»Finden Sie das Restaurant nicht übertrieben protzig?« sagte George. »Wäre der Imbiß auf der anderen Straßenseite nicht besser -«
»Ich lade Sie ein«, sagte ich.
Worauf George die Lippen schürzte und sagte: »Jetzt, wo ich mir das Restaurant genauer ansehe, scheint es mir doch recht gemütlich zu sein. Ja, man könnte es dort aushalten.«
»Mein Vorfahr Bitterknut hatte einen Sohn«, fuhr George beim Hauptgang fort, »den er Sweyn nannte. Ein anständiger dänischer Name.«
»Ja, ich weiß«, sagte ich. »König Knuts Vater trug den Namen Sweyn Forkebart. In der heutigen Zeit wird der Name meist Sven geschrieben.«
George runzelte mißbilligend die Stirn. »Alterchen«, sagte er, »es ist nicht nötig, daß Sie derartig mit Ihrem Bildungsbürgertum protzen. Ich nehme die Tatsache zur Kenntnis, daß Sie über eine rudimentäre Allgemeinbildung verfügen.«
Ich fühlte mich zusammengestaucht. »Pardon.«
Er machte mit der Hand eine ausholende Geste der Vergebung und bestellte ein weiteres Glas Wein. »Sweyn Bitterknut war fasziniert von jungen Frauen, ein Charakterzug, den alle Bitternuts geerbt haben, und er war höchst erfolgreich bei ihnen, möchte ich hinzufügen, wie wir alle. Es ist glaubhaft belegt, daß manch eine Frau nach einem Zusammentreffen mit ihm bewundernd den Kopf schüttelte und sagte: >Oh, das ist vielleicht ein Sweyn. < Außerdem war er ein Erzmagus.« Nach einer Pause fuhr er unvermittelt fort: »Wissen Sie, was ein Erzmagus ist?«
»Nein«, log ich, da ich nicht abermals so offensichtlich mit meinem Wissen protzen wollte. »Sagen Sie es mir.«
»Ein Erzmagus ist ein Meistermagier«, sagte George unter einem Stoßseufzer, der einen dezidiert erleichterten Unterton hatte. »Sweyn studierte die geheimen und magischen Künste. Damals konnte man das noch ganz ungestört, da die häßliche moderne Skepsis noch nicht Fuß gefaßt hatte. Es war sein erklärtes Ziel, Mittel und Wege zu finden, wie er junge Hofdamen zu jenem willigen und zärtlichen Verhalten bewegen konnte, das die Krone der Weiblichkeit darstellt, und allem Zänkischen und Arglistigen zu entsagen.«
»Aha«, sagte ich verständnisvoll.
»Zu diesem Behufe brauchte er Dämonen und vervollkommnete Methoden, sie zu beschwören, indem er gewisse Kräuter verbrannte und gewisse halb vergessene Namen der Macht riet.«
»Und hat es funktioniert, Mr. Bitternut?«
»Bitte nennen Sie mich George. Natürlich hat es funktioniert. Er ließ Dämonen in ganzen Kadern und Heerscharen für sich arbeiten, da, wie er sich häufig beschwerte, die Frauen seiner Zeit dickköpfige und undankbare Wesen waren, die seine Bemerkung, wonach er der Enkel eines Königs sei, stets mit garstigen Hinweisen auf die wahre Natur dieser Abstammung quittierten. Aber sobald ein Dämon sein Ding durchgezogen hatte, sahen sie ein, daß ein leibhaftiger Sohn seine leibhaftigen Vorzüge hatte.«
»Sind Sie sicher, daß dem so ist, George?« fragte ich.
»Ganz sicher, denn vergangenen Sommer entdeckte ich dieses Zauberbuch zur Beschwörung von Dämonen. Ich fand es in einer alten englischen Burg, die inzwischen verfallen ist, einst aber meiner Familie gehörte. Alle notwendigen Kräuter waren aufgelistet, die Art und Weise, wie man sie verbrennen muß, das Tempo, die Namen der Macht, die Beschwörungen. Alles. Es war auf Altenglisch verfaßt - Angelsächsisch, Sie wissen schon -, aber wie es der Zufall will, bin ich Linguist und -«
Da überkam mich doch eine gelinde Skepsis. »Das ist nicht Ihr Ernst«, sagte ich.
Er sah mich gekränkt an. »Wie kommen Sie darauf"? Fasle ich? Es war ein echtes Buch. Ich habe die Zaubersprüche selbst ausprobiert.«
»Und haben einen Dämon heraufbeschworen?«
»Ja, so ist es«, sagte er und zeigte vielsagend auf die Brusttasche seines Jacketts.
»Da drinnen?«
George berührte die Tasche und wollte schon nicken, als er mit den Fingern etwas zu spüren, oder besser gesagt, nicht zu spüren schien. Er blickte hinein.
»Er ist fort«, sagte er enttäuscht. »Entmaterialisiert. -Aber deswegen kann man ihm wahrscheinlich keinen Vorwurf machen. Er war gestern abend bei mir, weil er neugierig auf diesen Con war. Ich gab ihm etwas Whiskey mit einer Pipette, und das gefiel ihm. Vielleicht gefiel es ihm etwas zu gut, denn er wollte in der Bar gegen den Kakadu im Käfig kämpfen und beschimpfte ihn mit ungezogenen Namen. Glücklicherweise schlief er ein, bevor der beleidigte Vogel zurückschlagen konnte. Heute morgen schien es ihm nicht so gut zu gehen, daher nehme ich an, er ist nach Hause gegangen, um sich zu erholen, wo immer das sein mag.«
In mir regten sich gewisse Zweifel. Erwartete er wirklich, daß ich das alles glaubte? »Wollen Sie mir etwa sagen, Sie hatten einen Dämon in der Brusttasche?«
»Ihre schnelle Auffassungsgabe«, sagte George, »ist erstaunlich.«
»Wie groß war er?«
»Zwei Zentimeter.«
»Aber das ist nicht mal ein Zoll.«
»Sehr richtig. Ein Zoll sind 2,54 Zentimeter.«
»Ich meine, was für ein Dämon ist denn zwei Zentimeter groß?«
»Ein kleiner«, antwortete George, »aber wie schon das alte Sprichwort sagt: Lieber einen kleinen Dämon in der Hand als einen großen Dämon auf dem Dach.«
»Kommt ganz auf seine Stimmung an.«
»Oh, Azazel - das ist sein Name - ist ein freundlicher Dämon. Ich vermute, seine eingeborenen Brüder und Schwestern behandeln ihn ein wenig herablassend, denn er ist sehr erpicht darauf, mich mit seinen Kräften zu beeindrucken, allerdings setzt er sie nicht ein, um mich reich zu machen, was er aus Gründen der Freundschaft eigentlich sollte. Er sagt, seine Kräfte dürfen nur eingesetzt werden, um anderen Gutes zu tun.«
»Also hören Sie, George. Das ist doch ganz sicher nicht die Philosophie der Hölle.«
George legte einen Finger auf die Lippen. »Sagen Sie so etwas nicht, alter Knabe. Azazel wäre zutiefst beleidigt. Er sagt, daß sein Heimatland freundlich, anständig und höchst zivilisiert sei und redet nur mit höchstem Respekt von seinem Herrscher, dessen Namen er allerdings nicht preisgeben möchte und den er nur Alles-in-Allem nennt.«
»Und, tut er wirklich Gutes?«
»Wann immer er kann. Nehmen Sie nur einmal den Fall meines Patenkinds Juniper Pen -«
»Juniper Pen?«
»Ja. Ihrem äußerst neugierigen Blick entnehme ich, daß Sie die Geschichte gern erfahren möchten, und ich werde sie Ihnen mit Freuden erzählen.«
* * * Juniper Pen [sagte George] war zu der Zeit, als die Geschichte ihren Anfang nimmt, eine blauäugige Erst-semesterin am College - ein unschuldiges, süßes Mädchen, das vom Basketballteam fasziniert war, das samt und sonders aus hochgewachsenen, stattlichen jungen Männern bestand.
Der Spieler des Teams, auf den sich ihre Jungmädchenphantasien am meisten zu konzentrieren schienen, hieß Leander Thomson, groß, schlaksig, mit enormen Pranken, die sich um einen Basketball legten, oder um alles andere, das Form und Größe eines Basketballs besaß, womit irgendwie wieder Juniper ins Spiel kommt. Zweifellos galten ihm allein ihre anfeuernden Rufe, wenn sie während eines Spiels im Publikum saß.
Sie weihte mich in ihre reizenden kleinen Träume ein, denn sie verspürte, wie alle jungen Frauen, auch wenn sie nicht meine Patenkinder sind, den unbezwingbaren Drang, mich ins Vertrauen zu ziehen. Mein herzliches, aber würdevolles Benehmen ist eben vertrauenerweckend.
»Oh, Onkel George«, pflegte sie zu sagen, »es ist doch ganz gewiß nicht falsch, wenn ich von einer Zukunft mit Leander träume. Ich sehe ihn als größten Basketballspieler der Welt vor mir, als erste Sahne unter den bedeutendsten Profisportlern, als Inhaber eines langfristigen, hochdotierten Vertrags. Es ist ja nicht so, daß ich zuviel verlange. Ich erwarte vom Leben nur eine kleine efeubewachsene Villa, ein hübsches Gärtchen, das sich so weit erstreckt wie das Auge reicht, eine kleine, in Staffeln organisierte Dienerschaft, Kleidungsstücke für jeden Tag der Woche, für jeden Monat des Jahres, die in alphabetischer Reihenfolge sortiert sind, und -«