Das ist jetzt fast 30 Jahre her und geschah so in der zweiten Klasse der Primarschule in Schaffhausen. Damals hörten wir kleinen Buben aus dem Munde unseres Religionslehrers zum ersten Mal, daß im Himmel ein Kampf stattgefunden habe: da wäre eines Tages der Erzengel Luzifer vor Gott, den Herrn, getreten und habe erklärt: »Wir dienen Dir nicht mehr!«; daraufhin habe Gott dem starken Erzengel Gabriel befohlen, Lu-zifer und. die Aufsässigen mit dem Flammenschwert zu vernichten. Heute weiß ich, daß es im Alten Testament keinen Lu-zifer gibt. Das wäre auch unmöglich, denn die sagenumwobene Gestalt des moses, in der die Autoren des Alten Testaments subsumiert werden, soll um 1225 v. d. Z. gelebt haben, luzifer aber kommt aus dem Lateinischen, und diese Sprache wird nach frühestens 240 v. d. Z. datiert. Lux fare (= Luzifer) bedeutet Lichtbringer, Lichtmacher, Lichtträger. Lustig, daß im katholischen Religionsunterricht der schurkische Teufel ausgerechnet als Lichtbringer vorgeführt wird.
Aber das Alte Testament weiß Genaues über einen Kampf im Himmel.
Von dem judäischen Propheten jesaja (740-701 v. d. Z.) sind im Alten Testament Schilderungen von Begebenheiten und Weissagungen, soweit sie erhalten blieben, in den Kapiteln 1 bis 35 nachzulesen. In Kapitel 14, Vers 12 steht:
Wie bist Du vom Himmel gefallen, Du strahlender Morgenstern! Wie bist Du zu Boden geschmettert, Du Besiegter der Völker! Du hattest bei Dir gesprochen: »Zum Himmel empor will ich steigen, hoch über den Sternen Gottes meinen Sitz aufrichten, ich will thronen auf dem Götterberg . . .«
Aber auch beim Apokalyptiker Johannes lesen wir in den Offenbarungen des Neuen Testaments im 12. Kapitel, Vers 7, ziemlich eindeutige Hinweise auf Kämpfe im Himmeclass="underline"
und es entstand Krieg im Himmel, so daß Michael und seine Engel Krieg führten mit dem Drachen. und der Drache führte Krieg und seine Engel; und sie vermochten nicht Stand zu halten, und eine Stätte für sie war im Himmel nicht mehr zu finden.
Von Kriegen und Kämpfen im Himmel ist in vielen urzeugnissen der Menschheit die Rede. — In tibetanischen Krypten wurde über Jahrtausende das Buch von Dzyan, eine Geheimlehre, gehütet. Der ursprüngliche Text (von dem nicht bekannt ist, ob es ihn noch irgendwo gibt) wurde von Generation zu Generation kopiert und durch neue Berichte und Erkenntnisse der Eingeweihten ergänzt. Erhaltene Teile des Buches von Dzyan schwirren auf Tausenden von ins Sanskrit übersetzten Texten durch die Welt, und Kenner behaupten, dieses Buch enthalte die über Millionen Jahre reichende Entwicklung der Menschheit.
In der sechsten Strophe des Buches von Dzyan heißt es:
In der Vierten (Welt) wird den Söhnen befohlen, ihre Ebenbilder zu schaffen. Ein Drittel weigert sich, zwei gehorchen. Der Fluch ist ausgesprochen ... Die älteren Räder drehten sich hinab und hinauf. Der Mutterlaich erfüllte das Ganze. Es fanden Kämpfe statt zwischen den Schöpfern und den Zerstörern, und Kämpfe um den Raum; der Same erschien und erschien beständig von Neuem. Mache Deine Berechnungen, Lanoo, wenn Du das wahre Alter Deines Rades erfahren willst...
Im »Ägyptischen Totenbuch«, jener Sammlung von Texten, die Anweisungen für das Verhalten im Jenseits enthielten, die man darum den mumifizierten Toten ins Grab legte, kämpft Ra, der mächtige Sonnengott, mit den abtrünnigen Kindern im Weltall, denn Ra habe das Welten-Ei niemals während des Kampfes verlassen. -Der römische Dichter Ovid (43 v. d. 2. bis 17 n. d. Z.) wurde der Nachwelt verständlicherweise mit seiner ars amandi bekannter als mit seiner Sammlung mythologischer Epen, den Metamorphosen; in eben diesen »Verwandlungen« berichtet Ovid von Phaeton (= der Leuchtende), der von seinem Vater, dem Sonnengott Helios, einmal die Erlaubnis erhielt, den Sonnenwagen lenken zu dürfen; Phaeton konnte den Sonnenwagen nicht steuern, stürzte ab und steckte die Erde in Brand. - In der griechischen Mythologie spielen die 12 Kinder des Uranos (= der personifizierte Himmel) und der Gäa ( — die personifizierte Erde) eine große Rolle; es waren schreckliche Kinder, diese 12 Titanen, die sich mit ihren ungestümen Kräften gegen eine geregelte Weltenordnung auflehnten, gegen Zeus, den König der Götter, aufbegehrten und den Olymp, die Heimstatt der Götter, angriffen. - Hesiod (um 700 v. d. Z.), älterer griechischer Kollege Ovids, der in seiner Theogonie über die Abstammung der Götter und die Entstehung der Welt berichtete, weiß vom Titanen Prometheus, daß er nach heftigen Auseinandersetzungen mit Zeus den Menschen das Feuer vom Himmel brachte. — Zeus selbst mußte nach mörderischem Kampf die Weltherrschaft mit seinen Brüdern Poseidon und Hades teilen. Zwar durch seinen Namen als Lichtgott ausgewiesen, schildert ihn Homer (etwa 800 v. d. Z.) doch als Wolkenballer, Donnergewaltigen und Streitsüchtigen, der in Auseinandersetzungen mit dem Gegner ganz unzimperlich mit Blitzen hineinfährt und so die Kämpfe für sich entscheidet. - Der Blitz als Waffe taucht auch in den Maori-Legenden der Südsee auf: sie erzählen von einer Rebellion, die im Himmel ausgebrochen sei, nachdem Tane die Sterne geordnet habe; die Legende nennt die Rebellen, die Tane nicht mehr zu folgen gewillt waren, sogar beim Namen; dann aber sei Tane mit einem Blitz dazwischen gefahren, habe die Aufständischen besiegt und auf die Erde geworfen, und seitdem kämpfe auf der Erde Mann gegen Mann, Volk gegen Volk, Tier gegen Tier, Fisch gegen Fisch. — Dem Gott Hinuno geht es in der Sage der nordamerikanischen Payute-Indianer nicht besser: nachdem er Streit mit den Göttern begonnen hatte, wurde er aus dem Himmel verstoßen.
Die »Internationale Akademie für Sanskrit-Forschung« in Mysore, Indien, hatte den Mut, in einem Sanskrit-Text des Maharshi Bharadwaja, einem Seher der Frühzeit, traditionelle Übersetzungsvokabeln durch Worte aus unserer modernen Begriffswelt zu ersetzen. Das Resultat war verblüffend: die uralten Legenden wurden zur perfekten technischen Berichterstattung! (Zurück zu den Sternen, Seiten 224 ff.)
Wende ich behutsam das gleiche Verfahren an und ersetze lediglich das Wort »Himmel« durch den modernen Begriff »Weltall«, dann sind die Legenden und Mythen von den Kämpfen der Götter im Himmel im Handumdrehen Berichte von gigantischen Schlachten im Weltall zwischen zwei verfeindeten Parteien. Im Kinderhimmel der Religionen fanden freilich keine Kriege statt, dort gab und gibt es nur den einen und einzigen gütigen allwissenden Gott.
Im Alten Testament wird aber nicht nur von einem Gott, es wird von mehreren Göttern gesprochen:
Lasset uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei, die da herrschen über die Fische im Meer, und über die Vögel unter dem Himmel (1. Moses 1/26)
Noch einmal »unterläuft« dem Monotheisten Moses dieser pluralis majestatis:
... sahen die Gottessöhne, daß die Töchter der Menschen schön waren ... (I/6/1)
Helene Petrowna Blavatsky (1831-1891), die 1875 in London die Theosophische Gesellschaft begründete, schrieb in ihrem sechsbändigen Werk »Die Geheimlehre« (1888):
Einer der Namen des jüdischen Jehova, »Sabaoth« oder der »Herr der Heerscharen« (Tsabaoth) gehört den chaldäischen Sabäern (oder Tsabäern) an und hat zur Wurzel das Wort »tsab«, das einen »Karren«, ein »Schiff« und eine »Armee« bedeutet. Sabaoth bedeutet somit wörtlich »die Armee des Schiffes«, die »Mannschaft« oder das »Schiffsgeschwader«.