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»Ach, George«, sagte er matt.

»Gottlieb, wie schön, dich zu sehen«, erwiderte ich. »Du siehst besser aus als je zuvor.« (Tatsächlich ist er, wie alle Schreiber, ziemlich häßlich, aber man muß ja höflich sein.) »In letzter Zeit mal versucht, einen Roman zu schreiben?«

»Nein, habe ich nicht.« Dann, als würde er sich gerade an etwas erinnern, fügte er hinzu: »Warum? Wirst du mir endlich das Geheimnis des zweiten Absatzes verraten?«

Ich war erleichtert, daß er sich daran erinnerte, war dies doch ein weiteres Anzeichen dafür, daß sein Gehirn so funktionstüchtig war wie eh und je.

»Aber es wurde doch bereits alles erledigt, mein lieber Freund«, erklärte ich ihm. »Es bestand keine Notwenigkeit, dir etwas zu erklären. Ich verfüge über subtilere Methoden als das. Du mußt lediglich nach Hause gehen und dich an deine Schreibmaschine setzen, und du wirst sehen, daß du schreibst wie ein Engel. Sei beruhigt, denn deine Schwierigkeiten sind vorüber, und Romane werden mühelos aus deiner Schreibmaschine purzeln. Schreib zwei Kapitel und eine Zusammenfassung dessen, was im Rest des Buches passiert, und ich bin absolut sicher, daß jeder Verleger, dem du dies vorlegst, Freudenschreie ausstoßen und dir augenblicklich einen dicken Scheck ausstellen wird, von dem jeder einzelne Cent zur Hälfte dir gehört.«

»Pah!« schnaubte Gottlieb.

»Ich versichere es dir«, sagte ich und legte eine Hand auf mein Herz, das, wie du weißt, im übertragenen Sinn so groß ist, daß es meinen gesamten Brustraum ausfüllt. »In Wahrheit denke ich sogar, es wäre völlig angebracht, diesen schmutzigen Job hier aufzugeben, damit er in keiner Weise das reine Material infizieren kann, das aus deiner Schreibmaschine quellen wird. Du mußt es nur versuchen, Gottlieb, und du wirst mir zustimmen, daß ich mir meine Hälfte redlich verdient habe.«

»Du meinst also, ich soll meinen Job kündigen?«

»Genau!«

»Das kann ich nicht.«

»Natürlich kannst du das. Kehre dieser schändlichen Stellung den Rücken. Wende dich ab von der verdummenden Aufgabe kommerzieller Marktschreierei.«

»Ich sage dir doch, ich kann nicht kündigen. Ich bin gerade gefeuert worden.«

»Gefeuert?«

»Ja. Und zwar unter Beschimpfungen, die ein derartiges Fehlen von Wertschätzung erkennen ließen, daß ich nicht die Absicht habe, sie je zu verzeihen.«

Wir wandten uns ab und liefen auf den kleinen und günstigen Laden zu, wo wir gewöhnlich zu Mittag aßen.

Über einem Pastramisandwich begann er mürrisch zu erzählen. »Als ich gerade an einer Anzeige für einen Lufterfrischer saß, wurde ich plötzlich von der Vornehmheit des Themas überwältigt. Wir konnten nicht einfach das Wort >Geruch< verwenden. Plötzlich hatte ich das Gefühl, meine Gedanken frei äußern zu müssen. Wenn wir diesen verdammten Müll schon bewerben mußten, wieso dann nicht ordentlich? Also schrieb ich oben über den heiklen Entwurf Luft ohne Duft, unten auf das Blatt Krieg dem Mief, und schickte es ohne Zögern per Eilbote dem Kunden, ohne es vorher noch einmal jemandem zu zeigen.

Nachdem ich es weggeschickt hatte, dachte ich Warum nicht?< und sandte meinem Chef ein Memo, der daraufhin einen sehr lauten Anfall hatte, der ihn gefährlich nahe an einen Infarkt brachte. Er rief mich zu sich und teilte mir mit, daß ich gefeuert sei, und zwar vermittels einer Reihe wüster Ausdrücke, die er gewiß nicht auf dem Schoß seiner Mutter gelernt hatte - es sei denn, es wäre eine sehr ungewöhnliche Mutter gewesen. Und hier bin ich jetzt, arbeitslos.«

Er sah mich mit einer feindseligen Grimasse an. »Ich nehme an, du sagst mir jetzt, daß du hinter all dem steckst.«

»Natürlich tue ich das«, antwortete ich. »Du hast getan, wovon du unbewußt ahntest, daß es das Richtige ist. Du hast gezielt dafür gesorgt, daß sie dich rauswarfen, um endlich deine ganze Zeit der wahren Kunst widmen zu können. Gottlieb, mein Freund, geh jetzt nach Hause. Schreib deinen Roman und achte darauf, daß der Vorschuß nicht unter hunderttausend Dollar liegt. Da keine Geschäftsausgaben zu verrechnen sein werden, ausgenommen ein paar Cent für Schreibmaschinenpapier, mußt du nichts davon abziehen und kannst fünfzigtausend behalten.«

»Du bist verrückt«, sagte er.

»Ich bin nur zuversichtlich«, widersprach ich. »Und um das zu beweisen, werde ich unser Mittagessen bezahlen.«

»Du bist verrückt«, wiederholte er mit irgendwie ehrfürchtiger Stimme und ließ mich tatsächlich die Rechnung zahlen, obwohl er doch gewußt haben mußte, daß mein Angebot lediglich rhetorischer Natur gewesen war.

Am folgenden Abend rief ich ihn an. Normalerweise hätte ich länger damit gewartet. Ich wollte ihn nicht drängen. Aber ich hatte mittlerweile finanziell in ihn investiert. Das Mittagessen hatte mich elf Dollar gekostet, von dem Vierteldollar Trinkgeld, den ich gegeben hatte, gar nicht zu reden, und logischerweise war ich ruhelos. Du verstehst das.

»Gottlieb«, begann ich, »wie geht der Roman von der Hand?«

»Prima«, antwortete er. »Keine Probleme. Ich habe zwanzig Seiten runtergetippt, und guten Stoff noch dazu.«

Er sagte das jedoch gleichgültig, als gehe ihm noch etwas anderes im Kopf herum. Ich fragte ihn: »Warum machst du dann keine Luftsprünge vor Freude?«

»Wegen des Romans? Sei nicht albern. Feinberg, Saltzberg und Rosenberg riefen vorhin an.«

»Deine Werbe. deine Ex-Werbeagentur?«

»Ja. Natürlich nicht alle von ihnen, nur Mister Feinberg. Er will mich wieder einstellen.«

»Ich bin sicher, Gottlieb, daß du ihm klar zu verstehen gegeben hast, daß er dich am ...«

Doch Gottlieb ließ mich nicht ausreden. »Offenbar ist der Lufterfrischerkunde wegen meiner Anzeige ausgeflippt. Er will sie verwenden und dazu die Genehmigung haben, sie für eine Werbeoffensive, sowohl im Fernsehen als auch in Printmedien, zu verwenden, und sie wollen den Texter des Slogans, um die Kampagne zu leiten. Der Kunde sagt, was ich gemacht habe, sei kühn und zielsicher und treffe perfekt den Nerv der Achtziger. Er sagt, sie wollen Werbung machen, die erfolgreich wird wie noch keine zuvor, und dafür brauchen sie mich. Klar, daß ich gesagt habe, ich würde es mir überlegen.«

»Das ist ein Fehler, Gottlieb.«

»Es sollte mir gelingen, ihnen eine Gehaltserhöhung abzuringen, und zwar eine erhebliche. Ich habe nämlich die Worte nicht vergessen, die Feinberg mir hinterherwarf -einige davon auf Jiddisch.«

»Geld ist Schmutz, Gottlieb.«

»Natürlich, George, aber ich möchte doch gerne schauen, wieviel Schmutz im Spiel ist.«

Ich war nicht wirklich besorgt. Ich wußte, wie sehr die Aufgabe, Werbetexte zu verfassen, an Gottliebs sensibler Seele kratzte, und ich wußte, wie verlockend die Leichtigkeit sich anfühlen würde, mit der er jetzt einen Roman verfassen konnte. Das einzige, was ich tun mußte, war zu warten und (um einen weisen Satz zu prägen) den Dingen ihren Lauf zu lassen.

Dann jedoch kamen die Lufterfrischeranzeigen heraus, und sie schlugen in der Bevölkerung augenblicklich ein. »Krieg dem Mief« wurde zu einem geflügelten Wort für die Jugend Amerikas, und jedes Mal, wenn es benutzt wurde, war das, gewollt oder nicht, Werbung für das Produkt.

Ich kann mir vorstellen, daß du dich an dieses Modewort erinnern wirst - natürlich tust du das, denn ich hörte, daß Ablehnungsschreiben mit diesem Wortlaut bei den Zeitschriften, für die du zu schreiben versuchst, gang und gebe wurden, und dort dürftest du ihm häufig begegnet sein.

Weitere Anzeigen ähnlichen Wortlauts wurden veröffentlicht, und sie waren ähnlich erfolgreich.

Und plötzlich verstand ich: Azazel war es gelungen, Gottlieb jene Geistesverfassung zu schenken, die es ihm ermöglichte, die Masse mit seinen Texten anzusprechen, doch da er klein war und ohne großen Einfluß, war er unfähig gewesen, Gottliebs Verstand feinzujustieren und seine Gabe ausschließlich auf Romane auszurichten. Möglicherweise wußte Azazel auch einfach nicht, was ein Roman überhaupt war.