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»Wahrscheinlich.«

»Was heißt, wahrscheinlich? Können Sie das nicht spüren?« »Nein.« Ich schaute unter meine Jacke, rechts und links.

»Also?« fragte Danielle.

»Ein bißchen«, sagte ich.

Vielleicht hatten die Schwergewichtler nicht damit gerechnet, daß ich noch springen würde, nachdem ihre Messer schon steckten. Jedenfalls hatten sie zu langsam reagiert, um mich zu stoppen; zwar entschlossen zugestochen, aber zu spät. Der Schmerz war kurz gewesen, die Nachwirkung unerheblich. Ein bißchen Blut machte jedoch viel her.

Die Prinzessin sagte resigniert: »Haben wir keinen Verbandskasten, Thomas?«

Thomas sagte: »Doch, Madam«, und holte einen schwarzen Kasten aus einem Fach hervor. Er reichte ihn über seine Schulter nach hinten, und als ich ihn öffnete, stellte ich fest, daß er handliche, wattierte, saugfähige antiseptische Binden und alle Arten von Salben und Heftpflastern enthielt. Ich nahm einen der dicken Verbände heraus und sah mich von zwei Augenpaaren beobachtet.

»Verzeihen Sie«, sagte ich verlegen.

»Es ist Ihnen ja peinlich!« sagte Danielle.

»Mm.«

Die ganze Situation war mir peinlich. Die Prinzessin wandte ihren Kopf ab und betrachtete die vorbeiziehenden Felder, während ich unter meinem Hemd herumtastete, um den Verband an Ort und Stelle zu bringen. Wo immer die Wunden sein mochten, es war zu weit hinten, als daß ich sie hätte sehen können.

»Herr im Himmel«, sagte Danielle, die immer noch zuschaute, »lassen Sie mich das machen.«

Sie wechselte von dem Rücksitz mir gegenüber auf den Klappsitz an meiner Seite, nahm mir den Verband aus der

Hand und forderte mich auf, Hemd und Jacke hochzuhalten, damit sie sehen könne, was Sache war. Als ich es tat, hob sie langsam den Kopf und schaute mich an.

»Ich nehme Ihnen einfach nicht ab, daß Sie das nicht spüren können.«

Ich lächelte ihr in die Augen. Was immer ich spürte, war ein Nadelstich gegenüber dem, was mir gedroht hatte. »Legen Sie den Verband auf«, sagte ich.

»Na gut.«

Sie legte ihn auf, und wir tauschten die Plätze, damit sie auch die linke Seite versorgen konnte. »Schöne Bescherung«, meinte sie dann, wischte sich die Hände ab und nahm wieder Platz auf dem Rücksitz, während ich mir provisorisch das Hemd in die Hose stopfte. »Der erste Schnitt da ist lang und gräßlich tief und muß genäht werden.«

Die Prinzessin hörte auf, zum Fenster hinauszustarren, und sah mich abschätzend an.

»Ich kann morgen starten«, sagte ich.

Ihre Mundwinkel zuckten. »Ich glaube, das würden Sie mir auch sagen, wenn Sie beide Beine gebrochen hätten.«

»Wahrscheinlich ja.«

»Madam«, sagte Thomas, »wir nähern uns der Schnellstraße, und der graue Ford ist uns immer noch auf den Fersen.«

Die Prinzessin machte eine unentschlossene Geste mit den Händen. »Wir fahren wohl besser weiter«, sagte sie. »Was meint ihr?«

»Weiter«, sagte Danielle entschieden, und Thomas und ich nickten.

»Also gut. Weiter nach London. Und jetzt, Kit, erzählen Sie uns mal, was los ist.«

Ich erzählte ihnen, wie Bobby und ich die Journalisten beim Abmontieren ihrer Lauschanlage überrascht und ihnen die Jacketts ausgezogen hatten, bevor wir sie laufenließen.

Die Prinzessin sah verständnislos drein.

Ich sagte, daß ich angeboten hätte, die Jacketts herauszugeben, wenn die Flag eine Entschuldigung drucken und außerdem eine Entschädigung an Bobby zahlen würde. Ich erklärte, wie ich meinen aufgebrochenen Wagen entdeckt hatte und wie dann plötzlich meine Angreifer erschienen waren.

»Sie wollten diese Jacken«, sagte ich. »Und wenn ich auch an Einbruch gedacht hatte, mit Gewalt hatte ich nicht gerechnet.« Ich wußte selbst nicht, warum - nach dem tätlichen Angriff von Bobby auf Owen Watts. Ich hielt inne. »Ich kann Ihnen gar nicht genug danken.«

»Danken Sie Thomas«, sagte die Prinzessin. »Thomas meinte, Sie seien in Schwierigkeiten. Ich hätte es nicht gemerkt.«

»Schönen Dank, Thomas.«

»Man konnte es auf eine Meile Entfernung sehen«, sagte er.

»Sie haben ziemlich schnell die Kurve gekriegt.«

»Ich hörte mal einen Vortrag, wie man die Entführung seines Arbeitgebers verhindert.«

»Thomas!« staunte die Prinzessin. »Ist das wirklich wahr?«

Er sagte ernst: »Ich würde Sie nicht verlieren wollen, Madam.«

Die Prinzessin war gerührt und fand ausnahmsweise keine glatte Antwort. Thomas, der sie hingebungsvoll seit Jahren fuhr, war ein großer, stiller Londoner mittleren Alters, mit dem ich mich meistens kurz auf den Rennbahnparkplätzen unterhielt, wo er im Rolls saß und Bücher las. Vor langer Zeit hatte ich ihn mal gefragt, ob es ihn nicht langweile, jeden Tag zu den Rennen zu fahren, da er sich nicht sonderlich für Pferde interessierte und auch nicht wettete, und er hatte nein gesagt; er mochte die langen Fahrten, er mochte seine Einsamkeit, und vor allem mochte er die Prinzessin. Er und ich, in vieler Hinsicht Gegensätze, hätten wohl beide für die Dame unser Leben gegeben.

Trotz alledem konnte ich mir denken, daß sie auf die im Augenblick bestehende Unruhe keinen großen Wert legte. Ich blickte zurück auf den grauen Wagen, der uns unverändert folgte, und begann zu überlegen, wie man sich ihm entziehen könnte. Ich dachte eben daran, daß wir vielleicht in dichtes Unterholz abtauchen sollten, sobald wir von der Schnellstraße herunter waren, da scherte der Wagen hinter uns plötzlich gefährlich aus, querte unter einem wilden Hupkonzert die Kriechspur und verschwand in einer Nebenstraße.

Thomas stieß eine Art von Knurren hervor und meinte erleichtert: »Sie sind zu einer Tankstelle.«

»Heißt das, wir sind sie los?« sagte Danielle und sah nach hinten.

»Sie haben sich abgesetzt.« Um, wie ich annahm, eine Mißerfolgsstory durchzugeben.

Die Prinzessin sagte: »Gut«, als wäre die Angelegenheit damit gänzlich erledigt, und begann frischweg von ihren Pferden zu reden, von den Glanzlichtern des Tages, von erfreulicheren Aufregungen. Entschlossen und geschickt lenkte sie von dem fremden, gewalttätigen Schrecken verletzenden Stahls zurück zu der heilen, vertrauten Gefahr, sich das Genick zu brechen.

Bis wir London Mitte erreichten, hatte sie der Atmosphäre den Anschein völliger Normalität wiedergegeben, als wäre meine Anwesenheit in ihrem Wagen etwas ganz Alltägliches, ohne Rücksicht auf das stürmische Entree. Sie hätte noch mit guten Manieren das Schafott bestiegen, dachte ich und war dankbar für die Ruhe, die sie über uns gebracht hatte.

Auf der letzten Meile des Heimwegs, während die Dämmerung in Dunkelheit überging, fragte die Prinzessin Thomas, ob er ihre Nichte wie gewohnt nach Chiswick fahren und sie dort wieder abholen würde, wenn sie mit der Arbeit fertig sei.

»Sehr wohl, Madam.«

»Vielleicht«, sagte ich, »könnte ich ja Danielle holen? Thomas die Fahrt ersparen.«

»Um zwei Uhr früh?« sagte Danielle.

»Warum nicht?«

»Okay.«

Die Prinzessin äußerte sich nicht dazu, zeigte keine Empfindung. »Es scheint, Sie haben die Nacht frei, Thomas«, war alles, was sie sagte, und zu mir: »Wenn Sie zur Polizei möchten, fährt Thomas Sie hin.«

Ich schüttelte den Kopf. »Ich gehe nicht zur Polizei.«

»Aber«, meinte sie zweifelnd, »diese gräßlichen Männer .«

»Wenn ich zur Polizei gehe, kommen Sie in die Zeitung.«

Sie sagte ausdruckslos: »Oh.« Daß sie durch die Gegend kurvte und ihren Jockey vor einer Bande messerschwingender Gorillas rettete, war nicht die Art von Publicity, nach der es sie verlangte. »Tun Sie, was Ihnen am besten erscheint«, sagte sie leise.

»Ja.«

Thomas hielt vor ihrem Haus am Eaton Square und öffnete uns zum Aussteigen den Wagenschlag. Auf dem Trottoir dankte ich der Prinzessin für die Fahrt. Höflichkeit war Trumpf. Mit einem kaum merklichen Anflug von Belustigung sagte sie, sie würde mich ja bestimmt in Ascot sehen, bot mir wie an jedem anderen Tag die Hand und nahm meine angedeutete Verbeugung entgegen.