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Lucy streichelte zärtlich seine Hand. »Wir sind beide zweiundachtzig, nicht wahr«, sagte sie.

»Und keine Kinder?« frage ich.

»Keine Kinder«, erwiderte Lucy bedauernd. »Es hat nicht sollen sein.«

Ich packte die Kamera weg, dankte ihnen und gab ihnen das Bargeld, das ich besorgt hatte, um Bobbys Pfleger zu bezahlen, und zwar indem ich einen von Bobbys Schecks bei meinem Jockeydiener in Newbury einlöste. Für den Jockeydiener, eine wandelnde Bank, war das reine Routine gewesen, und er hatte sich bereit erklärt, Geld für die anderen Schecks nach Towcester mitzubringen.

Der Major und Lucy nahmen das Geld mit einiger Verlegenheit, aber mehr noch mit Erleichterung, und ich fragte mich, ob sie befürchtet hatten, ich würde sie vielleicht gar nicht bezahlen, wenn ich erst einmal hatte, was ich wollte. Sie waren durch eine harte Schule gegangen.

Ich sah auf meine Uhr und fragte, ob ich kurz auf Kreditkarte bei ihnen telefonieren dürfe. Sie nickten beide, und ich rief den Filialleiter meiner Bank an.

»John«, sagte ich.

»Kit.«

»Hören Sie, ich bin in Eile, schon auf dem Weg nach Towcester, wo ich reite, aber mir ist was eingefallen ... Es stimmt doch, daß ohne mein Wissen Geld auf mein Konto gezahlt werden kann?«

»Ja, durch Direktüberweisung von einer anderen Bank, wie Ihre Reithonorare. Aber das würden Sie auf Ihrem nächsten Auszug sehen.«

»Tja«, sagte ich, »könnten Sie dafür sorgen, daß außer meinen Reithonoraren nichts eingezahlt wird? Falls sonst irgend etwas kommt - könnten Sie das von meinem Konto fernhalten?«

»Ja, kann ich«, meinte er unsicher, »aber warum?«

»Gestern abend hat mir jemand Bestechungsgeld angeboten«, sagte ich. »Es roch allzusehr nach einer Falle. Ich möchte nicht erleben, daß ich durch die Hintertür für etwas bezahlt worden bin, was ich nicht zu tun gedenke. Ich möchte mich nicht vor den Stewards wiederfinden und ihnen erklären müssen, daß ich das Geld nicht genommen habe.«

Er sagte nach einem kurzen Schweigen: »Ist das eine von Ihren Eingebungen?«

»Ich dachte nur, ich sollte Vorsichtsmaßnahmen treffen.«

»Ja«, sagte er. »In Ordnung. Falls etwas kommt, werde ich bei Ihnen zurückfragen, ehe ich es Ihrem Konto gutschreibe.«

»Danke«, sagte ich. »Verbleiben wir so bis auf weiteres.«

»Und vielleicht könnten Sie mir Ihre Anweisungen kurz noch schriftlich geben. Dann wären Sie ganz abgesichert, wenn es vor die Stewards käme.«

»Ich weiß nicht«, sagte ich, »was ich ohne Sie anfangen würde.«

Ich verabschiedete mich von den Perrysides und überlegte, als ich wegfuhr, daß es ihr völliger Verzicht auf vernünftige Vorsichtsmaßregeln war, der mich auf den Gedanken gebracht hatte, daß ich so klug sein sollte, meine eigenen zu treffen.

Sie hätten sich zunächst einmal gegen einen katastrophalen Verlust bei Lloyd’s versichern sollen, und sie hätten einen unabhängigen Tierarzt zur Untersuchung von Metavane hinzuziehen sollen. Hinterher waren solche Dinge immer leicht einzusehen. Der Trick zum Überleben bestand darin, vorher an sie zu denken.

Towcester war eine Bahn auf dem tiefsten Land, inmitten weiter grüner Hügel, sechzig Meilen nordwestlich von London. Während der Fahrt dorthin waren meine Gedanken überall, nur nicht bei den Pferden, die auf mich zukamen.

Vor allem dachte ich über Vorsichtsmaßregeln nach.

Im Auto hatte ich neben meinem Handkoffer die Videokassetten von Maynard, das Band von den Perrysides, die Videokamera und eine kleine Reisetasche von Holly mit den Anzugjacken und anderen Habseligkeiten von Jay

Erskine und Owen Watts. Ohne alle diese Dinge würde ich keine Entschädigung, keine Zukunft für Bobby und Holly herausholen können, und mir kam der Gedanke, daß ich dafür sorgen sollte, daß sie keiner klaute.

Sam Leggatt oder sonst jemand von der Flag würde erkennen, daß es bedeutend billiger und weniger schmerzlich wäre, die Sachen der Journalisten auf diesem Weg wiederzuerlangen, als wenn sie Geld herausrückten und demütige Entschuldigungen druckten und verteilten.

Owen Watts und Jay Erskine mußten nach den Schrammen, die sie davongetragen hatten, Rachegelüste haben, und sie konnten buchstäblich überall sein, Gott weiß was aushecken.

Ich war unterwegs zu einem Termin und einem Ort, die in über der Hälfte aller Tageszeitungen abgedruckt waren: Mein Name stand klar und deutlich auf den Rennsportseiten, über Nacht angekündigt für die Rennen um halb zwei, zwei, drei und um halb vier.

Wenn ich Jay Erskine wäre, dachte ich, würde ich um halb zwei, zwei, drei oder halb vier den Mercedes von Kit Fielding aufknacken.

Wäre ich Owen Watts, würde ich vielleicht um diese Zeit in Kit Fieldings Cottage in Lambourn einbrechen.

Sie konnten es tun.

Sie konnten es lassen.

Ich glaubte nicht, daß ein kleiner Bruch ihr Gewissen im mindesten belasten würde, zumal die Strafe für nachweisliches Abhören derzeit bis zu zweitausend Pfund oder bis zu zwei Jahren Gefängnis betrug, oder auch beides zusammen.

Ich wußte nicht, ob ich sie von der Rauferei im Dunkeln her erkennen würde. Sie konnten es sich jedoch zur Aufgabe machen, mich zu erkennen. Meine Ankunft auf dem Parkplatz der Jockeys erwarten. Sich meinen Wagen merken.

Es waren fünfundvierzig Minuten zu fahren vom Dorf der Perrysides bis zur Rennbahn Towcester, und während der halben Fahrt dachte ich, ich bilde mir da unnötig was ein.

Dann fuhr ich abrupt in die Stadtmitte von Bletchley und meldete mich in einem alten und offenbar gutgehenden Hotel an, dem Goldenen Löwen. Sie zogen meine Kreditkarte durch und wiesen mich in ein freundliches Zimmer, wo ich die Jacketts von Watts und Erskine in den Schrank hängte, meine Übernachtungssachen im Bad drapierte und alles übrige in einer Schublade verstaute. Der Empfangschef nickte freundlich und unpersönlich, als ich beim Weggehen meinen Schlüssel am Schalter abgab, sonst nahm niemand Notiz. Ein Blick auf die Uhr ließ mich zwar zusammenzucken, aber ich fühlte mich doch entschieden sicherer und überschritt die Geschwindigkeitsbegrenzung bis Towcester.

Die Anfänger der Prinzessin waren mein erster und letzter notierter Ritt, dazwischen lagen ein weiterer für Wykeham und einer für den Trainer in Lambourn.

Die Prinzessin wartete mit ihrer gewohnten sanft strahlenden Patina im Führring, als ich dorthin kam, und Danielle ebenfalls, die an diesem feuchten Tag einen glänzenden, flammendroten Mantel über der schwarzen Hose trug. Wahrscheinlich war mir meine Freude anzusehen. Jedenfalls lächelten sie beide hochnäsig, wie Frauen das tun, wenn sie sich bewundert wissen, und Danielle gab mir, anstatt meine Hand zu schütteln, einen flüchtigen Kuß auf die Wange. Eine halbe Berührung von Haut zu Haut, aus dem Stegreif, deren Empfindung überraschend in meinen Nervenspitzen nachklang.

Sie lachte. »Wie geht’s?« sagte sie.

»Prima. Und Ihnen?«

»Großartig.«

Die Prinzessin sagte milde: »Was haben wir von Kinley zu erwarten, Kit?«

Eine Sekunde verstand ich nur Bahnhof, bis mir einfiel, daß Kinley ihr Pferd war. Dasjenige, das ich reiten sollte: ein drei Jahre alter, noch unverschnittener Apfelschimmel, der im ersten Rennen seines Lebens als zweiter Favorit an die Startmaschine ging. Höchste Zeit, dachte ich, mich auf meine Aufgabe zu konzentrieren.

»Dusty sagt, die Reise ist ihm bekommen; er ist erregt, schwitzt aber nicht«, sagte ich.

»Und das ist gut?« fragte Danielle.

»Das ist gut«, nickte die Prinzessin.

»Er ist reif für drei Jahre, er springt zu Hause super, und ich halte ihn für schnell.«

»Und wahrscheinlich hängt alles davon ab, ob es ihm heute gefällt.«

»Ja«, sagte ich. »Ich werde mein Bestes tun.«

»Ihm gefällt?« fragte Danielle überrascht.

»Den meisten Pferden gefällt es«, sagte ich. »Sonst rennen sie nicht.«