffee.«
»Bekäme ich nicht runter.« Sie setzte den Kessel auf. »Was war letzte Nacht da draußen zwischen dir und Bobby? Er sagte, du würdest es ihm nie verzeihen, aber er wollte nicht sagen, was. Ich glaube, er hat überhaupt nicht geschlafen. Um fünf lief er schon im Haus rum. Also, was ist passiert?«
»Wir haben keinen Ärger miteinander«, sagte ich. »Das kann ich dir versichern.«
Sie schluckte. »Es wäre einfach alles aus, wenn du und Bobby euch zanken würdet.«
»Haben wir nicht getan.«
Sie war immer noch skeptisch, sagte aber nichts mehr. Sie tat ein paar Scheiben Brot in den Toaster, als Bobby wiederkam, und alle drei setzten wir uns an den Tisch, reichten die Marmelade herum und hingen unseren eigenen Gedanken nach. Bei mir war das ein Durcheinander von Journalisten, Bobbys Bankfilialleiter und der Frage, wie sollte ich vor dem ersten Rennen meine Muskeln aufwärmen und lockern?
Bobby begann ängstlich die Post vom Tage zu öffnen, doch seine Befürchtungen waren unbegründet. Es gab keinen Todesstoß von der Bank und keine mit Drohungen gewürzten Zahlungsaufforderungen. Drei von den Umschlägen enthielten Schecks.
»Ich fasse es nicht«, sagte er verblüfft. »Die Besitzer zahlen.«
»Das ging ja schnell«, meinte ich. »Sie können die Briefe erst gestern bekommen haben. Die hatten wohl schon längst Gewissensbisse.«
»Seb hat bezahlt«, sagte Bobby. Er rechnete die drei Beträge im Kopf zusammen und schob dann die Schecks zu mir herüber.
»Sie gehören dir.«
Ich zögerte.
»Nimm schon«, sagte er. »Du hast Montag unsere Rechnungen bezahlt. Wären die Schecks hier am Montag gekommen, hättest du das nicht gebraucht.«
Holly nickte.
»Was ist mit den Pflegerlöhnen diesen Freitag?« sagte ich.
Bobby zuckte frustriert die Achseln. »Wer weiß.«
»Was hat denn euer Banker eigentlich gesagt?« fragte ich.
»Der sadistische Hund«, meinte Bobby. »Saß da mit einem Grinsen auf seinem geleckten Gesicht und erzählte mir, ich solle freiwillig in Liquidation treten. Freiwillig!
Er sagte, wenn ich es nicht täte, bliebe der Bank keine andere Wahl, als das Konkursverfahren zu eröffnen. Keine Wahl! Natürlich haben sie die Wahl. Wieso haben die mir überhaupt das Geld für die Jährlinge geliehen, wenn sie sich fünf Minuten später so aufführen?«