3 In der Provinz Morona-Santiago liegt in dem Dreieck der Städte Gualaquiza-S. Antonio-Yaupi der geheime, von fremdenfeindlichen Indios bewachte Eingang zu dem verborgenen Höhlensystem.
Die Höhlengänge (Abb. 4) sind samt und sonders rechtwinklig, mal schmal, mal breit, die Wände glatt, oft wie poliert, die Decken plan und wie von einer Glasur überzogen. Das freilich sind keine auf natürliche Weise entstandenen Gänge - Luftschutzbunker unserer Zeit sehen so aus!
Während ich Decke und Wände prüfe und betaste, überkommt mich ein herzliches Lachen, dessen Echo aus den Tunnels widerhallt, moricz leuchtet mir ins Gesicht: »Was ist? Hat's dich erwischt?«
4 Im Innern des künstlichen Tunnelsystems. Es wimmelt von zahllosen seltsamen Vögeln; die Kotschicht an zwei gemessenen Stellen beträgt 82 bzw. 90 cm. - Die Decken sind plan bearbeitet, die Wände im rechten Winkel und oft wie von einer Glasur überzogen.
»Jetzt möchte ich auf der Stelle den Archäologen sehen, der mir erklärt, diese Arbeit sei mit Steinfäustlingen getan worden!«
Mein Zweifel in die Realität dieser Anlage ist wie weggeblasen, mich erfüllt ein großes Glücksgefühl. Gänge wie die, durch die wir eben gehen, sagen moricz und pena, gäbe es unter dem Boden von
Ecuador und Peru in vielen hundert Kilometern Länge. »Jetzt biegen wir rechts ab!« ruft moricz.
Wir stehen am Eingang einer Halle, groß wie der Hangar für einen Jumbo-Jet. Es könnte ein Verteilerplatz, ein Materiallager gewesen sein, denke ich. Hier enden bzw. beginnen Stollen, die in verschiedene Richtungen führen. Der Kompaß, den ich befragen wilclass="underline" wohin, streikt. Ich schüttle ihn, die Nadel rührt sich nicht, moricz beobachtet mich:
»Das hilft nicht. Hier unten gibt es Strahlungen, die eine Kompaßorientierung unmöglich machen. Ich verstehe nichts von Strahlungen, ich beobachte sie nur, hier müßten Physiker ihre Arbeit tun.« An der Schwelle zu einem Seitengang liegt ein Skelett so säuberlich am Boden, als hätte es ein Anatom für Belehrungen seiner Studenten hergerichtet, aber auch aus einer Spraydose mit Goldstaub besprüht. Die Knochen leuchten im Scheinwerferlicht wie pures Gold. moricz fordert uns auf, die Lichter zu löschen und ihm langsam zu folgen. Es ist still, ich höre unsere Schritte, unseren Atem und das Rauschen der Vögel, an das man sich merkwürdig schnell gewöhnt. Die Dunkelheit ist schwärzer als die Nacht. »Licht an!« ruft moricz.
Wir stehen verblüfft und gebannt mitten in einem riesigen Saal, moricz, der stolze Entdecker, hat den Coup so gut vorbereitet wie Brüsseler, die Fremde mit gleichem Trick ihrem erleuchteten Grand' Place, vielleicht dem schönsten der Welt, konfrontieren. Dieser namenlose Saal, in den der siebente Gang führt, ist von beklemmender Größe, von starrer Schönheit und edlen Proportionen. Der Grundriß sei 110X130 m, hören wir. Das sind fast die Maße der Sonnenpyramide in teotihuacan, geht es mir durch den Sinn, dort wie hier kennt niemand die Baumeister, die überragenden Techniker.
In der Mitte des Saales steht ein Tisch. Ist es ein Tisch?
Wahrscheinlich, denn an der Längsseite stehen sieben Stühle.
Sind es Stühle? Vermutlich sind es Stühle. Aus Stein?
Nein, sie strahlen nicht die Kühle von Stein aus. Aus Holz?
Bestimmt nicht. Holz hätte die Jahrtausende über nicht diese Stabilität bewahrt. Sind sie aus Metall?
Ich glaube es nicht. Sie fühlen und fassen sich an wie eigentemperierter Kunststoff, aber sie sind schwer und hart wie Stahl.
Hinter den Stühlen stehen Tiere; Saurier, Elefanten, Löwen, Krokodile, Jaguare, Kamele, Bären, Affen, Bisons, Wölfe - kriechen Echsen, Schnecken, Krebse. Wie in Formen gegossen, reihen sie sich zwanglos und freundlich nebeneinander. Nicht wie bei Darstellungen der Tiere der Arche Noah in Paaren. Nicht, wie es der Zoologe gern hätte, nach Abstammung und Rasse. Nicht, wie es der Biologe möchte, in der Rangordnung der natürlichen Evolution. Es ist ein zoologischer Garten der Verrücktheiten, und seine Tiere sind aus reinem Gold.
Der Schatz der Schätze steht auch in diesem Saal, jene Metallbibliothek, von der in der Notariatsurkunde die Rede war, unter der ich mir aber nichts, gar nichts hatte vorstellen können.
Gegenüber dem zoologischen Garten, links hinter dem Konferenztisch, steht die Bibliothek aus Metallplatten. Teils Platten, teils millimeterdünne Metallfolien, die meisten in der Größe von 96X48 cm. Mir ist, nach langem kritischem Betrachten, schleierhaft, welches Material eine Konsistenz hat, die das Aufrechtstehen so dünner und so großer Folien ermöglicht. Sie stehen nebeneinander wie gebundene Blätter von Riesenfolianten. Jede Tafel ist beschriftet, trägt Stempel, ist gleichmäßig wie von einer Maschine bedruckt, moricz schaffte es bisher nicht, die Seiten seiner Metallbibliothek zu zählen, ich akzeptiere seine Schätzung, daß es einige Tausend sein können.
Die Schriftzeichen auf den Metallplatten sind unbekannt, aber ich bin überzeugt, daß sich aus der Fülle der Vergleichsmöglichkeiten relativ schnell Entschlüsselungen ergeben werden, wenn die einschlägigen Wissenschaftler nunmehr von der Existenz dieser Einmaligkeit erfahren.
Wer immer und wann Schöpfer und Gestalter dieser Bibliothek gewesen sein mag, jener große Unbekannte beherrschte mit seinen Helfern nicht nur eine Technik, Metallfolien in solcher Vielzahl »nach Maß« herstellen zu können - das Werk steht da! — er kannte auch Schriftzeichen, mit denen er Wesen einer fernen Zukunft Wichtiges mitteilen wollte. Diese Bibliothek aus Metall wurde geschaffen, damit sie die Zeiten überdauerte, um noch in Ewigkeiten lesbar zu bleiben . . .
Es wird sich zeigen, ob unsere Gegenwart ernsthaft interessiert ist, Geheimnisse so grandioser Art aufzudecken. Ist ihr an der Entzifferung eines Urwerkes gelegen, das Wahrheiten zu Tage fördern kann, die die hübsche und doch so fragwürdige Weltordnung völlig auf den Kopf zu stellen vermag?
Scheuen die Exekutiven aller Religionen nicht am Ende doch vorgeschichtliche Enthüllungen, die Glauben an die Schöpfung durch Wissen von der Schöpfung ersetzen könnten?
Will der Mensch überhaupt zur Kenntnis nehmen, daß seine Abstammungsgeschichte so ganz und gar anders verlief als jene, die ihm wie ein frommes Märchen einfitriert wird? Sind Prähistoriker tatsächlich und ohne Scheuklappen und mit redlichem Eifer auf der Suche nach der wirklichen Wahrheit? Niemand fällt gern von einem Wolkenkratzer, den er selbst gebaut hat.
Wände und Gänge des Tunnelsystems sind nackt; es gibt hier keine Malereien wie in den tiefen Grabkammern im Tal der Könige bei luxor, keine Reliefs, wie man sie in prähistorischen Höhlen an allen Orten der Welt findet. Dafür gibt es hier Steinfiguren, über die man alle Nasenlänge stolpert.
moricz besitzt ein 12 cm hohes und 6 cm breites Steinamulett. In die Vorderseite (Abb. 5) ist eine Gestalt mit sechseckigem Leib und kugelrundem, wie von Kinderhand gezeichnetem Kopf eingraviert; die Figur balanciert in der rechten Hand den Mond, in der linken die Sonne. Gut, das ist nicht überraschend - aber: sie steht mit beiden Beinen fest auf der runden Erdkugel!
5 Vorder- und Rückseite eines Amuletts, das um 9000—4000 v. d. Z. zu datieren ist. Es wurde von Moricz in der Höhle gefunden, ein Beweis dafür, daß die Tunnel mindestens dieses Alter haben müssen. Ein Wesen steht auf der runden Erdkugel. Woher wußten Steinzeitmenschen von dieser viel späteren Entdeckung einer runden Erdkugel ?