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Mit meinen beiden eingeborenen Begleitern passierte ich viele Inselchen, und dann lag nan madol vor uns, eines unter vielen gleichen, das sich nur durch die seltsame Last, die es trägt, von allen anderen unterscheidet. Auf diesem tropischen Eiland liegt, nicht größer als ein Fußballstadion, das Pantheon, die kleine Basaltstadt, das sagenhafte Retiro vorzeitlicher Bewohner. Man steht abrupt vor diesen Zeugnissen der Frühgeschichte, man ist auf diese »Begegnung« nicht vorbereitet. Die Grundrisse der Anlagen sind, wenn man sich ausreichend umgeschaut hat, im Gewirr des Ruinenfeldes deutlich erkennbar. Wie beim Mikado-Spiel sind zahllose Stäbe übereinandergelegt, geschichtet, geordnet. Es kann kein einfaches Spiel gewesen sein, das hier gespielt wurde, denn die Stäbe sind tonnenschwere Basaltstangen, Basaltklötze. Es handle sich, sagt die bisherige Forschung, bei diesen Basaltstangen um erkaltete Lava. Mir kam das spanisch vor, als ich Meter um Meter feststellen mußte, daß die Lava ausschließlich sechs- oder achteckige Säulen, nach Maß, in etwa gleichen Längen erstarren ließ

(Abb. 8 und 9 F).

38 Auf Dschungelkanälen fährt man zwischen den Inselchen hindurch, eine Welt, die nur tropischen Pflanzen und exotischen Vögeln gehört.

Da an der Nordküste von ponape tatsächlich Säulenbasalt gewonnen wurde, bin ich bereit, über die dümmliche Erklärung der maßgerecht erstarrten Lavasäulen hinwegzusehen und zu unterstellen, dieses erstklassige und exakt bearbeitete Baumaterial wäre an der Nordküste gebrochen und bearbeitet worden. So weit — so schlecht, denn die durchschnittlich drei bis neun Meter langen und oft über zehn Tonnen schweren Blöcke müssen dann ja wohl von der Nordküste von ponape durch das Labyrinth der Dschungelkanäle, an Dutzenden von gleich brauchbaren Inseln vorbei, nach nan madol transportiert worden sein. Ein Transport auf dem Landweg scheidet aus, -denn den dichten Dschungel überfluten mehrmals am Tag seit Urzeiten Regengüsse, überdies ist ponape eine gebirgige Insel. Akzeptiert man sogar noch, daß Straßen im Dschungel freigeschlagen wurden und daß es Transportmittel gab, die die Berge überwinden und sich durch den sumpfigen Morast wühlen konnten, dann stand die schwere Last zuletzt doch an der Südostecke der Insel, und man hätte sie dann auf Schiffe verladen müssen.

An Ort und Stelle erklärte man mir, der Transport zu Wasser sei wohl mit Flößen bewältigt worden - eine Auffassung, die der anderen widerspricht, die mir ein Gelehrter ernsthaft verkaufen wollte: die Ureinwohner hätten die Basaltkloben unter ihre Kanus gehängt, auf diese Weise das Gewicht verringert und so Stück für Stück nach nan madol gerudert.

Ich habe mir die Mühe gemacht, die Basaltblöcke einer Seite des Hauptbaus zu zählen. Bei einer Seitenlänge von 60 m addierte ich 1082 Säulen. Der Bau ist quadratisch, die vier Außenwände zeigen 4782 Basaltelemente. Von einem Mathematiker ließ ich mir aus Breite und Höhe den Rauminhalt samt der für seine Auffüllung notwendigen Basaltsäulen errechnen: der Hauptbau »verschlang« etwa 32000 Stück. Der Hauptbau ist aber nur ein Teil der Anlage. (Siehe Karte Abb. 39).

39 Diesen Grundplan der Anlagen von Nan Madol fertigte Paul Ham-bruch während seiner Forschungsarbeiten in den Jahren 1908—1910 an, er wurde von K. Masao Hadley auf den jeweils jüngsten Stand gebracht. Die Grundrisse sind im Ruinenfeld deutlich erkennbar.

Es gibt Kanäle, Gräben, Tunnels und eine 860 m lange Mauer, die an der höchsten Stelle 14,20 m mißt. Der rechteckige Hauptbezirk ist in Terrassen, auch aus erstklassigen Basaltquadern gebaut, abgestuft. Das von mir vermessene Haupthaus hat über 80 kleine Dependancen. Die Zahl 32000 als Anhaltspunkt, liegt die Schätzung der allein in die 80 Bauwerke installierten Basaltsäulen mit rund 400 000 Stück eher zu niedrig als zu hoch. Falschen Erklärungen kommt man stets auf die Spur, wenn man eine rechnerische Nagelprobe macht. Wie zum Beispiel diese:

Zu Zeiten, als die Anlage von nan madol entstanden ist, gab es auf Ponape, von allen Forschern bestätigt, eine zum Stand von heute vergleichsweise geringe Einwohnerzahl. Die Arbeit im Steinbruch an der Nordküste war schwer, mühevoll, langwierig. Der Transport der bearbeiteten Werkstücke durch den Dschungel brauchte ein ganzes Heer kräftiger Männer, und auch die Zahl der Schauerleute, die die Blöcke unter die Kanus banden, war beträchtlich. Schließlich und endlich mußten ja auch eine Anzahl Insulaner die Kokospalmen beernten, fischen und für den täglichen Unterhalt sorgen. Falls also je Tag vier, mehrere Tonnen schwere Basaltsäulen die Südküste zum Abtransport nach nan madol erreicht haben, dann wäre das wohl, mit den gegebenen »tech-niscnen« Möglichkeiten eine gigantische, bewunderungswürdige Leistung gewesen. Da es seinerzeit auf keinen Fall Gewerkschaften gegeben hat, unterstelle ich, daß volle 365 Tage gearbeitet und geschuftet wurde. Wären ganze 1460 Basaltblöcke pro Jahr auf nan madol angelandet! Wären 296 Jahre nötig gewesen, um nur das Material an die Baustelle heranzuschaffen! Nein, so dumm sind menschliche Lebewesen zu keiner Zeit gewesen, daß sie sich solcher Tortur ohne Grund unterzogen hätten. Wenn schon Basaltsteinbrüche an der Nordküste von ponape, warum hat man dann diese Anlage nicht auf der Hauptinsel errichtet? Warum baute man auf einem vom Steinbruch so weit entfernten Inselchen?

Gibt es keine überzeugende Erklärung? nan madol ist keine »schöne« Stadt, ist es mit Gewißheit auch nie gewesen. Es gibt keine Reliefs, keine Skulpturen, keine Statuen oder gar Malereien. Es ist eine kalte, abweisende Architektur. Hart, roh, drohend sind Basaltbrocken aufeinandergetürmt. Das ist verwunderlich, weil die Südseeinsulaner ihre Paläste oder Festungen stets in verschwenderischer Weise mit Oramenten schmückten: Paläste und Festungen waren Plätze, an denen Könige geehrt oder Götter versöhnlich gestimmt werden sollten. Das spartanische Mauerwerk von nan madol schließt beide Möglichkeiten aus. - War es eine Verteidigungsanlage? Die Terrassen, die den Aufstieg zu den Bauten erleichtern, führen diesen Zweck ad ab-surdum: wann je wäre Feinden ein solches Angebot gemacht worden? Aber: die Terrassen geleiten zum Zentrum des Planes, zum »Brunnen«.

Dieser Brunnen ist kein Brunnen, es ist der Einstieg zum Anfang oder zum Ende eines Tunnels. Daß die Öffnung heute bis knapp zwei Meter unter dem Rand mit Wasser vollgelaufen ist, beweist nichts, denn auch die Anlagen von nan madol führen über den Inselrand hinaus und sind mit bloßen Augen unter der Wasseroberfläche zu sehen, bis sie sich im Meer verlaufen. Was aber soll ein Tunnel auf der winzigen Insel? Wohin, woher führt er? Zuerst las ich in Herbert Rittlingers Buch »Der maßlose Ozean« von dieser Merkwürdigkeit. Rittlinger, der die Südsee forschend bereiste, erfuhr auf ponape, daß hier vor ungezählten Jahrtausenden der prachtglänzende Mittelpunkt eines ruhmvollen Reiches gewesen sei. Die Berichte von dem sagenhaften Reichtum hätten Perlenfischer und chinesische Handelsleute verlockt, heimlich den Meeresboden abzusuchen, und die Taucher wären allesamt mit unglaublichen Berichten aus der Tiefe aufgestiegen ... sie hätten auf dem Grund über wohlerhaltene, von Muscheln und Korallen überwucherte Straßen gehen können ... es gäbe »da unten« zahllose Steingewölbe, Säulen und Monolithen ... an deutlich erkennbaren Häuserresten würden behauene Steintafeln hängen.

Was die Perlenfischer nicht fanden, entdeckten japanische Taucher mit modernen Geräten und bestätigten mit ihren Funden, was die Legenden von ponape überliefern: den großen Reichtum an Edelmetallen, an Perlen und Silberbarren. Im »Haus der Toten« (also dem Haupthaus der Anlage), weiß die Legende, ruhen die Leichname. Die japanischen Taucher berichteten, die Toten seien in wasserdichten Platinsärgen beigesetzt. Tatsächlich brachten die Taucher Tag für Tag Platinstücke mit an die Oberfläche! Tatsächlich wurden die Hauptausfuhrartikel der Insel - Kopra, Vanille, Sago, Perlmutter — durch Platin verdrängt! Diese Platinförderung, berichtet Rittlinger, hätten die Japaner betrieben, bis eines Tages zwei Taucher trotz moderner Geräte nicht wieder hochgekommen seien, dann sei der Krieg ausgebrochen und die Japaner hätten abziehen müssen. Er schließt seinen Bericht: