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»Wo ist das menschliche Wesen, von dem du sprichst?« piepste er.

»In der Lounge. Er befindet sich -«

»Laß nur. Ich folge der Aura moralischen Verfalls. Ich glaube, ich hab sie. Wie identifiziere ich das menschliche Wesen?«

»Sandfarbenes Haar, helle Augen -«

»Nein, nein. Seinen Verstand.«

»Ein Fanatiker.«

»Ah, das hättest du auch gleich sagen können. Ich hab ihn - und ich sehe, ich muß ein ausgiebiges Dampfbad nehmen, wenn ich wieder zu Hause bin. Er ist schlimmer als du.«

»Vergiß das. Sagt er die Wahrheit?«

»Über den Schaser? - Was, nebenbei bemerkt, ein kluger Begriff ist.«

»Ja.«

»Also, das ist eine schwere Frage. Wie ich oft zu einem Freund von mir sage, der sich für einen bedeutenden spirituellen Führer hält: Was ist Wahrheit? Ich sage dir eines; für ihn ist es die Wahrheit. Er glaubt es. Doch was ein menschliches Wesen glaubt, egal wie fest, ist nicht zwangsläufig die objektive Wahrheit. Was dir im Laufe deines Lebens vermutlich nicht entgangen ist.«

»So ist es. Aber kannst du nicht unterscheiden, ob ein Glaube objektiver Wahrheit entspringt oder nicht?«

»Bei intelligenten Wesen, ja. Bei menschlichen Wesen, nein. Aber offenbar betrachtest du diesen Mann als große Gefahr. Ich könnte einige Moleküle seines Gehirns neu gruppieren und hinterher wäre er tot.«

»Nein, nein«, sagte ich. Es mag eine törichte Schwäche meinerseits sein, aber ich lehne Mord ab. »Könntest du die Moleküle nicht dergestalt neu gruppieren, daß er die Erinnerung an den Schaser verliert?«

Azazel seufzte auf eine dünne, fiepsende Weise. »Das ist viel schwieriger. Diese Moleküle sind schwer und kleben aneinander. Warum nicht ein glatter Schnitt -«

»Ich bestehe darauf«, sagte ich.

»Oh, na gut«, sagte Azazel verdrossen, und dann spulte er eine wahre Litanei von Schnaufen und Keuchen ab, um mir zu zeigen, wie hart er arbeitete. Schließlich sagte er: »Es ist vollbracht.«

»Gut. Bitte warte hier. Ich will mich nur kurz vergewissern, dann komme ich wieder.«

Ich lief hastig hinunter; Hannibal West saß noch da, wo ich ihn zurückgelassen hatte. Der Barkeeper blinzelte mir im vorübergehen zu.

»Es waren keine Drinks nötig, Sir«, sagte der ehrenhafte Mann, worauf ich ihm noch fünf Dollar gab.

West sah fröhlich auf. »Da sind Sie ja.«

»Ja, wahrhaftig«, sagte ich. »Sehr scharfsinnig, wie Sie das testgestellt haben. Ich habe die Lösung des Problems mit dem Schaser.«

»Des Problems von was?« fragte er eindeutig verwirrt.

»Des Objekts, das Sie im Laut Ihrer speläologischen Forschungen entdeckten.«

»Was sind speläologische Forschungen?«

»Ihre Untersuchungen von Höhlen.«

»Sir«, sagte West stirnrunzelnd, »ich war in meinem Leben noch in keiner Höhle. Sind Sie verrückt?«

»Nein, aber soeben ist mir ein wichtiger Termin eingefallen. Leben Sie wohl, Sir. Wahrscheinlich sehen wir uns nie wieder.«

Ich lief hastig und etwas außer Atem ins Zimmer zurück und hörte Azazel eine Melodie summen, die bei den Wesen seiner Welt vermutlich gerade angesagt war. Was ihre sogenannte Musik angeht, haben sie einen grauenhaft schlechten Geschmack.

»Seine Erinnerungen sind weg«, sagte ich, »und hoffentlich für immer.«

»Gewiß«, sagte Azazel. »Der nächste Schritt ist, an den Schaser selbst zu denken. Sein Aufbau muß komplex und exakt sein, wenn er tatsächlich Schall auf Kosten der Wärme des Erdkerns verstärken kann. Ein kleiner Eingriff an einer wichtigen Stelle - was durchaus in meiner Macht läge - könnte jede Schaseraktivität beenden. Wo genau befindet er sich?«

Ich sah ihn wie vom Schlag getroffen an. »Woher soll ich das wissen?« fragte ich.

Er erwiderte meinen Blick, wahrscheinlich auch wie vom Schlag getroffen, aber ich konnte die Mimik seines kleinen Gesichts nie richtig erkennen. »Willst du damit sagen, du hast mich seine Erinnerungen löschen lassen, bevor du diese wichtige Information hattest?«

»Ich habe nicht daran gedacht«, sagte ich.

»Aber wenn der Schaser existiert - wenn sein Glaube auf objektiver Wahrheit basierte -, kann jemand anderes darauf stoßen, ein großes Tier, ein Meteorit könnte ihn treffen, und alles Leben auf der Erde könnte jeden Moment, ob Tag oder Nacht, ausgelöscht werden.«

»Großer Gort!« murmelte ich.

Mein Gram rührte ihn offenbar, denn er sagte: »Komm schon, komm schon, mein Freund, sehen wir das Positive. Schlimmstenfalls werden alle menschlichen Wesen ausgelöscht. Nur menschliche Wesen. Es ist ja nicht so, daß das Leute wären.«

»Und so sieht es aus«, sagte George niedergeschlagen, als er seine Geschichte beendet hatte. »Ich muß mit dem Wissen leben, daß die Welt jeden Moment untergehen könnte.«

»Unsinn«, sagte ich von ganzem Herzen. »Selbst wenn du mir die Wahrheit über diesen Hannibal West gesagt hast, was, wenn du verzeihst, keineswegs sicher ist, könnte er unter krankhaften Phantastereien gelitten haben.«

George sah mich einen Moment gequält über die Nase schielend an. »Deinen häßlichen Hang zur Skepsis möchte ich nicht für alle liebreizenden Samini von Azazels Heimat haben«, sagte er. »Wie erklärst du das?«

Er zog einen kleinen Zeitungsausschnitt aus der Brieftasche. Aus der New York Times des Vortags, deren Schlagzeile lautete: >Ein dumpfes Grollen<. Es ging um ein dumpfes Grollen, das die Einwohner der französischen Stadt Grenoble beunruhigte.

»Eine Erklärung, George«, sagte ich, »wäre die, daß du diesen Artikel gelesen und die ganze Geschichte um ihn herum gestrickt hast.«

Einen Moment sah George aus, als würde er vor Entrüstung in die Luft gehen, aber als ich die recht stattliche Rechnung nahm, die die Kellnerin zwischen uns gelegt hatte, überkamen ihn versöhnliche Gefühle; wir schüttelten uns freundlich die Hände und verabschiedeten uns voneinander.

Und doch muß ich gestehen, daß ich seither schlecht schlafe. Ich richte mich nachts gegen halb drei auf, horche und könnte schwören, daß mich das dumpfe Grollen aus dem Schlaf gerissen hat.

Retter der Menschheit

Mit einem schwermütigen Seufzen sagte mein Freund George eines Abends zu mir: »Ich habe einen Klutz zum Freund.«

Ich nickte weise. »Gleich und gleich gesellt sich gern -von gleichem Schrot und Korn und so weiter ...» Verwundert starrte George mich an. »Was hat das denn mit Schrot zu tun? Du verfügst über die bemerkenswerte Fähigkeit, vom Thema abzulenken. Ich nehme an, das ist ein Resultat deines höchst unzureichenden Intellekts - was ich übrigens bedauernd meine, nicht tadelnd.«

»Ja, ja«, sagte ich. »Wie auch immer. Mit deinem Freund, dem Klutz, meinst du jedenfalls Azazel?«

Azazel war ein zwei Zentimeter großer Dämon oder ein außerirdisches Lebewesen (wie Sie wollen), über den George andauernd redet, was nur aufhört, wenn er auf eine direkte Frage antworten muß. Mit eisigem Blick sagte er: »Azazel ist hier nie Gesprächsthema, und ich verstehe nicht, wie du von ihm gehört haben kannst.«

»Es trug sich zu, daß ich eines Tages nur eine Meile von dir entfernt war«, erklärte ich.

George schenkte mir keine Beachtung und begann zu erzählen:

Der nicht eben wohlklingende Ausdruck »Klutz« begegnete mir im Zuge eines Gesprächs mit meinem Freund Menander Block. Du hast ihn bedauerlicherweise nie kennengelernt, da er Akademiker ist und sehr wählerisch in der Wahl seiner Bekanntschaften, wofür man ihm, gerade im Hinblick auf dich, kaum böse sein kann. Das Wort Klutz, so erklärte er mir, beschreibe eine ungeschickte, plumpe Person. »Und damit bin ich gemeint«, sagte er. »Es stammt nämlich von einem jiddischen Wort ab, das wörtlich übersetzt ein Stück Holz meint, einen Klotz oder Holzblock. Und wie du weißt, ist das mein Name - Block.«