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Er trat an meinen Tisch, brachte seinen Drink mit und setzte sich ohne ein >Wenn Sie gestatten.< Ich bin von Natur aus ein höflicher Mensch, daher begrüßte ich ihn mit freundschaftlichem Grunzen und stechendem Blick, was er auf eine gelassene Art und Weise hinnahm. Er hatte sandfarbenes Haar, das an seiner Kopfhaut klebte, helle Augen und ein gleichermaßen helles Gesicht, zusammen mit dem konzentrierten Blick eines Fanatikers, was ich allerdings erst später bemerkte.

»Mein Name«, sagte er, »ist Hannibal West, ich bin Professor der Geologie. Mein Fachgebiet ist die Speläologie. Sie sind nicht zufällig selbst ein Speläologe?«

Ich wußte sofort, daß er den Eindruck hatte, er hätte eine verwandte Seele gefunden. Mir wurde bei dem Gedanken übel, doch ich blieb höflich. »Ich interessiere mich für alle seltsamen Worte«, sagte ich. »Was ist Speläologie?«

»Höhlen«, sagte er. »Das Studium und die Erforschung von Höhlen. Das ist mein Hobby, Sir. Ich habe auf allen Kontinenten Höhlen erforscht, ausgenommen die Antarktis. Ich weiß mehr über Höhlen als jeder andere auf der Welt.«

»Hochinteressant«, sagte ich, »und beeindruckend.« Im Gefühl, daß ich damit eine höchst unbefriedigende Begegnung beendet hatte, winkte ich der Kellnerin, damit sie mir einen neuen Drink brachte, und studierte mit rein wissenschaftlicher Neugier ihren wippenden Gang durch den Raum.

Hannibal West indessen kam nicht zur selben Schlußfolgerung. »Ja«, sagte er und nickte nachdrücklich, »Sie haben ganz recht, beeindruckend. Ich habe Höhlen erforscht, die der Welt unbekannt sind. Ich habe unterirdische Grotten betreten, wo nie ein Mensch seine Fußspuren hinterlassen hat. Ich gehöre zu den wenigen Zeitgenossen, die gewesen sind, wo noch kein Mann, und, was das betrifft, auch keine Frau je gewesen ist. Ich habe Luft geatmet, die bis dahin mit keiner menschlichen Lunge Kontakt hatte, und habe Dinge gesehen und gehört, die niemand sonst gesehen und gehört hat - und ich habe überlebt.« Er erschauerte.

Mein Drink kam; ich nahm ihn dankbar entgegen und bewunderte die Anmut, mit der die Kellnerin sich vornüberbeugte und ihn auf den Tisch vor mir stellte. »Sie sind ein glücklicher Mann«, sagte ich, obwohl ich geistig nicht ganz bei der Sache war.

»Das bin ich nicht«, sagte West. »Ich bin ein jämmerlicher Sünder, den der Herr auserkoren hat, die Sünden der Menschheit zu rächen.«

Jetzt endlich sah ich ihn eingehender an und bemerkte ein fanatisches Funkeln, das mich fast an der Wand festnagelte. »In Höhlen?« fragte ich.

»In Höhlen«, sagte er ernst. »Glauben Sie mir. Als Professor der Geologie weiß ich, wovon ich rede.«

Ich hatte in meinem Leben zahlreiche Professoren kennengelernt, die das nicht wußten, verkniff mir aber jede diesbezügliche Bemerkung.

Vielleicht las West meine Meinung in meinen ausdrucksstarken Augen, denn er fischte einen Zeitungsausschnitt aus einer Aktentasche zu seinen Füßen und gab ihn mir. »Hier!« sagte er. »Sehen Sie sich das an!«

Ich kann nicht sagen, daß er eine eingehendere Betrachtung gerechtfertigt hätte. Es war ein Artikel, drei Absätze, aus einer Lokalzeitung. Die Schlagzeile lautete >Ein dumpfes Grollen<, die Meldung betraf East Fishkill, New York. Es war eine Schilderung, wonach dortige Einwohner sich wegen eines dumpfen Grollens, das sie beunruhigte und unter der Katzen- und Hundepopulation der Stadt nicht unerhebliche Aufregung verursachte, bei der Polizei beschwert hatten. Die Polizei tat es als Lärm eines fernen Gewitters ab, obwohl die Meteorologen aufgebracht betonten, daß an jenem Tag in der gesamten Region überhaupt keines aufgetreten sei.

»Was halten Sie davon?« fragte West.

»Könnte es eine kollektive Verdauungsstörung gewesen sein?«

Er schnaubte höhnisch, als wäre dieser Einwand ganz und gar lächerlich, aber keiner, der je Verdauungsstörungen hatte, würde das so sehen.

»Ich habe ähnliche Meldungen aus Zeitungen in Liverpool, England; Bogota, Kolumbien; Mailand, Italien und Rangun, Birma und rund fünfzig weiteren Orten auf der ganzen Welt«, sagte er. »Ich habe sie gesammelt. In allen ist von einem durchdringenden dumpfen Grollen die Rede, das Furcht und Nervosität auslöste und Tiere rasend machte, und alle stammen aus einem Zeitraum von zwei Tagen.«

»Ein einziger weltweiter Vorfall«, sagte ich.

»Exakt! Schöne Verdauungsstörungen.« Er sah mich stirnrunzelnd an, trank einen Schluck von seinem Drink und schlug sich auf die Brust. »Der Herr gab mir eine Waffe in die Hand, und ich muß lernen, damit umzugehen.«

»Was ist das für eine Waffe?« fragte ich.

Er antwortete nicht direkt. »Ich fand die Höhle zufällig«, sagte er, »was ich sehr begrüße, denn eine Höhle, deren Öffnung zu sichtbar ist, ist Allgemeingut und wird von lausenden besucht. Zeigen Sie mir eine schmale, verstecke Öffnung, von Vegetation überwuchert, von heruntergefallenen Felsbrocken verdeckt, hinter einem Wasserfall verborgen, an einer praktisch unzugänglichen und gefährlichen Stelle gelegen, und ich zeige Ihnen eine jungfräuliche Höhle, die eine Erforschung rechtfertigt. Sie sagen, Sie wissen nichts über Speläologie?«

»Natürlich war ich schon in Höhlen«, sagte ich. »Die Luray-Höhlen in Virginia -«

»Kommerziell!« sagte West, verzog das Gesicht und suchte eine geeignete Stelle zum Hinspucken auf dem Fußboden. Glücklicherweise fand er keine.

»Da Ihnen die göttlichen Wonnen der Höhlenforschung unbekannt sind«, fuhr er fort, »will ich Sie nicht mit der Schilderung langweilen, wie ich sie gefunden und erforscht habe. Es ist natürlich nicht immer ganz ungefährlich, unbekannte Höhlen ohne Begleiter zu erforschen, aber ich unternehme gern Soloexpeditionen. Schließlich gibt es niemanden, der über mein enormes Wissen verfügt, ganz zu schweigen von der Tatsache, daß ich mutig wie der sprichwörtliche Löwe bin.

In dem Fall war es tatsächlich ein Glücksfall, daß ich allein war, denn es hätte nichts genützt, wenn ein anderes menschliches Wesen diese Entdeckung gemacht hätte. Ich hatte mehrere Stunden geforscht, als ich auf einen großen und stillen Raum mit Stalaktiten oben und Stalagmiten unten in überreichlichem Maße stieß. Ich ging um die Stalagmiten herum und zog meinen Bindfaden hinter mir her, da ich es nicht schätze, mich zu verirren, und dann stieß ich auf einen dicken Stalagmiten, der an einer natürlichen Sollbruchstelle abgebrochen zu sein schien. Auf einer Seite lag ein Häufchen Kalkstein. Ich kann nicht sagen, wieso er abgebrochen war - vielleicht war ein großes Tier, das vor Jägern in die Höhle floh, im Dunkel gegen den Stalagmiten gestoßen, oder der Stalagmit hatte einem mäßigen Erdbeben nicht ausreichend standgehalten.

Wie auch immer, der Stumpf des Stalagmiten wurde jetzt von einer glatten Oberfläche gekrönt, deren Feuchtigkeit im Schein meiner Taschenlampe funkelte. Sie war fast kreisrund und erinnerte an eine Trommel. Tastsächlich hatte er so eine Ähnlichkeit damit, daß ich unwillkürlich die Hand ausstreckte und mit dem rechten Zeigefinger darauf klopfte.«

Er schüttete den Rest seines Drinks hinunter. »Es war eine Trommel«, sagte er, »zumindest jedoch ein Gebilde, das eine Vibration auslöste, wenn man darauf klopfte. Kaum hatte ich es berührt, erfüllte ein dumpfes Grollen die Höhle; ein vages Geräusch unmittelbar an der Grenze des Hörbaren, fast im Unterschallbereich. Tatsächlich machte der Teil des Geräuschs, dessen Tonlage so hoch war, daß man ihn hörte, wie ich später nachweisen konnte, nur einen winzigen Bruchteil des Ganzen aus. Fast das gesamte Geräusch setzte sich aus enormen Vibrationen zusammen, die so langsam waren, daß das Ohr sie nicht wahrnehmen konnte, obwohl sie den ganzen Körper erschütterten. Diese unhörbaren Schwingungen verursachten mir das unangenehmste, unbehaglichste Gefühl, das Sie sich vorstellen können.

So ein Phänomen war mir noch nie untergekommen. Die Energie meiner Berührung war minimal gewesen. Wie konnte sie in so eine mächtige Vibration umgewandelt werden? Ich bin nie ganz dahintergekommen. Natürlich gibt es ohne Frage gewaltige unterirdische Energiequellen. Es könnte eine Möglichkeit geben, die Hitze des Magmas anzuzapfen und einen kleinen Teil davon in Schall umzuwandeln. Das erste Klopfen könnte dazu dienen, weitere Schallenergie freizusetzen - eine Art von sonischem Laser oder, wenn wir in der Abkürzung >Licht< durch >Schall< ersetzen, könnten wir von einem >Schaser< sprechen.«