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»Ich verkaufe nichts«, versicherte ich ihr.

»Das Geschäft ist hinterm Parkplatz und den Weg hinunter, auf der linken Seite.« Sie deutete ein Nicken an und zog sich hinter ihre lavendelfarbene Tür zurück, und ich ging, wohin sie mich gewiesen hatte.

Ich fand die mühelos erkennbaren Perrysides, als sie eben aus dem winzigen Dorfladen herauskamen, beide trugen einen Korb und bewegten sich ungemein langsam. Ich trat ohne Eile auf sie zu und fragte, ob ich vielleicht behilflich sein könne.

»Nett von Ihnen«, sagte der Major barsch und hielt mir seinen Korb hin.

»Was wollen Sie verkaufen?« fragte Lucy Perryside mißtrauisch, als sie mir ihren überließ. »Was immer es ist, wir kaufen’s nicht.«

Die Körbe waren leicht, ihr Inhalt sah mager aus.

»Ich will nichts verkaufen«, sagte ich und schloß mich ihnen und ihrem Schneckentempo an, das offenbar von den wackligen Beinen des Majors diktiert wurde. »Sagt Ihnen der Name Fielding etwas?«

Sie schüttelten die Köpfe.

Lucy hatte unter ihrem zerbeulten Anglerhut aus Tweed ein herrschaftliches Gesicht, stark gerunzelt vom Alter, um den Mund aber straff. Sie sprach mit der klaren Diktion der höheren Klassen und hielt den Rücken stockgerade wie zum Trotz gegen die Angriffe der Zeit. Lucy Perryside hatte in wechselnder Gestalt und in wechselnden Jahrhunderten Stolz gegen grausames Unglück aufgeboten und war ungebeugt hindurchgekommen.

»Mein Name ist Kit Fielding«, sagte ich. »Mein Großvater trainiert Pferde in Newmarket.«

Der Major blieb gänzlich stehen. »Fielding. Ja. Ich erinnere mich. Wir reden nicht gern vom Rennsport. Lassen Sie das Thema lieber, seien Sie so gut.«

Ich nickte leicht, und wir zogen weiter den kalten kleinen Weg entlang, wo die kahlen Bäume verschattet waren von in der Luft liegendem Nieselregen; nach einer Weile sagte Lucy: »Deswegen ist er gekommen, Clement - um über Rennsport zu sprechen.«

»Stimmt das?« fragte der Major beunruhigt.

»Leider ja.«

Diesmal ging er jedoch weiter, resigniert, wie mir schien; und ich meinte die Enttäuschungen und bergab führenden Anpassungen zu spüren, die er mitgemacht hatte, indem er seinen Schmerz herunterschluckte und würdevoll auftrat, höflich im Angesicht von Katastrophen.

»Sind Sie Journalist?« fragte Lucy.

»Nein ... Jockey.«

Sie musterte mich mit einem Blick von Kopf bis Fuß. »Sie sind zu groß für einen Jockey.«

»Jagdrennen«, sagte ich.

»Oh.« Sie nickte. »Wir hatten keine Hindernispferde.«

»Ich drehe einen Film«, sagte ich. »Eine Dokumentation über Pech im Rennsport. Und da habe ich mich gefragt, ob Sie mir bei einer Episode behilflich sein würden. Gegen Bezahlung natürlich.«

Sie warfen sich einen Blick zu, erkundeten jeder die Reaktion des anderen und beschlossen offenbar in ihrer Privatsprache, das Angebot nicht abzulehnen, ohne es erst zu hören.

»Was müßten wir tun?« fragte Lucy nüchtern.

»Einfach reden. In meine Kamera sprechen.« Ich deutete auf die Tasche, die ich zusammen mit den Körben trug. »Es wäre nicht schwierig.«

»Thema?« fragte der Major, und bevor ich es ihm mitteilen konnte, seufzte er und sagte: »Metavane?«

»Ja«, erwiderte ich.

Sie stellten sich darauf ein wie auf ein Exekutionskommando, und Lucy sagte schließlich: »Gegen Bezahlung. Nun gut.«

Ich nannte einen Betrag. Dazu äußerten sie sich nicht, aber aus ihrem zustimmenden Nicken ging hervor, daß es genügte, daß es eine Erleichterung war, daß sie das Geld dringend brauchten.

Wir setzten unseren Weg fort, über den Parkplatz, dann den Pfad hinunter und durch ihre blaue Haustür, und auf ihre einladende Geste hin holte ich die Kamera heraus und legte eine Kassette ein.

Sie ließen sich zwanglos Seite an Seite auf dem Sofa nieder, dessen Chintzbezug hier und da mit verschiedenen Stoffen geflickt war. Sie saßen in einem unerwartet geräumigen Zimmer, gegenüber großen Schiebefenstern, die auf einen winzigen, abgeschiedenen, gepflasterten Bereich gingen, wo sie im Sommer in der Sonne sitzen konnten. Es gab ein Schlafzimmer, sagte Lucy, eine Küche und ein Bad, und wie ich sehen konnte, hatten sie es gemütlich.

Ich sah auch, daß ihre Möbel zwar spärlich, aber antik waren und daß, davon abgesehen, anscheinend alles Verkaufbare verkauft worden war.

Ich stellte die Kamera so ein, wie ich es gezeigt bekommen hatte, balancierte sie mit einem Stapel Bücher auf einem Tisch und kniete mich dahinter, um durch den Sucher zu schauen.

»Okay«, sagte ich. »Ich stelle Ihnen Fragen. Würden Sie bitte in das Kameraobjektiv sehen, während Sie sprechen?«

Beide nickten. Sie nahm seine Hand: eher, um Mut zu machen, dachte ich, als welchen zu bekommen.

Ich schaltete die Kamera ein, so daß sie lautlos aufzunehmen begann, und sagte: »Major, würden Sie mir erzählen, wie Sie dazu kamen, Metavane zu kaufen?«

Der Major schluckte und kniff halb die Augen zusammen, sah würdevoll, aber unglücklich drein.

»Major«, wiederholte ich überredend, »erzählen Sie mir bitte, wie Sie Metavane gekauft haben?«

Er räusperte sich. »Ich ehm ... wir ... hatten immer mal wieder ein Pferd. Jeweils eins. Mehr konnten wir uns nicht leisten, nicht wahr? Hatten sie aber sehr gern.« Er hielt in-ne. »Wir baten unseren Trainer ... der hieß Allardeck ... uns bei den Auktionen ein Pferd zu kaufen. Nicht zu teuer, versteht sich. Nicht über zehntausend. Das war immer die Grenze. Aber für den Preis hatten wir eine Menge Spaß, eine Menge Vergnügen. Ein paar Tausend für ein Pferd alle vier, fünf Jahre, und die Trainingskosten. Recht gut gestellt, wie Sie sehen.«

»Fahren Sie fort, Major«, sagte ich warm, als er schwieg. »Sie machen das ganz vorzüglich.«

Er schluckte. »Allardeck kaufte uns einen Junghengst, den wir sehr mochten. Nicht überragend im Aussehen, eher klein, aber gute Blutlinien. Unser Pferd. Wir waren begeistert. Er wurde den Winter über zugeritten, und im Frühling begann er schnell zu werden. Allardeck sagte, wir sollten ihn aber erst im Herbst rennen lassen, und natürlich nahmen wir seinen Rat an.« Er hielt inne. »Während des Sommers entwickelte er sich glänzend, und Allardeck sagte uns, er habe sehr viel Speed und wenn alles gutginge, hätten wir da wirklich einen Trumpf in der Hand.«

Die alte Erinnerung an diese berauschenden Zeiten entfachte eine schwache Glut in seinen Augen, und ich sah den Major, wie er damals gewesen sein mußte - voll jungenhafter Begeisterung, unaufdringlich stolz.

»Und dann, Major, was geschah dann?«

Die Glut verblaßte und verschwand. Er zuckte die Achseln. Er sagte: »Hatten ein bißchen Pech, nicht wahr.«

Er schien unschlüssig, wieviel er erzählen sollte, aber Lucy kannte, nachdem sie sich des Geldes wegen verpflichtet hatte, weniger Hemmungen.

»Clement war Mitglied bei Lloyd’s«, sagte sie. »Er war bei einem dieser Konsortien, die zusammengebrochen sind ... da waren viele Rennsportleute, erinnern Sie sich? Natürlich wurde er aufgefordert, seinen Teil an den Verlusten zu ersetzen.«

»Ich verstehe«, sagte ich und verstand in der Tat. Versicherungen zu übernehmen war großartig, solange man nicht wirklich zur Kasse gebeten wurde.

»Einhundertunddreiundneunzigtausend Pfund«, sagte der Major mit schwerer Stimme, als wäre der Schock noch völlig frisch, »zusätzlich zu meiner Lloyd’s-Einlage, und das waren noch mal fünfundzwanzigtausend. Die kassierte

Lloyd’s natürlich sofort. Und es waren schlechte Zeiten, um Aktien zu verkaufen. Die Marktpreise fielen. Wir überlegten hin und her, nicht wahr, was wir unternehmen könnten.« Er schwieg düster, fuhr dann fort: »Unser Haus war bereits mit Hypotheken belastet. Die Finanzberater, verstehen Sie, hatten uns immer gesagt, es sei am besten, auf sein Haus Hypotheken aufzunehmen und das Geld anzulegen. Aber die Anlagen waren stark gefallen ... manche von ihnen erholten sich nie.«