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»Das ist mir ebenfalls ein großes Rätsel«, stimmte ich zu. »Oder wäre es zumindest, wenn er nicht dieser Tage dein alleiniges Gesprächsthema bildete.«

»Sei nicht albern«, erwiderte George. »Ich erwähne ihn niemals.«

Gottlieb Jones [sagte George] war ebenfalls ein Mann von Prinzipien. Man hätte das für eine völlige Unmöglichkeit halten können, zog man seinen Beruf als Werbetexter in Betracht, aber er erhob sich mit solcher Inbrunst über sein schändliches Gewerbe, daß es ein Genuß war, ihn dabei zu beobachten.

Immer wieder bekundete er mir über einem freundschaftlichen Hamburger und einem Teller Pommes Frites: »George, Worte können die Greuel meines Jobs nicht beschreiben, die Verzweiflung, die mich bei dem Gedanken daran befallt, daß ich mit überzeugenden Argumenten Produkte an den Mann bringen muß, von denen mir jedes Gefühl sagt, daß die Menschheit ohne sie besser dran wäre. Gerade gestern mußte ich helfen, eine neue Sorte Insekten-vernichter zu verkaufen, der Moskitos erwiesenermaßen hochfrequente Entzückensschreie entlockt, während sie sich aus meilenweiter Entfernung daraufstürzen. >Sei kein Moskito-Fraß - verwende Schnaken-Haß<, lautete mein Slogan.«

»Schnaken-Haß?« wiederholte ich mit einem Schaudern.

Gottlieb bedeckte die Augen mit einer Hand. Sicher hätte er beide genommen, wenn er nicht mit der anderen Pommes Frites in seinen Mund geschaufelt hätte. »Ich lebe mit dieser Schmach, George, und irgendwann werde ich den Job hinschmeißen müssen. Er vergewaltigt meine Geschäftsmoral und meine schöpferischen Ideale, und dabei bin ich doch ein Mann von Prinzipien.«

»Er bringt dir fünfzigtausend jährlich ein, Gottlieb«, gab ich höflich zu bedenken, »und du hast eine junge und wundervolle Frau und ein kleines Kind zu versorgen.«

»Geld ist Schmutz!« entgegnete Gottlieb heftig. »Ein wertloser Bestechungsversuch, damit ein Mann seine Seele verkauft. Ich lehne es ab, George; ich weise es voller Verachtung von mir; ich möchte nichts damit zu tun haben.«

»Aber Gottlieb, ganz gewiß tust du nichts dergleichen. Du akzeptierst dein Gehalt doch, oder nicht?« Ich gebe zu, daß ich für einen unangenehmen Moment einen mittellosen Gottlieb vor mir sah und die Anzahl von Mittagessen, die für uns beide zu bezahlen ihm seine Tugendhaftigkeit unmöglich gemacht hatte.

»Nun ja, das tue ich. Meine liebe Frau, Marilyn, hat die beunruhigende Angewohnheit, in Gesprächen von ansonsten gänzlich intellektueller Natur plötzlich ihr Haushaltsgeld zum Thema zu machen, gar nicht zu reden von der müßigen Erwähnung zahlreicher Einkäufe, die sie unbedacht in Kleiderboutiquen oder Ausstattungsläden tätigt. Dies übt einen mäßigenden Einfluß auf meine Pläne aus. Was den kleinen Gottlieb junior angeht, der gerade sechs Monate alt ist, so ist er noch nicht weit genug, die völlige Bedeutungslosigkeit von Geld zu erkennen -wenngleich ich ihm zugute halten muß, daß er mich noch nie um welches angepumpt hat.«

Er bekreuzigte sich, und ich seufzte mit ihm. Ich hatte bereits mehrfach vom unkooperativen Wesen von Frauen und Kindern in bezug auf finanzielle Dinge gehört, und dies ist einer der maßgeblichen Gründe, warum ich in dieser Hinsicht ein langes Leben hindurch ungebunden geblieben bin, wiewohl mein unwiderstehlicher Charme immer wieder dafür gesorgt hat, daß mir Reihen wundervoller Frauen heftig nachstellten.

Gottlieb Jones unterbrach unwissentlich diverse angenehme Erinnerungen, denen ich mich unschuldig hingab, indem er sagte: »Weißt du, was mein geheimer Traum ist, George?«

Für einen Moment trat ein so schlüpfriges Leuchten in seine Augen, daß ich leicht zusammenschrak und fürchtete, er könnte irgendwie meine Gedanken gelesen haben.

»Mein Traum ist es, Schriftsteller zu werden«, fuhr er dessen ungeachtet fort. »Schneidende Enthüllungen über die bebenden Tiefen der menschlichen Seele zu verfassen und sie der Menschheit vor äugen zu halten, auf daß sie zugleich erschauere und sich delektiere an der herrlichen Komplexität menschlicher Befindlichkeit; meinen Namen in großen, unauslöschlichen Lettern im Feld der klassischen Literatur zu verewigen und über die Generationen hinweg fortzubestehen neben solchen Männern und Frauen wie Aischylos, Shakespeare und Ellison.«

Wir hatten unser Mahl beendet, und ich wartete angespannt auf die Rechnung, um in exakt jenem Augenblick meiner Aufmerksamkeit kurz zu gestatten, sich von etwas anderem ablenken zu lassen. Der Ober, schätzte die Angelegenheit mit der scharfen Auffassungsgabe ein, die seiner Profession eigen ist, und reichte sie Gottlieb.

Ich entspannte mich und sagte: »Lieber Gottlieb, erwäge die Konsequenzen, die möglicherweise folgen würden. Erst kürzlich las ich in einer Zeitung von höchster Glaubwürdigkeit, die ein Gentleman neben mir in der Hand hielt, daß es in den Vereinigten Staaten fünfunddreißigtausend publizierte Schriftsteller gibt; von diesen leben gerade einmal siebenhundert von ihrer Arbeit, und fünfzig - nur fünfzig, mein Freund - sind reich. Verglichen damit ist dein gegenwärtiges Gehalt ...«

»Pah«, machte Gottlieb. »Es ist nicht von Bedeutung für mich, ob ich Geld verdiene oder nicht, wenn es mir gelingt, Unsterblichkeit zu erlangen und allen kommenden Generationen ein unschätzbares Geschenk aus Einsicht und Verständnis zu hinterlassen. Leicht könnte ich die Unbequemlichkeit ertragen, daß Marilyn einen Job als Kellnerin oder eine andere einfache Tätigkeit annehmen müßte.

Ich bin mir sicher, daß sie es als Privileg erachten würde oder zumindest sollte, bei Tag zu arbeiten und sich des Nachts um Gottlieb junior zu kümmern, auf daß das Künstlertum freie Bahn habe. Lediglich ...« Er hielt inne.

»Lediglich?« forderte ich ihn auf.

»Nun, ich weiß nicht, woran es liegt, George«, erklärte er, und ein gereizter Ton bemächtigte sich seiner Stimme. »Aber es gibt eine Kleinigkeit, die mir noch im Wege steht. Es scheint, als könnte ich es nicht. Mein Hirn wimmelt vor Einfällen von ungeheurer Tragweite. Szenen, Dialogfetzen, Situationen von außerordentlicher Lebendigkeit strömen ohne Unterlaß durch meinen Verstand. Lediglich die unbedeutende Kleinigkeit, sie tatsächlich in passende Worte zu kleiden, will mir nicht gelingen. Es kann nur ein unbedeutendes Problem sein, denn jeder unfähige Schreiberling, so wie dein Freund mit dem merkwürdigen Namen, scheint keine Schwierigkeiten damit zu haben, Bücher zu Hunderten zu produzieren. Ich habe lediglich den Trick noch nicht durchschaut.«

(Gewiß meinte er dich, mein lieber Freund, so zutreffend, wie der Ausdruck >unfähiger Schreiberling< ist. Natürlich wollte ich dich verteidigen, aber ich fühlte, daß ich auf verlorenem Posten gestanden hätte.)

»Sicher hast du es einfach noch nicht mit dem nötigen Ernst probiert«, vermutete ich.

»Und ob ich das habe! Ich habe hunderte Seiten Papier, und auf jeder befindet sich der erste Absatz eines wunderbaren Romans - der erste Absatz und nichts sonst. Hunderte verschiedener erster Absätze für Hunderte verschiedener Romane. Der Stolperstein bei jedem einzelnen ist der zweite Absatz.«

Ein brillanter Einfall kam mir, doch das überraschte mich nicht. Mein Verstand brütet die ganze Zeit über brillante Einfälle aus.

»Gottlieb«, sagte ich. »Ich kann dieses Problem für dich lösen. Ich kann einen Schriftsteller aus dir machen. Ich kann dich reich machen.«

Er sah mich mit einem unschönen Anflug von Skepsis an. »Du kannst das?« erkundigte er sich mit einer höchst unschmeichelhaften Betonung des Pronoms.

Wir waren aufgestanden und hatten das Restaurant verlassen. Ich registrierte, daß Gottlieb vergessen hatte, Trinkgeld zu hinterlassen, aber ich erachtete es als nicht sehr diplomatisch, ihn darauf aufmerksam zu machen, da er sonst auf die erschreckende Eingebung hätte kommen können, ich solle mich darum kümmern.