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»Die Bank hat finanziert?«

Sie nickte. »Es ist ja nicht so, daß wir am Ende nicht alles wieder geregelt kriegen, aber wo hat das widerliche Blatt die Informationen her? Und was soll das überhaupt in der Zeitung? Ich meine, das ist doch witzlos.«

»Und was ist passiert?« fragte ich.

»Passiert ist, daß alle, denen wir Geld schulden, uns telefonisch aufgefordert haben zu bezahlen. Ich meine, wirklich happige Drohungen - sonst würden sie uns vor Gericht schleifen. Gestern den ganzen Tag ... und heute morgen rief der Futterhändler an, daß er uns kein Futter mehr liefert, wenn wir unsere Rechnung nicht begleichen. Dabei haben wir dreißig Pferde, die fressen, was das Zeug hält, und dauernd hängen die Besitzer in der Leitung, erkundigen sich, ob Bobby noch weiter trainiert, und lassen durchblicken, daß sie ihre Tiere vielleicht abholen.«

Ich war skeptisch. »Soviel Reaktion auf diese kleine Notiz?«

»Ja.« Sie war plötzlich den Tränen nahe. »Jemand hat die Zeitung bei der Hälfte aller Händler in Newmarket in den Briefkasten gesteckt, auf dieser Seite aufgeschlagen, und der Text war, genau wie hier, rot umrandet. Der Schmied hat’s mir gezeigt. Die Zeitung ist von ihm. Er kam, um einige der Pferde zu beschlagen, und ließ sich im voraus bezahlen. Machte einen Scherz darüber. Aber er meinte es trotzdem ernst. Nicht alle waren so nett.«

»Und ihr könnt wohl nicht allen einfach ihr Geld geben und sie zum Schweigen bringen?«

»Das weißt du doch genau. Der Banker würde die Schecks platzen lassen. Wir müssen es schrittweise machen, so wie immer. Sie kriegen alle ihr Geld, wenn sie sich gedulden.«

Bobby und Holly lebten nach ziemlich allgemeinem Brauch, indem sie ihr Konto ständig bis zum äußersten be-lasteten, das heißt, sie balancierten die eingehenden Schecks der Besitzer mit den Ausgaben für Futter, Löhne, Gemeinkosten und Steuern. Besitzer zahlten manchmal erst mit mehrmonatiger Verspätung, aber die Pferde mußten gefüttert werden und die Löhne für die Pfleger pünktlich kommen. Da konnte der Geldfluß schon einmal blok-kiert sein.

»Tja«, sagte ich, »hol dir noch einen dreifachen Gin, während ich mit der Prinzessin rede.«

Kapitel 2

Die Prinzessin Casilia, Madame de Brescou (um sie bei ihrem vollen Titel zu nennen) hatte wie üblich für den Renntag einige Freunde zum Lunch geladen, und ihre Loge enthielt außer mir selbst und den Vaughnleys eine kleine Kollektion an Pelzen und Tweedsachen, alle mit Trägern, die ich bei ähnlichen Gelegenheiten schon getroffen hatte.

»Sie kennen doch alle, nicht wahr?« sagte die Prinzessin, und ich nickte bejahend, obwohl ich mich an die Hälfte der Namen nicht erinnern konnte.

»Tee?« fragte sie.

»Ja, danke.«

Die gleiche Kellnerin wie sonst gab mir auch schon lächelnd eine volle Tasse. Keine Milch, kein Zucker, eine Scheibe Zitrone, wie immer.

Die Prinzessin hatte ihre Logen auf den Rennbahnen von einem Innenarchitekten ausstatten lassen, und sie waren alle gleich: hell pfirsichfarbene Jute an den Wänden, kaffeebrauner Teppichboden und ein Eßtisch mit gläserner Platte, umgeben von bequemen Stühlen. Bis zum Spätnachmittag, meiner gewohnten Besuchszeit, war der Tisch auf die Seite geschoben und nicht zum Lunch gedeckt, sondern mit Sandwichplatten, Buttergebäck, verschiedenen Alkoholika und einer Kiste Zigarren dekoriert. Die Freunde der Prinzessin neigten dazu, noch lange nach den letzten Rennen zu bleiben.

Einer der weiblichen Gäste nahm eine Platte mit lecker aussehenden Törtchen auf und bot sie mir an.

»Nein, danke«, sagte ich höflich. »Im Augenblick nicht.«

»Überhaupt nicht«, erklärte die Prinzessin ihrer Freundin.

»So was darf er nicht essen. Und führen Sie ihn nicht in Versuchung. Er hat Hunger.«

Die Freundin schaute überrascht und verwirrt drein. »Ach herrje. Daran hätte ich nie gedacht. Und er ist so groß.«

»Ich esse eine Menge«, sagte ich. »Nur so was nicht.«

Die Prinzessin, die zumindest eine Ahnung davon hatte, wie sehr ich ständig darum kämpfte, mein Körpergewicht auf 63 Kilo zu halten, warf mit einen ungläubig funkelnden Blick durch ihre Wimpern zu.

Die Freundin war einfach neugierig. »Was essen Sie denn meistens«, fragte sie, »wenn keine Törtchen?«

»Hummer beispielsweise«, sagte ich.

»Du liebe Zeit.«

Ihr Begleiter richtete über einem dicken Schnurrbart und langen Vorderzähnen ein kritisches Auge auf mich.

»Sie kamen in dem großen Rennen ein bißchen spät raus, was?« sagte er.

»Leider ja.«

»Konnte mir nicht vorstellen, warum Sie da hinten so lange fackeln. Hätten’s beinah ganz verpfuscht, was? Der Prinzessin war das äußerst peinlich, kann ich Ihnen sagen, denn natürlich hatten wir alle auf Sie gesetzt.«

Die Prinzessin sagte: »North Face kann sehr ungehorsam sein, Jack. Ich habe es Ihnen doch erzählt. Er ist so eigenwillig. Manchmal kriegt man ihn kaum zum Reiten.«

»Es ist Sache des Jockeys, ihn zum Reiten zu bringen«, erklärte Jack mit einer Spur von Angriffslust. »Sind Sie nicht meiner Meinung, was?«

»Doch«, sagte ich. »Ich bin Ihrer Meinung.«

Jack schien ein wenig aus der Fassung gebracht, und die Mundwinkel der Prinzessin zuckten.

»Und dann haben Sie ihn in Flammen gesetzt«, bemerkte Lord Vaughnley, der das Gespräch mit anhörte. »Sie haben uns ein mitreißendes Finish geliefert. Etwas, wofür ein Sponsor betet, mein lieber Mann. Denkwürdig. Eine Sache, über die man reden wird, die haftenbleibt. Das Finish von North Face im Towncrier Trophy: erste Klasse. Hervorragend, finden Sie nicht?«

Jack fand das wohl, zog aber vor, nichts davon zu halten, und wanderte ab. Lord Vaughnleys graue Augen blickten jovial aus seinem großen, freundlichen Gesicht, und er klopfte mir mit gutgemeintem Beifall auf die Schulter.

»Das dritte Mal nacheinander«, sagte er. »Sie haben uns eine große Ehre erwiesen. Möchten Sie mal dabeisein, wenn die Zeitung samstags abends zu Bett gebracht wird?«

»Ja«, sagte ich überrascht, »sehr gern.«

»Vielleicht drucken wir ein Bild von Ihnen, wie Sie zusehen, wie ein Bild von Ihnen aus der Rotation kommt.«

Mehr als Jovialität, dachte ich, hinter den grauen Augen - ein Zeitungsmensch mit Leib und Seele.

Er war um die Fünfzig und hatte den Towncrier geerbt als Sohn eines Zeitungsbarons alten Stils, der sich in den dreißiger Jahren nach oben boxte und Millionen Frühstücksrunden mit grellem neuem Leben erfüllte. Vaughn-ley senior hatte eine schwindsüchtige Provinzwochenzeitung gekauft und sie in ein kraftvolles, landesweit gelesenes Medium verwandelt. Er hatte sie in die Fleet Street gebracht, den jähen Anstieg ihrer Auflage erlebt und zu gegebener Zeit eine tägliche Ausgabe gestartet, die sich immer noch erfolgreich hielt, obwohl es an bissigen Angriffen von neueren Rivalen nicht fehlte.

Der alte Herr war ein schillernder, freibeuterischer Unternehmer gewesen. Der Sohn war ruhiger, im Grunde seines Wesens ein Manager, ein Werbefachmann. Der Town-crier, einst ein reißerisches Nachrichtenblatt, hatte in den letzten zehn Jahren den Weg zum Establishment gefunden, und das war ein sprechendes Zeugnis für den Wechsel von der älteren Persönlichkeit zu der jüngeren.

Ich dachte an Hugh Vaughnley, den Sohn und Nachfolger, den kraftlos sanften jungen Mann, der gegenwärtig offenbar mit seinen Eltern im Streit lag. In seinen Händen würde der Towncrier, wenn er überhaupt bestehen blieb, auf Flausen, Plattheiten und Schmus herunterkommen.

Die Daily Flag, noch in ihrer dreistesten Phase und eine der heftigsten Gegnerinnen des Towncrier, war kürzlich nach bitteren Ränkespielen von einem aufstrebenden Finanzier gekauft worden, einem Mann, der angeblich nach Macht und Adel dürstete und beides auf bewährten Wegen zu erlangen suchte. Die Flag war rührig, rabiat, trat mit Vorliebe auf unantastbare Zehen und rühmte sich täglich neuer Leser.