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Wir kehrten zurück an ihren Nachrichtentisch, wo ich die nächste Stunde über saß und der fortschreitenden Entwicklung der Ereignisse lauschte (Devil-Boy war heil, gesund und komplett zurechtgemacht am Bühneneingang angekommen, umflammt von Technicolorlicht, hysterisch bejubelt von einer Straße voll Fans). Außerdem lernte ich Danielles Arbeitskollegen kennen, den Büroleiter, den Redakteur Joe, den hageren Übertragungsexperten, zwei Ersatzkameramänner und eine gelangweilte, unbeauftragte Macherin. Rund sechzig Leute arbeiteten insgesamt für das Büro, sagte Danielle, aber natürlich nie alle zur gleichen Zeit. Die Tagschicht von zehn bis halb sieben war viel größer; tagsüber wurde ihr Job von zweien ausgeführt.

Um eins rief Ed Cervano an und teilte mit, sie hätten zwar eine ganze Wagenladung spektakulärer Aufnahmen von dem Ölbrand zusammenbekommen, aber das Feuer sei jetzt unter Kontrolle und die Story so kalt wie Asche von gestern.

»Bringen Sie die Bänder trotzdem her«, sagte Danielle. »Wir haben keine Ölbrand-Archivbilder in der Bibliothek.«

Sie legte resigniert den Hörer auf. »So kann’s gehen.«

Die Crew vom königlichen Galaabend kehrte lärmend mit Devil-Boys Kapriolen im Gepäck zurück, und zur gleichen Zeit legte ein Geschäftsbote einen Stapel Morgenzeitungen auf Danielles Tisch, die sie nach möglichen Stories durchforsten sollte. Es traf sich, daß die Daily Flag zuoberst lag, und ich schlug die Intimen Details auf, um Leggatts Worte noch einmal zu lesen.

»Was schauen Sie?« fragte Danielle.

Ich zeigte es ihr. Sie las die Entschuldigung und staunte.

»Ich dachte, Sie hätten keine Chance«, sagte sie offen. »Haben sie der Entschädigung auch zugestimmt?«

»Bis jetzt nicht.«

»Sie werden’s müssen«, sagte sie. »Die haben ihre Schuld doch praktisch eingestanden.«

Ich schüttelte den Kopf. »Von britischen Gerichten bekommt man bei Verleumdung nicht viel Schadenersatz zugesprochen. Es ist fraglich, ob Bobby einen Prozeß tatsächlich gewinnen würde, und ebensowenig sicher, ob die Flag seine Kosten übernehmen müßte. Sonst kann er sich einfach die Anwaltshonorare nicht leisten.«

Sie starrte mich an. »Bei uns zu Hause werden die Anwälte nur bezahlt, wenn man gewinnt. Dann streichen sie ihren Anteil vom Schadenersatz ein. Vierzig Prozent manchmal.«

»So ist das hier nicht.«

Hier, dachte ich dumpf, wurde mit Drohungen gehandelt. Auf der einen Seite: Ich sorge dafür, daß ihnen der Presserat auf die Pfoten klopft, ich sorge dafür, daß man Fragen im Parlament stellt, ich sehe zu, daß Ihr vorbestrafter Schreiber wieder vor den Kadi kommt. Auf der anderen, ich trenne Ihnen die Sehnen durch, ich bringe Sie wegen Bestechlichkeit um Ihre Lizenz als Jockey, ich bringe

Sie hinter Gitter. Mit Schimpf und Schande, und mit Trompetenschall.

Kriegt mich erst mal, dachte ich.

Kapitel 15

Ich sah Joe, dem dunkelhäutigen Redakteur, zu, wie er sich mit flinken Fingern durch eine Menge ungesichte-ter, lärmender Filmmeter wühlte, dabei in einer Art privatem Kommentar mit der Zunge schnalzte und die ausgewählten Abschnitte markierte, die er aneinanderreihte, um die grellstmögliche Wirkung zu erzielen. Kaleidoskopische Ankunft von Devil-Boy, früheres Eintreffen geladener Prominenz, zapplige Uraufführung des neuen, unverständlichen Songs.

»Dreißig Sekunden«, sagte er, als er die fertige Sequenz durchlaufen ließ. »Vielleicht nehmen sie alles, vielleicht auch nicht.«

»Ich finde es gut.«

»Dreißig Sekunden sind ein langer Nachrichtenspot.« Er holte das zurückgespulte Band aus dem Gerät, steckte es in eine schon beschriftete Kassette und gab es dem hageren Übertragungsmann, der darauf wartete, es mitzunehmen. »Danielle sagt, Sie wollen schneiden lernen, also was möchten Sie wissen?«

»Ehm ... was diese Geräte können, zunächst mal.«

»Ziemlich viel.« Er ließ seine dunklen Finger über die Tastaturen flattern, die er kaum berührte. »Sie spielen jedes Bandformat, jedes Fabrikat und überspielen auf jedes andere. Man kann damit den Ton verstärken, rausnehmen, versetzen, jeden beliebigen Sound unterlegen. Sie können die Tonspur eines Bandes auf die Bilder eines anderen

bringen, Sie können zwei Bänder so zusammenschneiden, daß es aussieht, als ob die Leute miteinander reden, obwohl sie Stunden und Meilen entfernt aufgenommen wurden, Sie können damit lügen, lügen und nochmals lügen und die Wahrheit als Blendwerk erscheinen lassen.«

»Sonst noch was?«

»Das wär’s so ungefähr.«

Er zeigte mir, wie einige seiner Effekte zu erzielen waren, doch sein Tempo verwirrte mich.

»Haben Sie ein bestimmtes Band, das Sie bearbeiten wollen?« fragte er schließlich.

»Ja, aber das möchte ich erst noch erweitern, wenn ich kann.«

Er sah mich abschätzend an, ein selbstbewußter Schwarzer, vielleicht so alt wie ich, mit einem Anflug von Humor in den Augen, aber selten lächelndem Mund. Ich kam mir unordentlich vor in meinem Anorak neben seinem gepflegten Anzug und cremefarbenen Hemd; außerdem zerschlagen, verschwitzt und begriffsstutzig. Es war ein zu langer Tag gewesen, dachte ich kläglich.

»Danielle meint, Sie sind okay«, sagte er überraschend. »Ich sehe keinen Grund, warum Sie den Boss nicht bitten könnten, daß er Ihnen den Raum hier mal einen Abend überläßt, wenn wir nichts zu tun haben. Sie sagen mir, was Sie möchten, und ich schneide Ihnen Ihre Bänder, wenn Sie wollen.«

»Joe ist ein netter Kerl«, sagte Danielle, träge neben mir ausgestreckt, auf der Heimfahrt in dem gemieteten Mercedes. »Ganz klar, wenn er gesagt hat, er bearbeitet Ihr Band, dann meint er das auch. Er langweilt sich. Heute nacht hat er drei Stunden auf die Devil-Boy-Schote gewartet. Er schneidet schrecklich gern. Eine Leidenschaft von ihm. Er möchte beim Film arbeiten. Er wird sich Ihr Band mit Freuden vornehmen.«

Der befragte Büroleiter hatte sich als ebenso großzügig erwiesen. »Wenn Joe die Geräte benutzt, steht Ihnen nichts im Weg.«

Er hatte zu Danielle hinübergeschaut, die gesenkten Blickes Beiträge in den Morgenzeitungen ankreuzte. »Heute abend noch hat mir New York am Telefon zu unserem jüngsten Leistungsanstieg gratuliert. Das ist ihr Werk. Sie sagt, Sie sind okay, also sind Sie okay.«

Auch für Danielle war es ein langer Tag gewesen.

»Towcester«, sagte sie gähnend, »scheint Lichtjahre her zu sein.«

»Mm«, meinte ich. »Was hat denn Prinzessin Casilia gesagt, nachdem Sie am Eaton Square ins Haus gegangen waren?«

Danielle sah mich belustigt an. »In der Halle sagte sie mir, daß gute Manieren ein Zeichen von Stärke seien, und im Wohnzimmer fragte sie, ob ich der Meinung wäre, daß Sie wirklich in Ascot starten könnten.«

»Was haben Sie geantwortet?« fragte ich etwas bestürzt.

»Ich sagte, ja, Sie könnten.«

Ich entspannte mich. »Dann ist es gut.«

»Daß Sie verrückt seien«, sagte Danielle mild, »habe ich nicht gesagt; nur, daß Sie anscheinend nicht merken, wenn Sie verletzt sind. Tante Casilia meinte, das sei wohl ziemlich typisch für Hindernisjockeys.«

»Ich merke es schon«, sagte ich.

»Aber?«

»Tja ... wenn ich nicht reite, verdiene ich nichts. Oder schlimmer noch, wenn ich ein Rennen auf einem Pferd auslasse und es gewinnt, stellt der glückliche Besitzer vielleicht beim nächsten Mal den erstplazierten Jockey auf, so daß ich nicht nur das eine Honorar, sondern womöglich alle künftigen Ritte auf diesem Pferd einbüße.«

Sie wirkte beinahe enttäuscht. »Dann ist es die wirtschaftliche Seite, die Sie davon abhält, zerschnittene Rippen zur Kenntnis zu nehmen?«

»Wenigstens halb.«

»Und im übrigen?«

»Das, was Sie für Ihren Job empfinden. Was Joe für seinen fühlt. Ganz ähnlich.«